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Mit Musik geht alles besser! Jeden Tag engagiert Kurt Bieri eine sechsköpfige Musikgruppe. Alle Bilder: Daniel Gerber

«Innert Tagen waren in Kuba die ausländischen Gäste weg»

Daniel Gerber

Kurt Bieri kam 1995 erstmals nach Kuba. Heute gehören seiner Familie eine der schönsten Altstadt-Unterkünfte in Havanna und das Restaurant Van Van. Was vor der Pandemie bestens gelaufen ist, bereitet heute Sorgen. Wie Kurt Bieri die Lage einschätzt und die Zukunft sieht.

Herr Bieri, 20 Jahre lang haben Sie mit Ihrer Partnerin Yoanis Linares ein ruhiges Leben geführt. Wie kam es zur Idee im Tourismus tätig zu werden?

Toller Start und harte Landung in Havanna: Kurt Bieri im Restaurant Van Van.

Kurt Bieri: Ich habe meine Partnerin Yoanis 1997 kennengelernt. Uns hat auch der Sport verbunden, denn Yoanis ist eine ehemalige Fussball-Nationalspielerin, ich war Elite-Amateur im Radrennsport. Mit weniger als 1000 Dollar pro Monat konnten wir hier einfach leben. Meine Frau hat Medizin studiert, ich war viel mit dem Velo unterwegs. Als Obama zum US-Präsident gewählt wurde, kam in Kuba grosse Hoffnung auf. Eine Lockerung der Blockadepolitik würde die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben und viele zusätzliche Touristen ins Land bringen, das war die Überlegung, die dazu geführt hat, dass wir 2015 einen Hausteil in der Altstadt gekauft haben. Nach einer Total-Renovation konnten wir sieben Zimmer anbieten. Praktisch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben wir uns 2016 dazu entschieden in der Nähe zusätzlich ein Restaurant zu kaufen. Dieses sollte ein für Kuba sehr gutes Niveau bieten.

Mein Ratsport-Kollege Fabian Fuchs, der sich in der Schweiz ansehnlichen Erfolg erkocht hatte, beriet uns und half vor Ort, die Kochequipe und damit das Küchenniveau auf einen guten Stand zu bringen. (Travelnews berichtete 2017 erstmals über Kurt Bieris Restaurant VanVan).

Und wie ist das Geschäft seither gelaufen?

Es kam, wie gehofft. Mit der teilweisen Öffnung wurde die Stadt praktisch überlaufen. Zusätzlich brachte das 500-Jahr-Jubiläum 2019 weitere Gäste ins Land. Drei Jahre liefen super. Wir konnten elf Mitarbeiter beschäftigen und haben täglich eine sechsköpfige Musikgruppe zusätzlich engagiert.

Gut verständliche Speisekarte für Besucher aus allen Ländern.

Wie hat die Pandemie den Geschäftsgang beeinflusst?

Ziemlich Knall auf Fall hat die kubanische Regierung angesichts der ersten Corona-Welle die ausländischen Gäste innert Tagen aus dem Land herauskomplimentiert und einen scharfen Lockdown, selbstverständlich auch für Restaurants dekretiert. Am 18. März 2020 haben wir das Restaurant geschlossen.

Gab es Unterstützung vom Staat, ähnlich wie in der Schweiz?

Nein, da war gar nichts. Wir haben zuerst etwas abgewartet. In dieser Zeit habe ich unser Haus in Santa Fé renoviert. Aber im Juli 2020 flogen wir in die Schweiz, wo unsere Tochter studiert und wir auch in der Vergangenheit etwa ein Vierteljahr pro Jahr verbracht haben.
Meine Frau ist aber nach wenigen Monaten zurück auf die Insel. Die Idee war es mit einem Take Away für Einheimische wenigstens einigen Mitarbeitern einen Lohn zu sichern. Wir haben für Kubaner gekocht. Das heisst zum Beispiel, dass von einem Schwein wirklich fast 100 Prozent verwertet werden. Wir konnten so vier Mitarbeiter beschäftigen, Yoanis konnte ihre eigenen und die Geschäftskosten decken, der Gewinn war eher symbolisch.

Yoanis Linares und Kurt Bieri - Das Dream-Team im Restaurant Van Van in Havanna zeigt der Pandemie die Zähne!

Wie viele Prozent beträgt der Geschäftsumfang heute verglichen mit der Zeit vor der Pandemie?

Dazu muss man wissen, dass das Touristengeschäft grundsätzlich wellenförmig verläuft. Weihnachten, Neujahr und die Osterzeit laufen normalerweise voll, dann spüren wir, dass die Europäer Ferien haben - ausser in den Sommerferien. Da haben wir das Geschäft für drei Monate geschlossen. Wenn ich nun vergleiche, so sind wir jetzt vielleicht bei zehn Prozent vom gewohnten Umsatz. Hie und da gibt es einen Lichtblick - aber auf tiefem Niveau.

Aktuell sind viele unserer Gäste Schweizer. Wir spüren die Flüge der Edelweiss. Dazu gibt es Schweizer, die hier in der Wärme überwintern oder interessanten Projekten nachgehen. Wir sind ein Treffpunkt für Landsleute und dem einen oder anderen konnte ich schon aus Notsituationen heraushelfen.

Ein nicht nur von Schweizer Besuchern geschätzter Klassiker im Restaurant Van Van: Spätzli.

Welche Gedanken gehen Ihnen durch den Kopf?

Es ist eine traurige Situation. Mir geht es ja recht - aber die Kubaner haben ein schweres Leben.
Die gestiegenen Preise lassen das Lebensniveau sinken. Für das Fleisch müssen sie heute zehn mal mehr bezahlen, wenn es denn überhaupt Fleisch hat. Das Land ist wirtschaftlich am Ende. Aber die Kubaner hoffen seit 70 Jahren das es besser wird und bleiben trotzdem irgendwie fröhlich. Davon können wir lernen: Ruhig bleiben und die Pandemie durchstehen.

Wir brauchen keinen grossen Gewinn. Wir wollen überleben und die Mitarbeiter behalten und hoffen auf eine Aufbausaison 22/23. Ich möchte wieder zufriedene Gesichter sehen bei meinen Mitarbeitern, meinen Gästen, aber auch bei den Kubanern auf der Strasse.

In Bearbeitung: 300 Kilo Schweinefleisch. Nicht einfach zu bekommen in Havanna.

Sie sehen fit aus, aber Sie sind auch nicht mehr 25. Wie sieht es aus mit der Pensionierung?

Ursprünglich wollte ich mit 60 Jahren einen Selbstläufer kreiert haben. Ein guter Geschäftsführer - und wir hätten noch ein wenig mitgeholfen. Jetzt ist meine Frau die Geschäftsführerin. Von der Geschäftslast erledigt sie 90 Prozent und sie macht das sehr gut. Ich war in den vergangenen Monaten in der Schweiz viel mit dem Elektrobike in den Bergen und bin sehr erholt und locker zurückgekehrt. Das Kürzertreten verschiebt sich vielleicht etwas nach hinten – aber ich möchte gerne das Leben noch lange geniessen.

Restaurant mit viel Ambiente und Lokalkolorit unter kubanisch-schweizerischer Führung.