Destinationen

Frankreich (im Bild der Mont-Saint-Michel in der Normandie) will künftig verstärkt auf Qualität statt auf Quantität im Tourismus setzen - zumindest, wenn es nach Vorstellung von Staatspräsident Emmanuel Macron geht. Bild: Gautier Salles

Frankreich will bis 2030 das nachhaltigste Reiseziel sein

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat im Rahmen eines Wirtschaftsgipfels neue Ziele für den französischen Tourismus vorgestellt und aufgezeigt, welchen Herausforderungen sich der Reisesektor in den nächsten Jahren stellen muss.

Der amtierende französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat kürzlich im Rahmen eines Wirtschaftsgipfels mit Titel «Destination France» vor rund sechzig CEOs französischer und internationaler Konzerne seine Vision für den Tourismussektor gestellt, wie diverse französische Medien berichten. Der Anlass wurde von der französischen Tourismusvermarktungsorganisation Atout France sowie dem WTTC (World Travel & Tourism Council) auf die Beine gestellt. Das Ziel war klar: Man wollte einen Konsens finden, wie sich Frankreich, vor der Pandemie noch weltweite Nummer 1 in Bezug auf ausländische Touristen - mit 90 Millionen Besuchern im Jahr 2019 - von den Folgen der Covid-Krise erholen könnte.

Der Staatschef zeigte Verständnis für die Probleme im Tourismus, indem er etwa sagte: «Wenn das Virus einen Feind hat, dann sind es wohl die Berufe , welche Geselligkeit in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stellen. Der Tourismus war der am stärksten betroffene Sektor, auf internationaler Ebene erlebte dieser eine geradezu dramatische Zeit. Deshalb haben wir versucht, die Tourismusfachleute in der Krise vernünftig zu unterstützen.» Anfang September 2021 beliefen sich die Beihilfen für den Tourismus-Sektor demnach auf 38 Milliarden Euro. Macron brüstete sich damit, dass Frankreich als eines der ersten Länder weltweit den Tourismussektor effizient unterstützt habe.

Doch wie weiter? Für Macron ist ganz klar, dass man die historischen Stärken Frankreichs - Kunst und Kultur, den «Terroir», das «Savoir-vivre», den «French Touch» usw.) - verstärkt in den Fokus nehmen muss und sich damit, einhergehend mit der staatlichen Gesundheitsstrategie (Impfstoffe und Gesundheitspass), wieder eine gute Ausgangsposition für die Zukunft verschaffen soll. Denn laut Macron mag Frankreich erster sein in Bezug auf die Anzahl Besucher; bei den Ausgaben pro Besucher ist man aber weit weg von einem Spitzenplatz. Deshalb lautet die Forderung des Staatschefs: «Wir müssen von einem quantitativen zu einem qualitativen Ansatz übergehen.» Frankreich solle wieder für Qualität stehen - auch und gerade im Tourismus.

«Wir müssen von einem quantitativen zu einem qualitativen Ansatz übergehen.» - Emmanuel Macron

Doch Qualität hat nicht nur mit Dienstleistung zu tun, sondern auch mit Infrastruktur. Und genau hier liegt noch eine Menge Arbeit vor Frankreich. Macron unterstrich, dass man die Infrastruktur von Bahn-, Flug- und Schiffsverkehr «modernisieren und aufwerten» wolle, damit Frankreich wieder zu einer echten regionalen und internationalen Drehscheibe werde, doch sei dies eine echte Herausforderung, nicht nur finanziell und planerisch, sondern auch in Bezug auf die Klimafrage. Deshalb wurden im Rahmen des Gipfels offenbar auch Themen wie Intermodalität sowie die weitere Entwicklung der «voies vertes» (das sind Routen, die ausschliesslich nicht-motorisiertem Verkehr vorbehalten sind) intensiv diskutiert.

Natürlich betrifft die touristische Infrastruktur überdies auch den Beherbergungs-Sektor. Das ist nicht nur eine Herausforderung im Mutterland, sondern auch in den Überseegebieten Frankreichs, wo die Hotelinfrastruktur laut Macron jener von lokalen Konkurrenten oft unterlegen sei, was im Tourismus nachteilig sei. Macron will deshalb mit privaten und öffentlichen Initiativen einen Rahmen schaffen, der Investoren auch in den französischen Überseegebieten besser anzieht, wodurch Modernisierung und Ausbau ermöglicht werden.

In diesem Zusammenhang wünscht sich Macron aber eine nachhaltige und verantwortungsvolle Entwicklung des Tourismus. «Frankreich muss den Wandel im Tourismus beschleunigen und sich die Mittel geben, um bis 2030 das führende Reiseziel in Sachen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit zu werden», gibt der Präsident die Leitplanken vor. In diesem Bereich an der Spitze zu sein, sei ein enormer Hebel für die Attraktivität einer Destination.

Im selben Zusammenhang gelte es auch, ein Modell zu erfinden, um junge Menschen anzuziehen und sie im Tourismus zu halten. Dies, weil Frankreich in den touristischen Berufen mit einem Arbeitskräftebedarf konfrontiert sei, welcher nicht gedeckt werde. Macron sprach Probleme wie Löhne, Arbeitszeiten und Ausbildung an und gab sich als grosser Befürworter von Lehrstellen zu erkennen.

Grossevents sorgen für Nachfrage - doch was ist mit Nachhaltigkeit?

Zu guter Letzt verwies der Staatschef darauf, dass man die Digitalisierung beschleunigen soll, gerade im Bereich der KMU. Konkret solle das Investitionsniveau in diesem Sektor, das vor der Krise bei 15 Milliarden Euro pro Jahr lag, auf 20 Milliarden Euro steigen. Es benötige eine gesunde Portion Ehrgeiz, um wieder an die Spitze zu kommen.

Nun kann man sagen, dass die Worte des Staatschefs durchaus treffend sind und es erfreulich ist, wenn ein Spitzenpolitiker einen gewissen Sachverstand in Sachen Tourismus an den Tag legt. Ob allerdings den Worten auch Taten folgen? Der Wirtschaftsgipfel will jedenfalls eine Art Resultat-Memo ausarbeiten, welches in den französischen Konjunkturplan einfliessen soll, der wiederum von einem Investitionsplan flankiert wird, welcher bis Ende Jahr vorgelegt wird. Man darf darauf gespannt sein.

In naher Zukunft hat Frankreich jedenfalls schon mal mit Grossevents für einen gewissen touristischen «Buzz» und somit Nachfrage gesorgt. 2023 wird die Rugby-WM in Frankreich stattfinden, 2024 die Olympischen Sommerspiele. Wie hier Quantität, Qualität und Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden, ist die grosse Herausforderung für unser westliches Nachbarland.

(JCR)