Destinationen
Kommentar Die Impfung wird immer mehr zur Reise-Notwendigkeit
Jean-Claude RaemyZum Wochenauftakt gab es die beste Nachricht seit langem: Ab November werden die USA ihre Grenzen endlich öffnen. Das ist einerseits für Leisure-Touristen eine gute Nachricht, nachdem das klar beliebteste Fernreiseziel der Schweiz doch während 18 Monaten fast komplett abgeschottet war. Es ist aber auch eine gute Nachricht für den Geschäftsreisesektor. Zur Erinnerung: Die Schweiz war zu Beginn der Pandemie der sechstgrösste Investor in den USA. Rund 500 Schweizer Unternehmen sind in den USA niedergelassen und fast 1000 US-Unternehmen in der Schweiz beschäftigen rund 90'000 Arbeitnehmende.
Kein Wunder, frohlockten die Reiseveranstaltern (Travelnews berichtete) wie auch viele Airlines - darunter die Swiss - und Kreuzfahrtgesellschaften und Institutionen wie die IATA oder die WTO. So etwas hatte man zuvor bei Öffnungs-Ankündigungen noch nicht gesehen. Im Fall von Grossbritannien erwartete man fast schon ein Glückwunschschreiben der Queen, während aus Schweizer Behördensicht diese Ankündigung wohl die Hoffnung befeuerte, dass sich viele Impf-Zögerer nun allein wegen der Aussicht auf USA-Ferien vielleicht doch noch zur Impfung bewegen lassen - schliesslich haben sich viele schon zur Impfung bewegen lassen, nur um ein Bier in der lokalen Beiz ohne Testpflicht trinken zu können... Die Flugkapazitäten, schon vor der Öffnung vorhanden, werden nun hochgefahren, bei der Lufthansa Group spricht man schon am Tag 2 nach der Öffnungs-Ankündigung von einem spontanen Buchungsanstieg um 40 Prozent. Die Aufbruchstimmung ist förmlich zu spüren, die Rede ist bereits von einem «historischen Moment» oder, weniger Pathos-geschwängert, von einem «Signal zum Weg aus der Krise».
Das mag etwas übertrieben sein, schliesslich sind grosse Teile Asiens und Ozeaniens weiterhin geschlossen, die Situation hinsichtlich den globalen Einreisebestimmungen ist weiterhin unübersichtlich, die Auseinandersetzungen rund ums Impfen sind noch lange nicht ausgestanden. Von Normalisierung zu sprechen ist wohl verwegen. Aber wenn eine Weltmacht sich wieder zur Welt hin öffnet, dann ist das für hunderttausende Beschäftigte im Tourismus ein wichtiges Fanal. Es spricht einerseits für die Signifikanz der USA als (Geschäfts-)Reiseziel und im weiteren Sinne auch für die Signifikanz des Tourismus für die globale Wirtschaft. Einzelne Airline-Aktien stiegen allein wegen der Öffnungs-Ankündigung - kein Wunder, denn bei den aktuell noch tiefen USA-Preisen ist ein Run auf die Tickets sicher.
Mit der bereits zuvor erfolgten Öffnung Kanadas steht nun ganz Nordamerika wieder für - geimpfte - Reisende zur Verfügung. Das ist erfreulich und sicherlich für 2022 - für die Herbstferien reicht es ja noch nicht - ein gutes Omen für die Reiseanbieter. Noch wichtiger ist es aber für die USA selber. Dort hatte die Abschottung laut der U.S. Travel Association für Umsatzeinbussen in der Höhe von 500 Milliarden Dollar gesorgt, dazu gingen Tausende Jobs verloren (allein in New York City sollen es über 80'000 gewesen sein). Viel länger konnte so etwas nicht gut gehen, dazu kam der Druck von den europäischen Partnern, welche schon lange wieder den US-Bürgern die Einreise erlaubt hatten, obwohl die Inzidenz-Lage in den USA nicht besser war als in vielen europäischen Ländern.
Kurzum: Ein Umdenken hinsichtlich der besten Bewältigungsstrategie der Pandemie hat stattgefunden, und zwar beidseits des Atlantiks. Die Impfung hat sich als Schlüssel zur einigermassen freien internationalen Fortbewegung durchgesetzt gegenüber komplizierten und kaum nachvollziehbaren Quarantäneregeln, die an volatilen Zahlen festgemacht waren. Die neuen Vorschriften stellen für viele Reisende eine Erleichterung dar. Allerdings bedeuten sie für andere eine Einschränkung - für Ungeimpfte natürlich. Und hierbei eben auch für Ungeimpfte aus Ländern, welche bisher von USA-Reisen nicht ausgeschlossen waren. Das mag ein Problem sein vor allem für Menschen aus Ländern, in denen eine Impfung schwierig zu erhalten ist, und sollte von den USA sorgfältig adressiert werden. In Europa, wo die Impfung seit Monaten problemlos erhältlich ist, gilt dieser Einwand jedoch nicht. Diese werden weiterhin nicht in die USA reisen dürfen und aus einer immer kleiner werdenden Liste aus Ländern, die keine Impfung erfordern, auswählen müssen.
Das wird von den USA konkret gefordert
Die am Montag angekündigten Änderungen gelten nur für Flugreisen und haben keine Auswirkungen auf die Beschränkungen entlang der Landgrenze. Zugelassene Impfstoffe sind jene, welche von der WHO als zulässig gelistet sind, also auch jene, die in der Schweiz verimpft werden. Das amerikanische Center for Disease Control and Prevention (CDC) betrachtet Menschen ab zwei Wochen nach Erhalt der zweiten Dosis des Impfstoffs (Pfizer, Moderna etc.) bzw. der Einzeldosis des Impfstoffs (Johnson & Johnson etc.) als vollständig geimpft.
Die US-Gesundheitsbehörden werden die Fluggesellschaften anweisen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Reisenden für ein neues System zur Ermittlung von Kontaktpersonen zu erfassen. Die Behörden werden dann die Reisenden nach ihrer Ankunft befragen, ob sie Symptome des Virus aufweisen.
Internationale Reisende müssen vor Antritt des Fluges einen Nachweis über eine vollständige Impfung und innerhalb von 72 Stunden nach Abflug einen negativen Covid-19-Test vorlegen. Eine Quarantäne bei der Ankunft ist nicht erforderlich. Ausnahmen wird es für Kinder geben, die noch nicht geimpft werden können.