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Rauchwolken infolge von Feuersbrünsten über dem kroatischen Ort Pakostane - das Bild stammt aus dem Jahr 2017. Bild: AdobeStock

«Wir müssen wegen der Brände in Südeuropa nun gezielt beraten»

Jean-Claude Raemy/Nina Wild

Südeuropa leidet unter einer Hitzewelle - mit der Folge, dass in der Türkei, in Kroatien, Griechenland sowie Teilen Italiens grössere Waldbrände ausgebrochen sind. Wie stark fallen diese aus und sind Sie auch wirklich ein Problem für Touristen vor Ort? Travelnews hat sich bei mehreren Reiseunternehmen umgehört.

Südosteuropa leidet aktuell infolge heisser Sahara-Winde unter einer selbst für diese Region eher aussergewöhnlichen Hitzewelle. Die Folge davon: Waldbrände, im Mittelmeerraum im Sommer eigentlich nicht so aussergewöhnlich, wüten derzeit an besonders vielen Orten und teils auch sehr heftig. Schaut man sich die generelle Medienberichterstattung an, entsteht der Eindruck, ganz Südeuropa sei aktuell ein Flammenmeer. Gewiss ist die Situation vielerorts ernst und Hunderte Menschen sind betroffen. Doch wie ernsthaft ist die Lage für Touristen vor Ort? Wir wollen nicht schönfärben und nicht dramatisieren - und haben mal bei Spezialisten nachgefragt.   


Türkei

Bentour-CEO Deniz Ugur haben wir telefonisch vor Ort in Bodrum erreicht, wo er aktuell mit der Familie Ferien verbringt und sich aber auch gleich ein Bild der Lage machen kann - und dabei unter anderem in direktem Kontakt mit dem Feuer-Krisenstab in Ankara in Kontakt steht. Vor dem Aufenthalt in Bodrum war Ugur zudem in Side und konnte so auch dort die Situation aus erster Hand beobachten. Gegenüber Travelnews erklärt Ugur: «Die brennende Fläche war zeitweise schon sehr gross, wobei natürlich nicht nur touristische Gebiete betroffen waren. Insgesamt wurden in der Türkei rund 100 Brandherde gezählt; über 80 davon sind gelöscht, rund 20 Feuer sind noch aktiv. Betroffen ist vor allem die Region Side/Manavgat, dort sind auch noch ein paar Feuer aktiv, doch die Rauchwolken verschwinden langsam und die Feuersbrünste sind über 10 Kilometer von den touristischen Anlagen entfernt. In der Region Belek/Lara herrscht blauer Himmel, ebenso in der Region Kemer/Alanya. In Bodrum wurde das Titanic Hotel zwischenzeitlich evakuiert, doch inzwischen sind bereits wieder Gäste drin und es besteht keine Gefahr mehr. Hier in Bodrum scheint die Situation gut unter Kontrolle zu sein. In der nahe gelegenen Region Mugla und insbesondere in Marmaris gilt auch noch erhöhte Alarmbereitschaft; in Marmaris musste der Stadtteil Icmerler evakuiert werden.» Marmaris ist bei Schweizern nicht die beliebteste türkische Ferienregion, weshalb hier auch kaum Schweizer Touristen betroffen waren.

Ugur will die Lage also überhaupt nicht schönreden, hält jedoch fest: «95 Prozent der Kundschaft haben kein Problem. Echte Gefahr herrscht eigentlich nirgendwo, es sind mehr Beeinträchtigungen hie und da wegen der Rauchentwicklung. Es hat einzelne Umbuchungsanfragen bei uns gegeben - wir versuchen dann, per gezielter Beratung zu schauen, ob dies auch sinnvoll ist oder nicht. Wir fällen hier Einzelfallentscheidungen; eine generelle Kulanzregelung wegen der Brände ist bei uns meines Wissens auch bei grossen Mitbewerbern nicht vorgesehen.»

Wegen verunsicherten Endkunden müsse Bentour nun eben «gezielt beraten» und Ugur ist bemüht, auch bei vielen Medien für weniger reisserische Berichterstattung zu sorgen - und hat dafür dieser Tage bereits beim deutschen WDR sowie bei der «Welt» Interviews gegeben. Nicht zuletzt bemerkt Ugur: «Mit einem weiterhin aktiven Tourismusgeschäft hilft man der Bevölkerung hier besser als mit irgendwelchen Spendenaufrufen.» Bentour Reisen geht übrigens mit gutem Beispiel voran und pflanzt 10'000 Bäume. Ab sofort und bis Ende der Saison wird zudem mit jeder verkauften Pauschalreise in die Türkei ein weiterer Baum im bereits 2012 lancierten «Bentour-Wald» in Antalya gepflanzt. Dazu Ugur: «Auch wenn die Hotelanlagen weitestgehend verschont geblieben sind, so sind die vielen Waldbrände einfach furchtbar. Millionen von Menschen und Tieren sind betroffen und zehntausende Hektar Wald wurden bereits zerstört. Wir sehen uns in der Verantwortung für unsere wichtigste Feriendestination und möchten dabei helfen, den Wald so schnell wie möglich nachhaltig wieder aufzuforsten.» Klimabedingt werden alle Setzlinge im November ausgesät.

Kroatien

Mehreren Medienberichten zufolge ist in der Nähe von der Stadt Split, nördlich des Internationalen Flughafens Split-Kaštela, am 2. August ein Brand ausgebrochen. Dies bestätigt auch Marco Wipfli, Geschäftsführer des Kroatien-Spezialisten Meersicht GmbH gegenüber Travelnews. Infolge dessen wurden gestern einige Flüge umgeleitet und der Airport für ein paar Stunden gesperrt. «Der Flughafen ist mittlerweile wieder normal geöffnet, jedoch hat sich der Brand über Nacht ausgeweitet. Es sind zahlreiche Löschfahr- und Flugzeuge im Einsatz und auch die Armee wurde zusätzlich zu den Feuerwehrleuten aufgeboten. Es ist davon auszugehen, dass es auch heute zeitweise zu Flughafenschliessungen und in Folge dessen zu Umleitungen von Flügen nach Zadar oder Zagreb kommt», sagt er nach einem Telefonat mit seinem Agenten in Split. Dieser geht davon aus, dass der Brand sich noch vergrössern werde, glücklicherweise ist dieser aber in einem unbewohnten Gebiet ausgebrochen, sodass derzeit keine Menschen oder Häuser gefährdet sind.

Der Reiseprofi spüre keinerlei Verunsicherung bei seinen Kunden aufgrund der Feuer. Es gebe im ganzen Land vereinzelt kleine Brände, die aber mehr oder weniger unter Kontrolle seien und kein grosses Aufsehen erregen, weil es keine Panik in der Bevölkerung gebe. «Solche Brände gab es auch schon in anderen Jahren - wenn auch nicht in diesem Ausmass - in Südeuropa, das ist grundsätzlich nichts Neues», sagt Wipfli. Aufgrund der extremen Hitze und Trockenheit in Kombination mit den starken Winden sei die Situation derzeit aber fragil. Glücklicherweise ist Kroatien bislang mehrheitlich verschont geblieben, sodass Reisen weiterhin möglich sind. «Aber man sollte vorsichtig und sich der Gefahr bewusst sein. Diese ist momentan auch in Kombination mit den starken Winden relativ gross», mahnt der Spezialist abschliessend.

Griechenland

Auch auf einigen griechischen Inseln brennt es derweil. Betroffen ist zum einen die Insel Peloponnes, wo es in der Nähe von Patras, der grössten Stadt auf der Insel zu Bränden kam. «Die Leute, welche mit der Fähre von Italien nach Patras fuhren, mussten via Rio-Andirrio-Brücke fahren um über das Festland an ihr Ziel zu gelangen», erklärt Lefteris Parianos, Geschäftsführer und Inhaber des Griechenland-Spezialisten Parianos Reisen. «Weiter gab es auch Feuer in Rhodos, welche die Leute beunruhigen, weil sie in Zivilisationsnähe sind. Die gute Nachricht ist aber, dass alle unsere Kunden in sicheren Händen sind. Der griechische Staat hat alle Massnahmen ergriffen, um die Waldbrände unter Kontrolle zu bringen», führt Parianos weiter aus. Derzeit könne man zwar auf die beiden Inseln reisen, und auch die Flughäfen sind normal geöffnet, jedoch sei vor allem Rhodos von starker Rauchentwicklung und Hitze betroffen, weshalb der Spezialist eine Reise derzeit nicht empfiehlt. Er rät stattdessen, noch eine Woche oder zehn Tage zu warten und die Reise zu verschieben: «Wir hatten bereits Kundinnen und Kunden, die ihre Reise aufgrund der Situation umgebucht haben», sagt der Geschäftsführer weiter.

Er mahnt, dass die Temperaturen in Griechenland extrem hoch sind. Es droht deshalb sogar ein Elektrizitäts-Engpass, weil die Klimaanlagen auf Hochbetrieb laufen. Davor mahnt auch der Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der am Montag an einer Krisensitzung teilnahm: «Wir tun alles Menschenmögliche, um die Stromversorgung sicherzustellen». Er appellierte an die Bevölkerung, sparsam mit Elektrizität umzugehen, insbesondere in den Spitzenzeiten.

Auf den beiden Inseln Kefalonia und Lefka sei es derzeit Ruhig. Beide Inseln seien von den Bränden nicht betroffen, sagt Rhomberg Reisen auf Anfrage von Travelnews.

Italien

Bei Smeraldo Tours sind keine Kunden betroffen bzw. in der Nähe eines Brandes, wie Oriana di Maio festhält. Brandherde waren vor allem auf Sardinien und Sizilien auszumachen; Travelnews hat aber Kenntnis von mehreren Personen vor Ort, welche keinerlei Probleme auf ihrer Reise feststellen. Di Maio führt aus: «Wir informieren uns regelmässig bei unserer Reiseleitung vor Ort und halten die Situation im Auge. Unsere Kunden würden von uns informiert werden, sollten sie sich in ein Risikogebiet begeben.»

Was sagen die Grossveranstalter?

Natürlich werden auch die Generalisten aktuell mit vielen Fragen zur Situation mit den Waldbränden konfrontiert - nicht selten auch bereits mit Fragen hinsichtlich allfälliger Kosten bei Umbuchungen oder gar Annullationen oder auch hinsichtlich Versicherungsleistungen. Doch die Situation scheint allgemein recht gut unter Kontrolle zu sein.

Dazu Bianca Gähweiler, Mediensprecherin von Hotelplan Suisse: «Wir sind im stetigen Kontakt mit unseren Partnern vor Ort. Aktuell besteht für unsere Kundinnen und Kunden, welche vor Ort in den Ferien sind oder in den nächsten Tagen reisen möchten, keine Gefahr. Es gab ganz vereinzelt Kundinnen und Kunden in der Türkei, die aufgrund der Rauchentwicklung den Wunsch geäussert haben, das Hotel zu wechseln. Dies konnten wir für sie organisieren.» Eine negative Folge bei den Buchungen stellt Gähweiler nicht fest, zumal nun auch nicht Buchungszeit sei; es könne allenfalls sein, dass sich Kurzfrist-Bucher nun aber für andere Ziele entscheiden. Wer trotzdem geht, der sollte gut Ferien verbringen können - und falls doch was ist, rät Gähweiler, «die Anweisungen der Reiseleitung vor Ort, des Hotelpersonals und der Behörden zu befolgen.»

Milica Vujcic, Mediensprecherin von TUI Suisse, erklärt ihrerseits: «Stand heute kontaktieren wir unsere Kunden nicht im Voraus über die Brände. Alle TUI-Gäste sind aktuell in ihren Hotels sicher. Falls sich die Situation weiter zuspitzt würden wir unsere Kunden natürlich informieren und Alternativen anbieten. Unsere Zielgebietsagentur TUI Musement beobachtet die lokale Situation dauerhaft sehr intensiv und informiert uns umgehend über relevante Veränderungen.» Da die TUI-Hotels nicht direkt betroffen sind und lediglich Rauch- und Ascheentwicklung in der Luft durch die Löscheinheiten und Wassereinsatz sichtbar sind, verhalten sich die Gäste laut Vujcic relativ ruhig und gelassen. Nur vereinzelte Kunden wollen ihre Reise umbuchen. Wesentlicher Einfluss der Brandsituation auf die Nachfolge sei bislang nicht spürbar, dafür sei es auch noch zu früh. Als Tipp an Gäste vor Ort sagt Vujcic: «Je nach Ort/Region ist es sinnvoll, die Strassen in Richtung der Brände zu meiden, um Platz für die Feuerwehr zu schaffen. Wir empfehlen unseren Kunden aber vor allem, sich an die Anweisungen vor Ort zu halten.»

Markus Flick schliesslich, Mediensprecher von DER Touristik Suisse, hält fest: «Unsere Partner vor Ort beziehungsweise unsere Buchungsstellen stehen mit den Kundinnen und Kunden im Kontakt. Alle bei uns gebuchten Reisen sind durchführbar, da besonders betroffene Unterkünfte entweder nicht in unserem Portfolio sind oder sich dort aktuell keine Gäste von uns aufhalten. Dennoch ermöglichen wir auf Anfrage gerne, Unterkünfte zu wechseln. Selbstverständlich beobachten wir die Entwicklung weiterhin intensiv und werden umgehend bestimmte Reisen vorübergehend aussetzen, wenn die Lage ein erholsames Ferienerlebnis vor Ort nicht mehr zulässt.» Neubuchungen für die Sommerferien seien Anfang August nicht mehr die Regel, weshalb sich im aktuellen Buchungsverhalten die Brände in Südosteuropa nicht stark niederschlagen. «Bei Last-Minute-Buchungen stehen aber sicher – auch infolge der hohen Temperaturen im östlichen Mittelmeerraum – andere Ziele im Fokus», so Flick. Und auch er rät, sich vollumfänglich den Empfehlungen der örtlichen Behörden anzuschliessen, «allen voran natürlich jener, betroffene Gebiete weiträumig zu meiden».