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Die Rainbow-Bridge bei den Niagarafällen, welche einen Grenzpunkt zwischen den USA und Kanada darstellt, symbolisiert die Einseitigkeit der US-Einreisebestimmungen. Bild: Yuhan Du

USA: Nichts ist mit der Reziprozität

Das beliebteste Fernreiseziel der Schweizer bleibt bis auf Weiteres geschlossen, Das sorgt bei den Reiseveranstaltern zwar nicht für viel Mehrarbeit - trotzdem hat man wenig Verständnis.

Erst vor einer Woche kündigte Kanada an, die Grenzen zu den USA ab dem 9. August für vollständig geimpfte Personen zu öffnen. Bereits im Juni hatte die EU angekündigt, US-Staatsbürgern - ob geimpft oder nicht - die Einreise nach Europa wieder zu erlauben. Schon damals kam von EU-Seite die Hoffnung zum Ausdruck, dass die USA dadurch bald auch Europäern die Einreise erlauben würden. Spätestens als Tauwetter an der US/Kanada-Grenze einsetzte, wurde aus der Hoffnung schon fast eine Sicherheit.

Doch die aggressive Delta-Variante durchkreuzt auch hier wieder alle Pläne. Wie das Weisse Haus an einer Pressekonferenz am Montag (26. Juli) unmissverständlich erklärte, wird an den Reisebeschränkungen vorerst festgehalten. Sprich: Das Einreiseverbot für Personen aus dem europäischen Schengen-Raum, aus Grossbritannien/Irland und anderen Ländern (Brasilien, China, Indien, Iran, Südafrika) bleibt. Die vielbeschworene «Reziprozität», also eine gegenseitige Grenzöffnung, welche vom vorherigen US-Präsidenten Donald Trump lautstark eingefordert wurde, findet also in diesem Fall nicht statt. Auch mit Kanada nicht: Die USA haben auch die «Beschränkungen für nicht notwendige Reisen» bis zum 21. August verlängert, womit trotz der Grenzöffnung auch Reisen nach Kanada untersagt bleiben.  

Die Delta-Variante macht inzwischen in den USA landesweit etwa 83 Prozent der Fälle aus und hat zu einem sprunghaften Anstieg der Covid-19-Fälle geführt. In den letzten zwei Wochen haben die Fälle landesweit um 171% zugenommen, und die Todesrate sei im Vergleich zur Vorwoche um 19% gestiegen. Die Entscheidung kommt nur eine Woche, nachdem das CDCP (Centers for Disease Control and Prevention) den US-Bürgern von Reisen ins Vereinigte Königreich abriet.

Auf die Frage, für wie lange die Beschränkungen aufrechterhalten würden, liess sich das Weisse Haus nicht in die Karten schauen: Es gebe aktuell keinen Zeitplan, war die läppische Antwort.

Kaum noch Nachfrage bei den USA-Spezialisten

Diese neuerliche Verlängerung des Einreisestopps stösst bei den Schweizer USA-Reiseanbietern natürlich auf wenig Freude. Dies primär, weil abermals ein negatives Signal ausgesandt wird, welches die Kundennachfrage immer weiter abschwächt. Grossen Arbeitsaufwand verursacht dies indes nicht: «Auch auf unsere Empfehlung hin sind in den vergangenen Wochen und Monaten kaum Neubuchungen für die Vereinigten Staaten mit kurz- und mittelfristiger Abreise eingegangen», so Markus Flick (Sprecher DER Touristik Suisse), «hinzu kommt, dass der Herbst ohnehin nicht Hauptreisezeit für USA-Ferien ist. Folglich besteht nun lediglich für eine überschaubar zweistellige Anzahl Dossiers Handlungsbedarf. Nichtsdestotrotz sehnen wir uns den Zeitpunkt herbei, unser Produktportfolio für die USA wieder einem breiten Kundenkreis zugänglich machen zu dürfen. Dies geschieht umgehend, sobald verlässliche Aussagen zum touristischen Restart in der Destination vorliegen.» Ähnlich klingt es bei Hotelplan Suisse/Travelhouse, wo Sprecherin Bianca Gähweiler Folgendes festhält: «Wir kontaktieren unsere USA-Kunden rollend, in der Regel 45 Tage vor Abreise, und schauen dann mit diesen, ob sie - manchmal zum wiederholten Male - umbuchen oder aber annullieren wollen. Interessant ist, dass kaum jemand von sich aus annullieren will. Viel Aufwand verursacht diese Ankündigung folglich nicht, aber sie dämpft die Euphorie. Für 2021 verzeichnen wir für die USA kaum Neubuchungen, für 2022 gibt es einige, aber wir sind weit entfernt von früheren Levels.»

Laut Milica Vujcic (Sprecherin TUI Suisse) hat TUI bereits anfangs Juli sämtliche Reisen bis und mit 31. August abgesagt und damit allfällig vorhandene Buchungen in den Herbst verschoben oder annulliert, weshalb auch hier kein Zusatzaufwand entsteht. Dazu Vujcic: «Aktuell liegen einige Herbstbuchungen vor und wir werden da 1-2 Monate im Voraus mit den Kunden schauen, wie sich die Lage präsentiert. So läuft es auch bei Buchungen etwa mit Ozeanien, es werden quasi Entscheide im Monatsrhythmus gefällt. Wir stellen aber fest, dass die Nachfrage sehr auf Europa fixiert ist und für Nordamerika aktuell sehr tief bleibt.» André Lüthi, CEO der Globetrotter Group, fasst den Kundendruck in Zahlen: «Seit März 2020, als die USA die Grenzen dicht machten, hätten wir 20'000 Kunden in die USA schicken können. Wer für den Sommer 2020 gebucht hatte, wurde in der Regel auf Herbst 2020 umgebucht, dann auf Sommer 2020 und aktuell sind wir daran, nochmals weiter nach hinten umzubuchen. Das ist für die Kundschaft doch kein Zustand!» Lüthi wünschte sich, dass die USA zumindest für Geimpfte die Grenzen öffnen sollten, oder sonst wie mit verbindlichen Regeln grünes Licht geschafft wird. In diesem Zusammenhang sieht Lüthi auch ein riesiges Problem bei Geschäftsreisenden, welche auch nur mit Sondergenehmigung in die USA einreisen können: «Dass die wichtigen gegenseitigen Aussenhandelsbeziehungen wegen solch restriktiver Einreisebestimmungen belastet werden, geht gar nicht.»

Man darf weiterhin hoffen, dass die USA noch in diesem Jahr öffnen werden. Die Chancen auf eine baldige Öffnung sind aber gering: Der US-Tourismus ist momentan sehr stark auf das Domestic-Geschäft fokussiert, derweil die US-Regierung zusehen muss, dass die Rückstände beim Impfplan aufgeholt werden und gleichzeitig die Infektionszahlen nicht wieder massiv ansteigen - was aber jüngst wegen Delta eben der Fall war. So oder so: Das USA-Sommergeschäft ist für die Schweizer Veranstalter gelaufen, ins Herbstgeschäft setzt man minime Hoffnungen. Selbst eine Öffnung würde dieses nicht sofort beflügeln: Man würden vielleicht für ein paar Tage nach New York reisen, aber die dreiwöchige Motorhome-Rundreise durch den US-Westen kann man nicht eine Woche vor Abflug buchen. Somit wird auch das Jahr 2021 als «annus horribilis» fürs USA-Outgoing-Geschäft in die Bücher eingehen.

(JCR)