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Keine Gäste, kein Geld: Die kleinsten Player in der globalen touristischen Wertschöpfungskette sind von der Corona-Krise ganz besonders hart getroffen. Bild: Yaopey Yong

Tourismus-Kollaps: Wieder haben ärmere Staaten das Nachsehen

4 Billionen Dollar wird der globale Tourismus laut der UNCTAD allein in den Jahren 2020 und 2021 verlieren. Betroffen sind alle - aber am härtesten trifft es wie üblich die kleinsten Player im globalen Tourismus.

Ein vor wenigen Tagen von der UNCTAD (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung) veröffentlichter Bericht zur Situation im globalen Tourismus lässt aufhorchen. Dem Bericht zufolge dürften nämlich die Verluste für die globale Wirtschaft allein für die Jahre 2020 und 2021 in der Grössenordnung von über 4 Billionen US-Dollar liegen. Also 4000 Milliarden. Eine Zahl mit zwölf Nullen.

Diese Zahl ist primär auf die Auswirkungen von Corona auf die Tourismusindustrie und die dadurch auch verursachten Nachwirkungen in anderen Sektoren zurückzuführen. Oder mit anderen Worten: Der Bericht unterstreicht, wie wesentlich der Tourismus für die globale Marktwirtschaft ist.

Allein 2020 wurden folglich 2,4 Billionen Dollar verloren, als direkte Folge der komplett abgewürgten Reisetätigkeit. Für das aktuelle Jahr wird mit einem Verlust in etwa gleicher Grössenordnung (1,7 bis 2,4 Billionen Dollar) gerechnet. Die Erholung im Tourismussektor sei weitgehend von den Impfbemühungen abhängig - und hierbei sind viele Staaten noch nicht sehr weit. Sowohl die UNCTAD als auch die Welttourismusorganisation (UNWTO) unterstreichen, dass Impfungen einerseits die Arbeitenden im Tourismus schützen, andererseits aber auch eine Grundlage bilden, um wieder mehr Sicherheit im Personenverkehr zu bieten, was den touristischen Restart enorm unterstützt.

Das Problem ist aber, dass es bei den Impfungen ein enormes Gefälle gibt zwischen den Ländern. In manchen kleinen Ländern liegt die Durchimpfungsrate bereits bei 80 Prozent, sogar in manchen grossen Ländern schon bei 60 Prozent, aber in vielen Ländern eben auch erst bei 1 Prozent. Laut dem UNCTAD-Bericht hat dieser «asymmetrische Impf-Rollout» besonders Entwicklungsländer betroffen. In diesen sollen sich etwa 60 Prozent der globalen Wirtschafts-Verluste sammeln. Und gerade in Entwicklungsländern ist die Abhängigkeit zahlloser Personen vom Tourismusgeschäft noch viel ausgeprägter als bei uns - eine Misere, welche erst langsam richtig sichtbar wird, über welche aber auch hiesige Spezialisten immer wieder berichtet haben.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass sich der Tourismussektor in Ländern mit hohen Impfraten - die Schweiz wird explizit genannt - relativ bald wieder erholen dürfte. Eine Rückkehr zu Nachfrage-Niveaus wie noch 2019 wird allerdings frühestens 2023 erwartet, auf globaler Ebene. Dies, weil immer noch komplizierte und oft ändernde Einreisebestimmungen für Unsicherheit sorgen, und damit auch das Vertrauen der Reisenden ins Produkt Reisen im Vergleich zu früher recht tief sei. 2023 wird für viele Personen, deren Existenz an Angeboten für ausländische Besucher hängt, wohl zu spät sein.

Die UNCTAD hat drei Szenarien über die zu erwartenden Verluste simuliert. Eine pessimistische, ein schlechte und eine vergleichsweise optimistische. Zu den grossen Verlierern, in jedem Szenario, zählen etwa die Türkei oder Südafrika, aber auch die Schweiz ist weit oben zu finden:

Laut dem Bericht verursacht das reduzierte Touristenaufkommen weltweit einen Anstieg von 5,5 Prozent bei den ungelernten Arbeitskräften; je nach Wichtigkeit des Tourismussektors für ein Land kann dieser Wert bis auf 15 Prozent ansteigen. Ebenfalls interessant: Rund 30 Prozent aller Ausgaben vor Ort entfallen auf von lokalen Arbeitern angebotene Dienstleistungen. Dienstleistungen, für welche die Eintrittsschwelle (in Bezug auf die Ausbildung) oft tief ist. Deshalb ist der Tourismus gerade in ärmeren Ländern ein extrem wichtiger Wirtschaftszweig für grosse Bevölkerungsschichten.

Die UNCTAD bemerkt in diesem Zusammenhang, dass ihr Worst-Case-Szenario aus dem Vorjahr sogar noch optimistisch war, weil 2021 anhaltend schlecht für den Tourismus war. Betrug der globale touristische Rückgang 2020 rund 74 Prozent (in Bezug auf internationale Touristenankünfte), so lag dieser im ersten Quartal 2021 bei 88 Prozent. Gerade Entwicklungsländer haben einen Rückgang von 60-80 Prozent verzeichnet - und dort im Gegensatz etwa zu Europa mit noch wenigen Anzeichen für eine Verbesserung der Lage. Kurz: Die Situation für Mitarbeitende im Tourismus in solchen Ländern wird nicht besser.

Die am schlimmsten betroffenen Gebiete sind demnach Nordost- und Südost-Asien, Ozeanien, Nordafrika und Südasien. Am wenigsten betroffen sind Nordamerika, Westeuropa und die Karibik.

(JCR)