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Norwegen lockert – aber noch nicht für Touristen
Jean-Claude RaemyDas nennt man dann wohl Domino-Effekt: Island schien der grosse Nutzniesser des nordischen Sommertourismus-Geschäfts zu sein, nur leicht konkurrenziert von Schweden und Dänemark, welches erst jüngst Lockerungen verkündete. Finnland und Norwegen schienen infolge scharfer Corona-Restriktionen aussen vor zu bleiben. Doch plötzlich ging es schnell: Am vergangenen Donnerstag kündigte Finnland Öffnungsschritte an (Travelnews berichtete), und am Freitagabend zog dann auch noch Norwegen mit der Ankündigung von Lockerungen nach - doch leider ist in letzterem Fall noch bei Weitem nicht grünes Licht für die Rückkehr von Touristen gegeben. Denn im Fall von Norwegen sehen die Lockerungen wie folgt aus - Achtung, kompliziert:
Ab sofort wird die Einreise auch für Ausländer mit Wohnsitz im EWR-Raum oder im Vereinigten Königreich ermöglicht, welche eine erweiterte Beziehung zu einer in Norwegen wohnhaften Person haben: Nahe Familienangehörige wie Ehegatten/Lebenspartner oder minderjährige Kinder hatten bereits zuvor eine Einreisemöglichkeit, nun dürfen auch erwachsene Kinder und Stiefkinder sowie Eltern und Stiefeltern von erwachsenen Kindern/Stiefkindern, Grosseltern, Enkel und Urenkel sowie Freunde über 18 Jahre (Beziehung seit mindestens 9 Monaten, wobei man sich physisch kennt und nicht nur aus Dating-Foren o.ä.) sowie minderjährige Kinder von Freunden einreisen. Der Besuch von Freund/Freundin muss per kostenlosem Antrag bei der norwegischen Einwanderungsbehörde (UDI) angemeldet werden.
Wichtig: Auch für Personen mit Einreisebewilligung galt bisher eine zehntägige Isolationspflicht im Quarantänehotel. Doch seit Samstag (19. Juni) ist die zuvor zwingende Isolationspflicht im Quarantänehotel für Einreisende aus dem EU- und Schengenraum (also auch aus der Schweiz) mit Einreiseerlaubnis aufgehoben. Die Voraussetzung dafür ist, dass im eigenen Herkunftsland weniger als 500 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohnern innert den letzten beiden Wochen registriert wurden. Reisende, die sich in den letzten zehn Tagen vor der Einreise ausserhalb des EWR-/Schengenraums aufgehalten haben, müssen ins Quarantänehotel, können dieses aber bei einem negativen PCT-Test bereits nach drei Tagen wieder verlassen. Letzteres gilt auch für Einreisende aus Grossbritannien, wo aktuell eine Virusmutation wütet. Und: Minderjährige müssen nicht in Quarantänehotels. WICHTIG: Ausnahmen von der Pflicht für Quarantänehotels bedeuten keine Ausnahmen von der Einreisequarantäne. Das heisst, dass man weiterhin für 10 Tage an einem Ort sein soll, mit Abstand.
Man sieht: Diese Erleichterung kommt nur Personen zugute, welche jemanden in Norwegen besuchen. Für Touristen ist die Einreise noch nicht möglich. ABER: Vollständig Geimpfte oder Genesene können seit dem 24. Juni nach Norwegen einreisen, sofern sie ein gültiges Covid-Zertifikat der EU vorlegen können. Die Lesbarkeit des QR-Codes ist Voraussetzung, um das Land betreten zu können. Für die Einreise muss ein bemannter Grenzübergang mit Teststation gewählt werden. Grenzübergänge ohne Teststation sind geschlossen. Das Schweizer Covid-Zertifikat wird dann akzeptiert, wenn die EU dieses auch offiziell anerkennt.
Ungeimpfte können ihre Hoffnung vielleicht an einem anderen Lockerungsschritt festmachen. Denn seit heute Montag (21. Juni) harmonisiert Norwegen sein Ampelsystem mit jenem der EU. Will heissen: Länder mit weniger als 25 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohnern innert den vergangenen 14 Tagen sind dann «grün». Wer aus einem solchen Land kommt, darf quarantänefrei einreisen, muss sich jedoch bei der Einreise registrieren und testen lassen. Die Farbeneinteilungs-Karte wird auf der Website der norwegischen Gesundheitsbehörde FHI publiziert und jeden Freitag aktualisiert. Aktuell sind die meisten europäischen Länder darauf noch rot, inklusive der Schweiz, doch die Situation kann sich schnell ändern.
Die Schwellenwerte für Quarantänebefreiung ändern zudem ab dem Montag, 5. Juli, nochmals. Dann gilt als «grünes Land» ein solches, welches in den letzten 14 Tagen eine Inzidenz von unter 50/100'000 Einwohnern hatte und eine Positivitätsrate von unter vier Prozent, oder eine Infektion von unter 75/100'000 und eine Positivitätsrate von unter einem Prozent. Damit dürften spätestens ab dem 5. Juli deutlich mehr europäische Länder «grün» sein und somit eine quarantänefreie Einreise möglich sein.
Man darf hoffen, dass diese Regelung dann nicht mehr nur für Geimpfte/Genesene sowie VFR-Reisende (Visiting Friends & Relatives) und heimreisende Norweger/Wohnsitzberechtigte gilt, sondern auch für Touristen. Dass obige Regeln für diese nicht gelten, steht u.a. auch auf der heute aufdatierten Website der norwegischen Gesundheitsbehörde.
Fazit
Norwegen verbessert die Reisemöglichkeiten für die eigene Bevölkerung, bleibt jedoch sehr strikt gegenüber ausländischen Einreisenden, ausser diese haben eine persönliche Beziehung zu Norwegen oder sind geimpft/genesen. Wobei auch festgehalten wird, dass Kinder von Geimpften/Genesenen nicht mitreisen dürfen, ausser sie sind selber geimpft/genesen. Damit bleibt Norwegen für das Sommerferiengeschäft 2021 zumindest bei Familien «abgemeldet» - und ein kurzes Telefonat mit Nordland-Spezialisten führt auch schnell zutage, dass Norwegen aktuell kein Thema ist. Zwar gibt es immer wieder Anfragen über den Stand der Dinge, jedoch natürlich so gut wie keine Buchungen. Die neuste Ankündigung der norwegischen Regierung blieb unter dem Strich eine Enttäuschung.
Wer der Profiteur im Norden sein wird, ist möglicherweise auch weniger klar als zunächst angenommen. Die Nachfrage scheint generell auf recht tiefem Niveau zu sein. «Norwegen ist wenigstens strikt», holt Martin Wäger (AG Traveltrend) aus, «während die plötzliche Kehrtwende von Finnland insofern frustrierend war, als wir angesichts der für lange Zeit angekündigten Einreiseverbote letztlich Reisen stornierten, welche wir, nach der Öffnungs-Ankündigung von letzter Woche, eigentlich hätten stehen lassen können.» Die grösste Nachfrage gebe es natürlich bei Island, allerdings will Wäger von einem Mega-Boom nichts hören: «Wir können Kunden problemlos platzieren, das war in anderen Jahren nicht immer so, und der Flugplan von Icelandair ist immer noch sehr dünn, was nicht für eine Riesen-Nachfrage spricht.»
Der grosse nordische Domino-Effekt scheint also etwas zu spät zu kommen, um die Norden-Saison noch wirklich retten zu können.