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Die Spezialisten verstehen nicht, weshalb Ägypten auf die Risikoländerliste gesetzt wurde. Vielleicht weiss es ja die Sphinx von Gizeh... Bild: Kevin & Laurianne Langlais

«Bei uns wie auch in Ägypten ist die Ernüchterung gross»

Der Entscheid des Bundesamts für Gesundheit, Ägypten auf die Risikoländerliste zu setzen, sorgt bei den Spezialisten für Kopfschütteln. Es gebe keinen Anlass, das Land auf die Liste zu nehmen.

Die Nachfrage nach Ägypten war in den vergangenen Wochen gut. Wer mit einigen Reisebranchenvertretern auf Social Media vernetzt ist stellte zudem fest, dass auch innerhalb der Branche jüngst sehr viele nach Ägypten reisten. Das Land ist nah, es ist schon warm, die Einreiseprozeduren sind vergleichsweise simpel, das Flugangebot vorhanden, die Preise vernünftig. Was sollte da schon schief gehen?

Nun denn, gestern wurde bekannt, dass Ägypten ab dem 3. Mai auf der Risikoländerliste des Bundesamts für Gesundheit steht und damit die Rückreise aus Ägypten in die Schweiz eine Quarantänepflicht nach sich zieht. Liegt die Inklusion auf der Liste an hohen Fallzahlen? Aktuell liegt Ägypten mit 11 Fällen pro 100'000 Tests weit unterhalb des vom Bund festgelegten Grenzwertes. Auch bei OWID - der Datenbank, auf welcher das BAG laut eigenem Bekunden seine Entscheide abstützt - figuriert Ägypten nicht unter den tiefroten Ländern und hat deutlich bessere Zahlen als die Schweiz selber. Aktuell wird auch dort wieder ein Wachstum der Infektionen verzeichnet, aber nach dem Inzidenzkriterium müsste das Land nicht auf der Liste sein. Was war also der Grund? Der Verdacht liegt nahe, dass man den Zahlen - wie im Fall von Tansania - beim BAG nicht traut. Auch bei OWID steht, dass die effektiven Zahlen aufgrund limitierter Testing-Möglichkeiten womöglich deutlich höher sein könnten als die deklarierten Zahlen.

Waren die Veranstalter vom Entscheid überrascht? Das scheint der Fall zu sein. Travelnews hat bei Reto Amin (Amin Travel) und Michael Grütter (Express Travel International) nachgefragt, beides Kenner und langjährige Spezialisten für Ägypten.

Die Planbarkeit fehlt

Reto Amin

«Der Entscheid war für uns auch sehr überraschend, zumal die Fallzahlen in Ägypten deutlich tiefer sind als die Zahlen der Schweiz», holt Reto Amin aus. Doch habe seit anfangs dieser Woche die Gerüchteküche gebrodelt, da auch in Deutschland Druck auf die Bundesregierung bezüglich Ägyptenreisen aufgebaut wurde (das Auswärtige Amt stuft übrigens Ägypten aktuell auch als «Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko», also als Hochinzidenzgebiet, ein). Und nun habe eben die Schweiz gleichgezogen, d.h. die Gerüchte, wonach es Ägypten treffen könnte, haben sich bewahrheitet.

Nun kontaktiere Amin Travel jeden Kunden einzeln und suche eine Lösung. «Einige reisen nun früher zurück und viele buchen auf ein späteres Datum um», sagt Amin und fügt an, «besonders überrascht mich aber, dass rund ein Drittel der Gäste die Ferien trotzdem antreten.» Offenbar will man sich nicht mehr die Ferien vermiesen lassen und da ohnehin bis 26. Mai noch Home-Office-Pflicht gilt lässt sich in diversen Fällen wohl auch die Quarantänepflicht sinnvoll umsetzen.

Amin findet den Entscheid dennoch falsch: «Es wird hinsichtlich der Hygienemassnahmen sehr viel gemacht in Ägypten und man kann diese sehr gut mit jenen in der Schweiz vergleichen. Darüber hinaus muss man bedenken, dass die Temperaturen auch am Abend warm sind und sich das Leben im Freien abspielt - man sitzt zum Frühstück, Mittag- und Abendessen draussen.» Wenn also die Hygienemassnahmen gleich sind wie jene in der Schweiz, wo inzwischen alle Terrassen wieder offen sind, und die Inzidenzzahlen tiefer liegen: Wieso das Reiseland als gefährlicher als die Schweiz einstufen?

Laut Amin hat sein Reiseunternehmen bisher lediglich zwei Fälle, wo Kunden positiv getestet wurden. Beide mussten in Ägypten im Hotel in Quarantäne bleiben, bis ein negativer Test erfolgt war und die Rückreise angetreten werden konnte. Angesichts der doch überschaubaren Fälle ist nicht nur Amin enttäuscht - auch seine Partner vor Ort sind überrascht, zumal die Buchungen aus der Schweiz die letzten Wochen sehr angezogen haben. «Wie bei uns ist auch in Ägypten die Ernüchterung gross, nicht zuletzt, weil schlicht die Planbarkeit fehlt», schliesst Amin.

Dramatische Auswirkungen

Michael Grütter

Für Michael Grütter kam der Entscheid offenbar weniger überraschend; eine Aussage zum Vorgehen des BAG wolle er aber «aus Anstandsgründen» nicht machen. Verständnis hat er jedenfalls keines: Ihm sind aus den vergangenen Monaten, konkret seit dem 8. Februar 2021, lediglich Einzelfälle («nicht mal ganz an einer Hand abzählbar») bekannt, bei denen Kunden für die Rückreise einen positiven PCR-Test hatten und daher nicht wie geplant nach Hause fliegen konnten. Diese Einzelfälle mussten für ein paar Tage vor Ort in Quarantäne, bis sie negativ getestet waren und nach Hause fliegen konnten. «Diese Kosten haben wir übernommen», präzisiert Grütter.

Da alle anderen Gäste mit einem negativen PCR-Test nach Hause fliegen, sind ihm keine weiteren, klar auf Ägypten-Ferien zurückzuführende Infektionen bekannt. Laut Grütter setzt Ägypten die Hygienemassnahmen optimal um, «deshalb sind ja auch kaum Ansteckungen von Feriengästen bekannt».

Folglich konzentriert sich Grütter auf das, was nun eben gemacht werden muss: «Wir gehen Schrittweise vor und suchen mit unseren Kunden Lösungen, vorläufig bis und mit Abreisen am 15. Mai 2021. Da ja keine Inzidenzzahlen Ägypten auf die Risikoliste kolportieren, sondern andere Interpretationen Anwendung finden, warten wir die nächste Entscheidungsrunde ab.» Es schwingt also die Hoffnung mit, dass Ägypten bereits in zwei Wochen wieder von der Liste wegfallen könnte. Im Moment sei er aber mit seinem Team «im Dauerbetrieb», um mit Kunden, Airlines und Partnern vor Ort die «dramatischen Auswirkungen» zu koordinieren.

(JCR)