Destinationen

Saudi-Arabien verbindet Tradition und Moderne - wie hier der Konzertsaal Maraya mit seinen kinetischen Wänden, welcher mitten in der spektakulären Oase Al-Ula steht. Bild: Saudi Tourism Authority

«Saudi-Arabien wird schon bald zu den beliebtesten Reisezielen der Welt gehören»

Die Tourismusverantwortlichen von Saudi-Arabien haben Grosses vor. Im Rahmen eines Webinars wurde über die Vorzüge und Herausforderungen im touristischen Sektor des bislang noch wenig bereisten Landes diskutiert. Travelnews war mit dabei.

Bereits im August 2017 berichtete Travelnews über Pläne Saudi-Arabiens, sich als künftiges Tourismusziel zu etablieren. Das bis dahin verschlossene Land startete Mega-Tourismusprojekte wie das «Red Sea Project» oder begann Planstädte wie Neom aus dem Boden zu stampfen. Seit dem 28. September 2019 werden auch umstandslos Touristenvisa vergeben, wodurch das Land bis zu Beginn der Coronakrise frei zu bereisen war. Trotz dem unverschuldeten Corona-Rückschritt macht man in Saudi-Arabien weiterhin Dampf mit der touristischen Entwicklung - vor Kurzem startete im DACH-Raum eine Werbekampagne und es wurde nun gestern auch erstmals ein Tourismus-Webinar mit Vertretern aus Saudi-Arabien, lokalen Reiseprofis sowie Trade-Partnern und Journalisten aus dem DACH-Raum durchgeführt. Travelnews war bei diesem «historischen Moment» mit dabei.

Eingespielt wurde zum Auftakt nebst einem Promotionsvideo (siehe weiter unten) eine Ansprache von Fahd Hamidaddin, dem CEO der Saudi Tourism Authority (SAT), welcher die ehrgeizige Aufgabe hat, den Tourismus in Saudi-Arabien anzukurbeln und der schon bei der Lancierung des E-Visums eine zentrale Rolle spielte. Er verwies nicht nur auf die Vielfalt, Schönheit und Gastfreundschaft des Landes, sondern erklärte, dass man sich mithilfe von Daten und Künstlicher Intelligenz ein genaues Bild von touristischen Trends machen werde («see the trends as they happen») und dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt sei für die Lancierung von Saudi - an dieser Stelle sei bemerkt, dass die Einheimischen nicht von «Saudi-Arabia» sprechen, sondern nur von «Saudi», welches «das Zuhause Arabiens» sei. Seiner Meinung nach ist der Zeitpunkt deshalb ideal, weil eine brandneue, sichere und moderne Destination wie geschaffen ist für die post-Corona-Zeit («change is the only constant, uncertainty is the only certainty»), sprich, er erwartet, dass Reisende bereit sein werden, Neues zu entdecken und unbekannte Pfade zu gehen. Genau das biete Saudi. Und deshalb gebe es dort auch zahlreiche neue «Business Opportunities», auch und gerade für Tourismusunternehmen.

Auf seine Worte folgte ein Zwiegespräch (auf Englisch) zwischen Journalist Kai Böcking und Khalid al-Dhakil, dem International Communications Manager der STA. Dieser hielt fest, dass seit der Öffnung des Landes im September 2019 bis zur Corona-bedingten Grenzschliessung bereits über 400'000 Visa ausgestellt wurden; auch er geht davon aus, dass die Nachfrage nach der Wiedereröffnung der Grenzen sprunghaft ansteigen wird. Auf die Frage, welche fünf Top-Tipps er für potenzielle Touristen in Saudi-Arabien habe, gab al-Dhakil Folgendes zu Protokoll:

  1. Die fünf Unesco-geschützten Stätten des Landes, also das historische Jeddah, die Felsenkunst in der Hail-Region, der Distrikt at-Turaif in ad-Diriah, die archäologischen Stätten der Nabatäerkultur in Madain Salih (bei der Oase Al-Ula) sowie die Oase Al-Ahsa. Anmerkung: Weitere 11 (!) Stätten befinden sich auf einer «tentative list», d.h. um deren Anerkennung als Unesco-Welterbe wird bereits ersucht.
  2. Seine Heimatstadt Riad sei ebenfalls einen Besuch wert, wegen der Architektur und dem kulturellen Angebot, aber auch weil man etwa ganz in der Nähe Sandboarding (wie Snowboarden auf Sand) betreiben könne
  3. Jeddah, als dynamische Küstenstadt mit nahe gelegenen Stränden und als Gateway zu wunderbaren Tauchspots am Roten Meer
  4. Der Djebel Sauda - ein Berg, der über 3000 Meter hoch sei und wo die Temperatur an der Spitze «nur noch 12 Grad beträgt», wie al-Dhakil beinahe schon fröstelnd festhält
  5. Kalligraphie-Kurse in arabischer Schrift, die überall angeboten werden und Einblick in diese Tradition und in die arabische Kultur allgemein geben

Der Fussballfan (er unterstützt den Verein al-Nasr aus Riad) verweist auch auf das reiche Event- und Sportangebot in Saudi-Arabien - zum Beispiel findet 2021 das erste Formel-1-Rennen im Land statt - und erklärt, dass man daran sei, weitere Projekte zu entwickeln und noch weitere Hotels und Destinationen mit an Bord zu holen. «Wir sind zweifellos eine der kommenden Top-Tourismusregionen und werden schon bald zu den beliebtesten Reisezielen der Welt gehören», schliesst al-Dhakil selbstbewusst.

[Text geht unter dem Video weiter]

«Frauen müssen keine Abaya tragen»

Im Rahmen einer kurzen interaktiven Kennenlern-Session erhalten die Webinar-Teilnehmer auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Travelnews erfährt so von Steve Bowen (Head of PR & Communication, STA), dass beispielsweise Alkohol im Land weiterhin verboten ist («das müsste doch aber kein Kriterium für eine Leisure-Reise sein, oder?», fragt Bowen berechtigterweise zurück) und dass Touristinnen keine Abaya tragen müssen - also das Überkleid, das Frauen bei Verlassen des Hauses tragen, nicht zu verwechseln mit der vollständig verhüllenden Burka.

Auf touristische Vorzüge angesprochen, kommt er sofort auf Al-Ula zu sprechen, diese spektakuläre Oase, mit seltsamen Felsformationen, spektakulären architektonischen Neubauten in der Wüste, und natürlich einer Nabatäer-Grabstätte, die deutlich grösser als jene in Petra (Jordanien) ist - das alles mit bislang extrem wenigen Besuchern.

Auf das Mega-Projekt «Red Sea» angesprochen, welches eine Art «Malediven im Roten Meer» (mit umweltfreundlichen und luxuriösen Resort-Inseln) werden soll und in deren Entwicklungsgesellschaft Bowen früher arbeitete, so hält dieser fest, dass die Fertigstellung erst für Anfang 2023 vorgesehen sei. Bereits jetzt gebe es aber offene, hervorragende Tauchstätten in der Region von Jeddah, mit unberührter Unterwasserwelt, weshalb Bowen Saudi-Arabien als einen künftigen Taucher-Hotspot sieht.

Natürlich verweist er für zusätzliche Infos auf die Website der STA, welche auf Englisch verfügbar ist und eine Fülle an Informationen bietet.

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Fahd Hamidaddin, CEO der Saudi Tourism Authority, richtete im Rahmen des Webinars auch ein paar einleitende Worte an die Teilnehmenden. Bild: JCR

Geht es bald mit Edelweiss nach Saudi-Arabien?

Zum Abschluss des Webinars gibt es noch eine kurzweilige Panel-Diskussion unter Leitung von FVW-Chefredaktor Klaus Hildebrandt.

Haitham Mattar (Chief Commercial Officer der STA und Schweizern bekannt als früherer Chef der Tourismusbehörden des Emirats Ras-al-Khaimah, wo die SRV-GV 2020 hätte stattfinden sollen) erinnert daran, dass Saudi das 12.-grösste Land der Welt ist, aber bislang kein touristischer Player, und deshalb die Möglichkeiten immens sind, zumal sich das Land eine klare, finanziell gut abgesicherte Tourismusstrategie gegeben hat. Bislang seien die Kernmärkte im Leisure-Bereich Grossbritannien, die DACH-Märkte, Frankreich, Italien und China. Gefragt seien bislang eher ländliche Gebiete, also Oasen, doch mit dem Abschluss der Riesen-Projekte wie eben «Red Sea Project», Neom oder dem Themenpark «Six Flags Qiddiya» (welches der grösste Themenpark der Welt sein wird, etwa mit der höchsten Achterbahn der Welt und mitsamt Golfplatz von Jack Niklaus), werde sich dies ändern. «Bislang bieten wir vor allem Reisen in den Bereichen Kultur und Religion, doch schon bald werden wir im Bereich Sonne und Strand ein unglaubliches Angebot haben», so Mattar. Schon jetzt sei man infrastrukturell für grössere Nachfrage bereit; aktuell gibt es bereits 71 Destination Management Companies (DMCs), allerdings eher kleinere, doch sei man daran, noch eine richtig grosse DMC auf die Beine zu stellen (oder ausländische DMCs zu Aktivitäten in Saudi einzuladen), welche auf extrem grosse Gruppen bzw. Besuchermengen managen kann. Mattar erinnert daran, dass trotz Grenzschliessung der einheimische Tourismus zuletzt stark expandierte und einige Hotels auf 80 Prozent Auslastung kamen, weshalb die vorhandene Tourismusindustrie überlebt habe und bereit sei, sobald wieder ausländische Touristen kommen.

Mark Willis (Head EMEA der Hotelgruppe Accor) erklärt seinerseits, dass man bereits jetzt über 30 Hotels allein in Saudi-Arabien betreibe und in den kommenden Jahren weitere 10 dazukommen, was aus Accor den aktuell grössten Hotelbetreiber im Land mache. Für ihn sei es «unglaublich zu sehen, wie schnell sich die Dinge im Land aktuell ändern» und wie die Öffnung neue Möglichkeiten schaffe. Er ist überzeugt, dass Saudi-Arabien schon bald zu den Top-5-Tourismusdestination weltweit zählen wird. Es gebe auf dem Weg dorthin zwar noch Hürden zu nehmen, «doch wenn es jemanden gibt, der Hürden übersteigen kann, dann sind das die Saudis», so Willis.

Mark Pey, der Schweizer Sales Manager Saudi-Arabia der Lufthansa Group, holt zunächst aus, dass man bislang fast ausschliesslich Corporate-Kundschaft ins Land befördert habe, weshalb dieses, der hohe Yield sei dank, schon seit 60 Jahren wichtig für die LH Group sei. Doch nun entwickle sich bereits der Bereich VFR (Visiting Friends & Relatives) zunehmend, da 8% der deutschen Bevölkerung muslimisch seien und auch bereits gut 1500 Deutsche in Saudi-Arabien leben, und auch vom Pilgermarkt - Muslime sollen ja einmal im Leben die Stätten Mekka und/oder Medina in Saudi-Arabien besuchen - könne man verstärkt profitieren. Doch nun komme bald ein gewichtiger Leisure-Markt hinzu. Da Pey davon ausgeht, dass der touristische Erfolg von Dubai oder Oman auch in Saudi-Arabien erzielt werden kann, sei man nun in der LH Group daran, entsprechende Flugprodukte auf die Beine zu stellen, zumal der Leisure-Markt sich von Corona schneller erhole als der Corporate-Markt. «Wir sind hinsichtlich der künftigen Nachfrage flexibel», so Pey, welcher hier auch explizit Ferienfluggesellschaften wie Edelweiss oder Eurowings ins Spiel bringt. Entschieden ist natürlich noch nichts - aber man sieht, wohin die Gednkengänge gehen.

Norbert Fiebig schliesslich, Präsident des Deutschen Reise-Verbands (DRV), spricht über die Reisegewohnheiten der Deutschen und wie diese exotische Ziele bevorzugen. Saudi sei eben «neu» und folglich attraktiv. Doch gebe es viel zu tun, um auf diese neue touristische Möglichkeit hinzuweisen, sowohl im Trade als auch bei Endkonsumenten. Während grössere Reiseveranstalter sich Saudi-Arabien sicher als zusätzliche Destination ansehen werden, glaubt Fiebig, dass es gerade auch für kleinere, spezialisierte Veranstalter eine Fülle an Geschäftsmöglichkeiten gibt. Er verweist aber auch darauf hin, dass die Wahrnehmung des Landes noch geändert werden muss. Der Umstand, dass immer noch Fragen im Raum sind, ob Frauen überhaupt fahren dürfen, weise auf ein Kenntnisdefizit gegenüber dem Land hin. Zudem müsse Saudi-Arabien auch ausarbeiten bzw. kommunizieren, welche USPs es im Vergleich zu etablierten regionalen Tourismuskonkurrenten wie den V.A.E. oder Oman biete. «Sobald es ein komplettes Produkt zu verkaufen gibt und die Öffentlichkeit reisen darf und gewillt ist, Saudi-Arabien zu entdecken, werden die die Reiseprofis im DACH-Markt bereit sein», schliesst Fiebig.

Diesem Votum schliesst sich Mattar an, welcher erklärt, dass die STA hart daran arbeite, das moderne Bild Saudi-Arabiens zu vermitteln. Pey, der seit 2016 in Riad lebt, bemerkt, dass er enorme Unterschiede seit der Öffnung des Landes sieht, es sei «wie Tag und Nacht». Nun ist es also einerseits an der STA, andererseits an den Trade-Partnern weltweit (und hier insbesondere jenen aus dem DACH-Raum), dass Saudi-Arabien auf der touristischen Landkarte erscheint. Laut Mattar sei man mit Airlines dran, das Land besser zu erschliessen (bislang gibt es erst Konnektivität zu 60 Ländern weltweit), sowie die Flughafeninfrastruktur weiter auszubauen. Bis 2022 sollen zudem insgesamt 166'000 zusätzliche Hotelzimmer geschaffen werden, bis 2030 sollen es total 800'000 Hotelzimmer (für den nicht-religiösen Markt) sein.

Auf Seiten Trade seien Fam-Trips in Vorbereitung, welche wieder «User generated content» von Reiseagenten und Journalisten kreieren werden. Das Ziel: Bis 2030 sollen bereits 100 Millionen Besucher im Land verzeichnet werden. Trotzdem werde man abwägen und nicht dieselben Fehler wie herkömmliche Massentourismusziele machen, so Mattar. Nun denn: Es ist angerichtet. Man darf auf die weitere, zweifellos dynamische touristische Entwicklung Saudi-Arabien gespannt sein.

Elegant dinieren in der Wüste? Das kann man beispielsweise in Al-Ula. Bild: Saudi Tourism Authority

(JCR)