Destinationen
Neuseeland dreht den Geldhahn zu
Als das «schönste Ende der Welt» wird Neuseeland von seinen Fans angepriesen und so einige Menschen haben das Land auf ihrer «Bucket List». Doch die Träume müssen warten. Seit Ausbruch der Pandemie hat sich der Staat im pazifischen Ozean komplett von der Aussenwelt abgeschottet. Und das mit Erfolg: Die Ansteckungszahlen mit dem Virus dümpeln bereits seit Ende April auf sehr tiefem Niveau. Mal drei neue Fälle pro Tag und dann wieder keiner. Das Land hat die Pandemie im Griff wie fast kein anderes. Aber es gibt eine Kehrseite.
Die Tourismusindustrie leidet extrem unter den ausbleibenden Gästen. Tourismusminister Stuart Nash sprach kürzlich in der «AM Show» von einem 6-Milliarden-Dollar-Loch (3,9 Milliarden Franken), dass die Industrie zu verkraften hat. Und wer jetzt denkt, dass es der Staat schon richten wird, liegt falsch. Nash hat mit einer Botschaft an die angeschlagenen Betriebe angetönt, dass sie keine weitere Unterstützung von der Regierung erwarten können.
Er zeigte zwar auch Mitgefühl und Besorgnis für die betroffenen Betriebe vor allem in den stark vom Tourismus abhängigen Regionen Queenstown, Te Ānau und Franz Josef. Nash ist gleichzeitig aber auch der Meinung, dass sich die Unternehmen mehr auf den inländischen Tourismus hätten fokussieren müssen: «Wenn Sie ein Geschäft haben, das ausschliesslich oder überwiegend von Übersee-Touristen abhängig ist und Sie nicht in der Lage waren, von einer internationalen Basis zu einer inländischen Basis zu schwenken, dann fürchte ich, dass Sie wahrscheinlich einige sehr harte Gespräche mit Ihrer Bank, Ihren Gläubigern, Ihren Direktoren und Ihren Mitarbeitern führen müssen.»
Keine Hilfe in Aussicht
Der Tourismusdirektor rechnet nicht damit, dass Neuseeland in diesem Jahr noch internationale Touristen empfangen wird. Unternehmen müssen «die kalte, harte Realität» akzeptieren, sagte er weiter. Zwar arbeite man an einer «Travel-Bubble» mit Australien, welche immerhin ein paar ausländische Touristen ins Land bringen könnte. Aber dazu müsste Australien die Infektionszahlen in den Griff bekommen. Doch erst vor Kurzem gab es im Bundesstaat Victoria erneut Corona-Ausbrüche, was die Realisierung natürlich wieder erschwert. Den Preis, den Neuseeland für die tiefen Infektionszahlen bezahlt, seien nun Mal geschlossene Grenzen und keine internationalen Gäste - ganz zum Leiden der Tourismusindustrie.
Aktuell führt Nash Diskussionen mit dem Finanzminister Grant Robertson bezüglich eines allfälligen Hilfspakets für die angeschlagenen Tourismusunternehmen. Doch es sei «ein Fass ohne Boden». Man denke darüber nach, wie die Unterstützung aussehen und für wie lange sie aufrechterhalten werden könnte. Es müsse auch bedacht werden, dass es sich vielleicht nicht lohnt, solche Betriebe zu unterstützen, welche sich am Ende als nicht rentabel erweisen: «Ich meine, es ist jetzt Februar und wir werden wahrscheinlich im Jahr 2021 keine internationalen Touristen in diesem Land sehen. Wenn man also noch elf Monate Zeit hat, um durchzuhalten, wie viel Steuergelder verwenden wir dann, um Unternehmen zu subventionieren oder zu stützen, die wahrscheinlich für mindestens weitere elf Monate nicht lebensfähig sein werden?»
Es ist nicht so, dass das Land gar nichts gemacht hat, um den Tourismus zu unterstützen. Im Mai 2020 kündigte die Regierung ein 400-Millionen-Dollar-Paket (257 Millionen Franken) an, um den Reisesektor zu unterstützen. Darüber hinaus wurde eine Kampagne für den Inlandtourismus lanciert sowie das Lohnsubventionsprogramm verlängert. Dadurch sollten touristische Attraktionen geschützt und den Unternehmen geholfen werden, sich auf den heimischen und australischen Markt zu fokussieren und auszurichten. Er rät allen Unternehmen, welche sich um ihre unmittelbare oder längerfristige Zukunft Sorgen machen, sich an das Regional Business Partner Netzwerk zu wenden, das KMU's kostenlose Beratungen im Wert von bis zu 5000 Dollar bietet, um sich in Bereichen wie Finanzen, Marketing, Gesundheit und Wohlbefinden sowie bei der Nachfolgeplanung beraten zu lassen.
Diese Entwicklung in Neuseeland dürfte Tourismusunternehmen in vielen anderen Ländern ebenso beunruhigen. Es ist denkbar, dass auch andere Regierungen beginnen, die Geldhähne für die Unterstützung angeschlagener Tourismusbetriebe zuzudrehen. Die beispielslose Situation dauert nun schon fast ein Jahr und ein Ende ist nicht in Sicht. Am Anfang wurde sofort und schnell gehandelt, so dass Firmen die hohle Hand hinhalten konnten und Unterstützung erhalen haben. Doch auch die Staatskassen sind irgendwann leer. Wer anpassungsfähig ist und noch über genügend eigene Mittel verfügt, hat – nicht nur in Neuseeland – grössere Chancen, die Krise langfristig zu überstehen.