Destinationen

Die Malediven waren bei Schweizern eine der Gewinnerdestinationen im Krisenjahr 2020. Bild: Ishan/Seefromthesky

Die beliebtesten Reiseziele im Chaosjahr 2020 waren...

2020 war aus hinlänglich bekannten Gründen ein historisch schlechtes Reisejahr. Wir wollten trotzdem von den Grossveranstaltern wissen, welches denn nun die Top-Reiseziele waren - und ob dies stark von anderen Jahren abwich.

Zwar fängt das Reisejahr 2021 nicht besonders gut an, aber immerhin konnte doch ein Schlussstrich unter das Jahr 2020 gestellt werden, welches für viele Reiseunternehmen historisch hohe Umsatzrückgänge mit sich brachte und die Reisebranche wieder auf ein Niveau wie vor 30 Jahren katapultierte. Zwar will niemand gerne auf dieses «Corona-Schreckensjahr» zurückblicken, doch stellten wir uns die Frage, ob sich denn die am stärksten nachgefragten Reiseländer 2020 wesentlich von jenen aus den Vorjahren unterschieden. Wir haben deshalb bei den «Big 6»-Reiseveranstaltern nachgefragt, und folgende Antworten erhalten (Fazit am Ende).

DER Touristik Suisse

Top 5 Lang-/Mittelstrecke:

  1. Hurghada
  2. Malediven
  3. Gran Canaria
  4. Dubai
  5. Punta Cana

Top 5 Kurzstrecke:

  1. Antalya
  2. Kreta
  3. Mallorca
  4. Zypern
  5. London

Diese Aufstellung bezieht sich lediglich auf die Buchungslage. «Besonders bei der Lang-/ und Mittelstrecke wäre das Bild bezüglich Umsatz ein anderes», erklärt Firmensprecher Markus Flick, «die Malediven würden den Spitzenplatz übernehmen, und wohl auch Dubai und Punta Cana würden in der Rangliste vorrücken.»

Bei der Interpretation der Rangliste muss berücksichtigt werden, dass die Auswahl für die Kundschaft im Jahr 2020 deutlich eingeschränkt war. «Die Rangliste widerspiegelt nur zu einem Teil die Reisewünsche unserer Kundinnen und Kunden, sie ergibt sich auch aus dem überhaupt verfügbaren Angebot», bemerkt Flick. Dass die langjährige europäische Spitzenreiterin beziehungsweise Zweitplatzierte Mallorca «nur» Rang 3 belegt, sei sicher der Tatsache geschuldet, dass für Rückreisende von dort teilweise eine Quarantänepflicht galt. Ebenfalls auf die Pandemie zurückzuführen sei das Fehlen von asiatischen und nordamerikanischen Destinationen auf der Liste der meistfrequentierten Ferienziele 2020 – dort gelten bekanntlich vielfach Reiserestriktionen, die das Ferienerlebnis bis heute verunmöglichen.

Hotelplan Suisse

Hotelplan Suisse hat bei den Ergebnissen die Resultate von Hotelplan, Travelhouse und Migros Ferien vermengt. Dort präsentiert sich das Ergebnis wie folgt, in Bezug auf die Passagiere:

Top 5 Lang/Mittelstrecke:

  1. Thailand
  2. V.A.E.
  3. USA
  4. Malediven
  5. Dominikanische Republik

Top 5 Kurzstrecke:

  1. Schweiz
  2. Griechenland
  3. Deutschland
  4. Spanien
  5. Ägypten

Auffallend ist sicherlich, dass sich verglichen zu «vor Corona» deutlich mehr Hotelplan-Kunden für Ferien in der Schweiz entschieden haben. Spanien ist aufgrund der Restriktionen wegen der Risikoländerliste des BAG in der Rangliste nach unten gerutscht. Gleiches gilt für Zypern, eine traditionell sehr beliebte Destination für Herbstferien. Aufgrund der Einreisebestimmungen in Zypern waren im Herbst 2020 Ferien auf Zypern jedoch leider nicht mehr möglich.

Im Langstrecken-Bereich haben Thailand und die UAE die USA nachfrageseitig überholt. Die USA sind üblicherweise Spitzenreiter, aufgrund der Corona-Krise war die Einreise in die USA jedoch seit März 2020 nicht mehr möglich. Auch Thailand hat die Einreise über Monate hinweg massiv beschränkt. Dass diese Ziele trotzdem noch in der Rangliste figurieren, hat wohl damit zu tun, dass zu Jahresbeginn noch zwei Monate praktisch normales Geschäft generiert wurden, was sich aber praktisch nur in den (Langstrecken-)Winterferienzielen bemerkbar macht.

In Bezug auf den Umsatz nehmen auf der Langstrecke die Malediven den Spitzenplatz ein, auf der Kurzstrecke liegen Griechenland, Spanien und Ägypten vor der Schweiz - was verdeutlicht, dass zwar die Nachfrage mit Schweiz-Angeboten alternativ bedient werden konnte, jedoch umsatzmässig das Geschäft mit Auslandreisen bei Weitem nicht kompensierte.

TUI Suisse

Bei TUI Suisse präsentiert sich die Lage wie folgt, gemessen an der Nachfrage (Passagierzahlen):

Top 5 Lang-/Mittelstrecke:

  1. Malediven
  2. Phuket (Thailand)
  3. Punta Cana (Dominikanische Republik)
  4. Dubai
  5. Mauritius

Top 5 Kurzstrecke:

  1. Südtürkei
  2. Kreta (Griechenland)
  3. Rhodos (Griechenland)
  4. Kos (Griechenland)
  5. Mallorca (Spanien)

Auch hier gilt, dass keine grossen Abweichungen festzustellen sind in Bezug auf die Rangliste gemessen nach Umsatz. Zur Interpretation der Rangliste erklärt TUI-Sprecherin Bianca Schmidt: «2020 hat sich das Reiseverhalten unserer Kunden verändert. Es wurde nicht nur kurzfristiger sondern auch anders gebucht. 2019 war vor allem Mallorca das mit Abstand meistgebuchte Ferienziel, 2020 haben sich die Top-Destinationen nach den Einreisebestimmungen oder den Quarantänelisten des BAG angepasst. Insbesondere Griechenland hat davon profitiert.»

FTI Schweiz

Bei FTI Schweiz präsentiert sich die Lage wie folgt, in Bezug auf die Nachfrage:

Top 5 Lang/Mittelstrecke:

  • Dubai
  • Malediven
  • Dominikanische Republik
  • Tansania
  • Restliches Ostafrika

Top 5 Kurzstrecke:

  • Ägypten
  • Türkei
  • Kanaren
  • Griechenland
  • Italien

In Bezug auf die Umsätze ergibt sich bei den Kurzstrecken ein identisches Bild; bei den Langstrecken überholen die Malediven Dubai und und Tansania löst auf Platz 3 die DomRep ab; generell infolge der höheren Dossierwerte. Zum Ergebnis erklärt Carmen Doré, Managing Director FTI Schweiz: «Bis Anfang März 2020 waren die Buchungseingänge vielversprechend, danach waren alle Entwicklungen und infolgedessen auch Destinationsrankings den Corona-Beschränkungen, Reisewarnungen, Länderschliessungen oder -öffnungen unterworfen. Gänzlich anders als in den Vorjahren ist ausserdem der anhaltende Trend zum sehr kurzfristigen Buchen.» Rückblickend sind 2019/20 im Kurzstreckenbereich bzw. unter den Mittelmeerländern also Ägypten und die Türkei besonders gut gelaufen. In beiden Zielgebieten konnten Schweizer seit längerem wieder problemlos einreisen und FTI bietet dort ein sehr grosses Portfolio an. Auf der Mittel- und Fernstrecke waren die Malediven und Dubai durchweg tonangebend, aber auch die Destinationen Tansania und Ostafrika sind overall gut gelaufen –  hier arbeitet FTI mit Spezialisten zusammen.

Doré kann der Corona-Krise zudem Positives abgewinnen, in Form von «Learnings»: «Es ist wichtig, sich neu aufzustellen, sich an die Situation ständig anzupassen, flexibler zu handeln und den Service ständig anzupassen. Der Kunde erwartet Sicherheit, Hygiene, Flexibilität und gute Beratung, das wollen wir alles anbieten. Ich sehe gerade auch hier die Chance für die Agenturen, weil der Informationsbedarf sehr gross ist. Wir werden den Counter deshalb auf jeden Fall jederzeit unterstützen.»

Knecht Reisen

Beim Fernreise-Spezialisten Knecht Reisen gab es folgende Rangliste:

Top 5 Lang-/Mittelstrecken:

  1. Australien
  2. Südafrika
  3. Neuseeland
  4. Costa Rica
  5. Namibia

Umsatzmässig deckt sich hier die Klassierung mit der obigen Nachfrage-Rangliste. Drei der fünf Top-Zielgebiete schwangen auch im Krisenjahr 2020 nachfrageseitig obenaus (Australien, Südafrika, Namibia); alle drei Destinationen liegen in der südlichen Hemisphäre. Deren Platzierung 2020 erklärt sich damit, dass in den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres (teilweise) noch uneingeschränkt gereist werden konnte und die Winter- und frühen Frühlingsmonate ohnehin zu den stärksten Reisezeiten für diese Ländern zählen. Nordamerika ist aus europäischer Sicht eine ausgesprochene Sommerdestination. Nachdem sowohl die USA wie auch Kanada die Grenzen sehr bald im Frühling 2020 dicht machten, kam der Reiseverkehr aus der Schweiz in diese beiden ansonsten sehr gut nachgefragten Reiseziele zum Beinahe-Stillstand.

Costa Rica derweil «profitierte» 2020 einerseits von einem relativ milden Verlauf der Pandemie im Land und andererseits von einer verhältnismässig frühen Wiedereröffnung seiner Grenzen. Und während Russland 2019 noch eine sehr starke Nachfrage verzeichnete, brach 2020 auch dort der Reiseverkehr wegen Einreisebeschränkungen und dem Verlauf der Pandemie im Land deutlich ein. Wie die USA und Kanada ist Russland vorwiegend ein Sommer-Reiseziel für Schweizer Reisende.

Globetrotter Travel Service

Bei Globetrotter hat die Nachfrage-Rangliste wie folgt ausgesehen - wohlbemerkt nur Reisen berücksichtigend, welche 2020 gebucht und auch durchgeführt werden konnten:

Top 5 Lang-/Mittelstrecke:

  1. Malediven
  2. Ägypten
  3. Seychellen
  4. Tansania
  5. Costa Rica

Top 5 Kurzstrecke:

  1. Griechenland
  2. Portugal (Azoren)
  3. Island
  4. Schweden
  5. Italien

Dieses Ranking unterscheidet sich gegenüber solchen aus Vorjahren dahingehend, dass Länder wie die USA, Australien, Thailand oder Japan, allesamt 2019 in den Top 5 Langstrecke zu finden, 2020 gänzlich aus den Top-Rängen verschwunden sind. In Europa hat dagegen Spanien massiv verloren, währenddessen üblicherweise nachfrageschwächere Ziele wie die Azoren, Island oder Schweden plötzlich weit vorne rangieren.

Fazit

Offenbar haben sich die Malediven sowohl Pax- als auch Umsatz-seitig als «Königsdestination» im Corona-Jahr 2020 entpuppt. Es gibt Nonstopflüge, und seit dem Ende der Restriktionen wird das Ziel gut nachgefragt, zumal auf den kleinen Resort-Inseln nirgendwo Menschenmassen zu befürchten sind und Distancing problemlos eingehalten werden kann. Es tauchen aber auch durchaus auch einige mehr überraschende Länder in den Top-Rängen auf... das vergleichsweise kleine Costa Rica scheint mittlerweile ein starker Geschäftstreiber zu sein, und auch am Beispiel Tansania sieht man, wie sich offene Grenzen positiv auf die Nachfrage ausgewirkt haben - mit keinen nennenswerten negativen Effekten sowohl für das Zielland als auch für die Reise-Rückkehrer.

Noch etwas verfälscht wird das Ergebnis aufgrund der Tatsache, dass zumindest die ersten beiden Monate 2020 noch Normalität herrschte, weshalb warme Winterziele etwas überproportional stark sind gegenüber klassischen Sommerzielen, für welche es aber immerhin noch ein kurzzeitiges Fast-Normalitäts-Zeitfenster im Juni/Juli gab.

Unter dem Strich ist aber auch deutlich: Die Nachfrage ist extrem volatil, doch wohin einigermassen problemfrei gereist werden kann, ergibt sich schnell auch Nachfrage, und folglich Umsatz. Generell gesprochen ist der Umsatz aber massiv zurückgegangen, wie nun etwa bereits bei Globetrotter sichtbar wurde, wo der Umsatz um happige 78 Prozent zurückging. So wie es aussieht, wird auch die Rangliste 2021 noch weit davon entfernt sein, dem zu entsprechen, was man sich aus den Vorjahren mit den «usual top destinations» so gewohnt war.

(JCR)