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Theoretisch können Reisende aus zahlreichen Ländern, darunter auch der Schweiz, ab Oktober wieder nach Thailand reisen. Jedoch ist eine 14-tägige Quarantäne notwendig. Bild: Florian Wehde

Quarantäneregel: Viel Schaden für wenig Schutz

Thailand öffnet die Landesgrenzen erstmals seit März wieder für Touristen - jedoch nur für Langzeit-Aufenthalte und nachdem die Reisenden eine zweiwöchige Quarantäne im Land absolviert haben. Gleichzeitig droht für Portugal, Oman, Marokko und weitere Länder ein Platz auf der Risikoländer-Liste des BAG. Wir wiederholen uns: Es braucht jetzt andere Lösungen, welche Reisetätigkeit ermöglichen. Daran hängen nicht nur Arbeitsplätze in der Schweiz, sondern weltweit.

Gestern war Thailand in allen Medien präsent: Das asiatische Land öffnet sich seit März zum ersten Mal wieder für Touristen! Ab Oktober dürfen Reisende aus zahlreichen Ländern, darunter der Schweiz, erstmals wieder einreisen. Es werden Visa mit 90 Tagen Gültigkeit ausgestellt, welche bis zu zwei Mal verlängert werden können. Doch bevor das Land auf eigene Faust erkundet werden kann, muss man sich zuerst für 14 Tage vor Ort in Quarantäne begeben. Die jetzt beschlossene Öffnung lehnt sich an die Regierungs-Vorlage an, welche Travelnews vor drei Wochen detaillierte.

Ganz so drastisch wurden die auferlegten Einreisebedingungen nun nicht formuliert. Die Frage ist jedoch, ob auch unter diesen Auflagen überhaupt gereist werden möchte. Die thailändische Regierung erhofft sich anscheinend, dass immerhin kleine Einnahmen für den angeschlagenen Tourismussektor generiert werden können. In Frage kommen aber nur Langzeit-Aufenthalter, die sich dies zeitlich und finanziell leisten können. Darüber hinaus ist die globale Reiseunsicherheit nicht aus der Welt: Wer unternimmt in dieser Zeit, wo am nächsten Tag schon wieder alles anders sein kann, einen Langzeit-Aufenthalt in einem fremden Land?

Die Regel funktioniert nur in strenger Auslegung

Quarantäneregeln, das ist inzwischen längst klar, wirken sich - aus naheliegenden Gründen - extrem negativ auf die Reisenachfrage aus. Sie lassen die Tür für Einheimische und Aufenthaltsberechtigte offen, verunmöglichen aber Einreisen sowohl für Geschäfts- als auch für Ferienreisende.

Nun mag dies ja genau der Zweck der Quarantäneregeln sein. Wie man aktuell europaweit sieht, verhindern diese aber kein Aufflackern lokaler Infektionsherde. Nur eine strenge Auslegung ermöglicht tiefe Zahlen, wie eben am Beispiel Thailand zu sehen. Thailand hatte bisher argumentiert, dass das Virus, nach null Neuinfektionen im Land über mehrere Monate, lediglich auf dem Reiseweg importiert werden könnte. Und doch öffnet sich das Land jetzt, allerdings mit einer sehr restriktiven Quarantäneregel. Die Zahlen werden tief bleiben, aber auch die Einkünfte grosser Bevölkerungsteile. Widerstand regt sich. Dasselbe gilt auch für Finnland, welches bislang in Europa die restriktivsten Einreisebestimmungen hatte, wo der Druck im Inland inzwischen aber stark steigt - und dem mit einer Lockerung (ab November wird auf ein Testsystem statt Quarantäne umgestellt) nun auch zumindest teilweise nachgegeben wurde.

In Europa, gewohnt an offene Grenzen und eine hypermobile Gesellschaft, sind komplette Lockdowns nicht mehr denkbar - einmal ging es, ein zweites Mal wird nicht durchkommen. Also müssen andere Mittel her, um eine Reisetätigkeit zu ermöglichen, welche trotzdem auch den Schutz der Volksgesundheit garantiert. Und insbesondere müssen einheitliche Regeln her.

Doch vorläufig wird es eher in die andere Richtung gehen. Vorgestern ist die jüngste Risikoländerliste des BAG in Kraft getreten. Darauf waren nicht mehr nur mehr oder weniger ferne Länder drauf, sondern auch Regionen in Nachbarländern, darunter Paris und Wien, jedoch nicht die Grenzzonen. De facto ist ganz Frankreich ausser den an die Schweiz angrenzenden Regionen Franche-Comté, Burgund und Elsass sowie die ferne Bretagne eine «no go zone». Wie ist so eine Anordnung überhaupt kontrollierbar? Primär schürt es bloss Unsicherheit, ohne auch garantiert einen ROI in Form von Volksgesundheit zu bieten.

Noch verrückter ist ja, dass die Schweiz selber, nach eigenen Kriterien genommen, eine Quarantänezone sein müsste. Wer seine Verwandten oder Bekannten in Genf, Lausanne oder Neuchâtel besucht, begibt sich in Risikogebiete! Natürlich lässt sich die inländische Mobilität nicht verbieten... oder doch? In den USA haben 18 der 50 Bundesstaaten aktuell spezielle Einreisebestimmungen erlassen, siehe hier. Diese sehen ähnlich wie bei uns aus: PCR-Testpflicht, Quarantänepflicht etc. Auch dort eigentlich kaum umsetzbar, also vor allem mit empfehlendem Charakter und mit Bussandrohungen bekräftigt, aber mit wenig Erfolgsaussichten im epidemiologischen Sinn. Und auch dort sind, wie im europäischen Flickenteppich, die Grenzwerte bei den Inzidenzen von Staat zu Staat unterschiedlich.

Wer kommt als nächstes auf die Liste?

Die Schweiz hält vorläufig am Grenzwert von 60 Neuinfektionen auf 100'000 Einwohner über einen Zeitraum von 14 Tagen hin fest. Das würde nach aktuellem Stand bedeuten, dass nebst den bereits 53 auf der Risikoländerliste befindlichen Ländern auch noch folgende Länder nicht mehr zu bereisen wären: Luxemburg, Oman, Niederlande, Ungarn, Belgien, Marokko, Portugal. Frankreich und Österreich auch, doch dort wurden ja regionale Lösungen gefunden. Wieso nicht auch bei den anderen Ländern? Und: Die Schweiz ist wie gesagt im Prinzip auch Risikoland. Haben wir Angst vor der Reise nach Lausanne? Nein, aber wir ziehen dort auch Masken im Laden/ÖV an und halten uns an Hygiene-Grundregeln.

Wieso sollte das im Ausland anders sein?

Es braucht dringend bessere Lösungen. Sonst geht die weltweit grösste Industrie, nämlich der Tourismus, massiv ein und mit ihm zahllose Menschen, die von offenen Grenzen existenziell profitierten.

(JCR/NWI)