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Ist die innereuropäische Grenzöffnung schon bald wieder vorbei? Steigende Fallzahlen lassen genau dies befürchten. Bild: Edwin Hooper

Wer sperrt als nächstes wen aus?

Die Fallzahlen steigen europaweit wieder an - auch in der Schweiz. Einzelne Länder haben bereits Massnahmen ergriffen und ihre Risikoländerlisten angepasst; die Schweiz wird ihre voraussichtlich am kommenden Mittwoch präsentieren. Die Unsicherheit steigt gerade wieder für Reisende.

Mitte Juni atmete die Schweizer Bevölkerung, und mit ihr die Schweizer Reisebranche, etwas auf: Wenigstens innerhalb Europas fielen die Corona-bedingt aufgezogenen Grenzmauern weitgehend wieder. Damit konnte wenigstens auf Kurz-/Mittelstrecken wieder gereist werden. Doch schon bald wurde klar: Die Grenzöffnungen bildeten keine solide und langfristige Garantie, frei einreisen zu können. Nebst unübersichtlichen Einreisebestimmungen liegt die Gefahr, dass eine Grenze aufgrund epidemiologischer Entwicklungen kurzfristig wieder schliessen könnte, stets wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Reisenden. Dass viele im Sommer in der Schweiz geblieben sind, hat nur bedingt mit Angst vor einer Ansteckung im Ausland zu tun, dafür viel mit Angst vor möglichen verordneten Konsequenzen des Reisens.

Das Problem ist: Es gibt potenziell Probleme bei der Ankunft im Zielland wie auch bei der Rückkehr in die Schweiz. Die Risikoländerliste des BAG hat aktuell 46 Länder drauf. Also 46 Länder, nach deren Besuch man sich in der Schweiz in Quarantäne begeben muss. Bei Nichteinhaltung drohen, sofern man erwischt wird, bis 10'000 Franken Busse. Nun gibt es solche Risikoländerliste auch in anderen Ländern. Die Massstäbe sind jeweils unterschiedlich. Aufgrund der geltenden Regelungen dürfen Schweizer seit Kurzem Finnland und Norwegen nicht mehr bereisen. Das Vereinigte Königreich hat kürzlich auch so eine Liste erlassen; darauf figurieren neu Frankreich (inkl. Monaco), Malta, die Niederlande, Aruba und Turks & Caicos. Will heissen: Ab Samstag (15. August) müssen Einreisende aus diesen Ländern für 14 Tage in Quarantäne. Die Schweiz ist nicht auf der Liste - wer jedoch mit dem Eurostar-Zug aus Frankreich durch den Ärmelkanal-Tunnel nach England reist, muss in Quarantäne.

Das Problem liegt auf der Hand: Man muss sich als Reisender über mögliche Reisebeschränkungen bei Ankunft im Land, bei Heimkehr ins eigene Land und möglicherweise auch als Transitreisender via ein anderes Land im Klaren sein. Und diese Regeln ändern schnell. Aktuell wächst die Angst wieder: Die Corona-Statistiken der europäischen Länder zeigen nämlich einen besorgniserregenden Trend nach oben. In fast allen Ländern Europas steigen die Neuinfektions-Zahlen. Spanien war das erste grössere westeuropäische Land, welches eine starke Infektionssteigerung verzeichnete und deshalb auf der Risikoländerliste des BAG landete; immerhin mit Ausnahme der Balearen und Kanaren - Letzteres schwankt nun aber auch infolge von wachsenden Infektionszahlen auf Mallorca. In Deutschland, Frankreich und Österreich steigen - wie in der die Schweiz - die Neuinfektionen derzeit wieder deutlich an, teils auf den höchsten Ständen seit April, ebenso in Italien, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen oder im Vereinigten Königreich. Lässt man auch die reinen Infektionszahlen mal beiseite: Beunruhigend ist vor allem, dass die Basisreproduktionszahl vielerorts wieder über 1 liegt, das Wachstum also wieder exponentiell vonstatten geht.

Dadurch drohen wieder Grenzschliessungen, landesweit oder zumindest regional, ebenso wie Lockdowns, auch da regional oder landesweit. Aus Sicht der Reisenden steigt damit die Verunsicherung im Hinblick auf die Herbstferien wieder an. Die Reisebranche derweil darf sich wohl kaum Hoffnungen machen, dass das Herbstgeschäft, welches ohnehin recht kurzfristig gebucht würde, die Misere 2020 etwas lindern könnte. Wir haben an dieser Stelle schon zuvor argumentiert: Das Gewurstel mit unterschiedlicher Handhabung von Einreisebestimmungen und Grenzschliessungs-Normen muss ein Ende haben, sonst drohen sozial wie wirtschaftlich einschneidende Folgen.

(JCR)