Destinationen

Brasilien hat sich in den vergangenen Monaten zum Corona-Hotspot entwickelt. Bild: Raphael Nogueira

«Ich hoffe, dass es nach der langen Reisepause einen Nachholbedarf gibt»

Nina Wild

Südamerika wird besonders hart von der Pandemie heimgesucht. Welche Auswirkungen dies auf den Tourismus hat und wann wieder mit Reisen auf den Kontinent gerechnet werden kann, hat Travelnews bei den Spezialisten nachgefragt.

Über drei Millionen Coronavirus-Infektionen in Brasilien, 480'000 bestätigte Fälle in Peru - knapp dahinter folgt Kolumbien mit 410'000 Ansteckungen. Tendenz steigend. Der Höhepunkt der Pandemie wird für Südamerika im August und September erwartet. Der schon zuvor angeschlagene Kontinent leidet extrem unter den Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Tourismus, wie uns die zwei Südamerika-Spezialisten Brasa Reisen AG und Dorado Latin Tours bestätigen.

Gabriela Stauffer, General Manager bei Dorado Latin Tours, gibt zu bedenken: «Wenn es nur das Virus wäre. Es fehlt an allem. Nun bekommen vor allem die Armen zu spüren, dass Regierungen soziale Menschenrechte ignorieren. ‹Quédate en casa› - Bleib zu Hause – tönt wie ein Hohn für viele Südamerikaner. Die Pandemie legt die sozialen Ungleichheiten offen.» Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in diesen Ländern und generiert enorm viele Arbeitsstellen. Umso verheerender, dass nicht gereist werden kann. Die Auswirkungen sind schon jetzt spürbar. «Wegen fehlender Sozialsysteme wie Kurzarbeit, Direkthilfe, etc. haben viele unserer Partner grosse Probleme. Mitarbeiter mussten entlassen werden, Hotels haben ihr Finanzpolster aufgebraucht und viele von ihnen werden gar nicht mehr öffnen können», sagt Reto Kindlimann, Geschäftsführer Brasa Reisen AG zur aktuellen Situation.

Die Lage ist also dramatisch und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Situation in Kürze verbessert und Reisende so schnell wieder Ferien in Südamerika verbringen. Stauffer geht derzeit von zwei möglichen Szenarien aus, wie der Tourismus in den Ländern wieder an Fahrt aufnimmt: «Entweder die Lage stabilisiert sich in den nächsten vier bis sechs Monaten und erste Kunden reisen bereits wieder Ende Jahr, respektive im ersten Quartal 2021 nach Südamerika», oder aber: «Diese Länder könnten von einer einer zweiten Welle erfasst werden. Dann sehe ich generell frühestens im dritten Quartal 2021 Neubuchungen für Südamerika.» Kindlimann geht aufgrund der hohen Ansteckungszahlen erst von einer kompletten Wiederaufnahme des Tourismus Anfang bis Mitte 2021 aus. Und auch ab dann dürften laut ihm auch erst wieder Buchungen eintreffen.

Nachfrage ist eingebrochen

Diese Unsicherheit über die Entwicklung der Pandemie in Südamerika, sowie der Umstand, dass fast alle Länder des Kontinents auf der Risikoländer-Liste des Bundesamtes für Gesundheit stehen, schlagen sich natürlich auf die Nachfrage nach Reisen in die Region nieder. «Wir haben zur Zeit praktisch keine Nachfrage für touristische Reisen nach Südamerika», sagt Kindlimann. Dorado Latin Tours verspürt immerhin ein kleines Interesse bei seinen Kunden: «Wir erhalten wöchentlich zwei bis drei neue Anfragen für Reisevorschläge, welche allerdings danach nicht gebucht werden», erklärt die Geschäftsführerin. Generell raten die beiden Spezialisten ihren Kunden derzeit noch abzuwarten mit Buchungen oder, falls diese bereits getätigt wurden, auf das nächste Jahr zu verschieben.

Den beiden Spezialisten steht wohl noch eine längere Durststrecke bevor. Gibt es einen Plan B, um die Unternehmen zu sichern? Stauffer verrät: «Neben Südamerika haben wir ein 2. Standbein mit Mittelamerika. Auch bieten wir Antarktisreisen an, diese runden unser Portfolio ab. Über diese Destinationserweiterungen sind wir sehr froh.» Bei Kindlimann sieht es anders aus: «Als Destinations-Spezialist wird man ja nicht für andere Destinationen gesucht bzw. gefunden. Einige Stammkunden fragen zwar nach Alternativen, da aber auch sonst die meisten Fernreisedestinationen nicht bereisbar sind, ist es auch da schwierig etwas anbieten zu können.»

Trotz der Herausforderungen ist bei Gabriela Stauffer Optimismus spürbar: «Ich bin überzeugt, dass Südamerika nach der Corona-Krise wieder über eine grosse Nachfrage verfügen wird. Es wird ein Nachholbedürfnis nach kulturell und landschaftlich interessanten Ländern geben.» Sie erhalte zahlreiche Rückmeldungen von Kunden, welche verreisen wollen. Wenn die Reisen nun nicht in diesem Jahr stattfinden können - dann im nächsten. Auch Kindlimann wünscht sich, dass die Menschen nach dem Überstehen der Pandemie wieder zahlreich auf Reisen gehen werden: «Ich hoffe, dass es nach der langen Reisepause einen Nachhohlbedarf gibt und die Kunden wieder zahlreich buchen auch noch für 2021.»