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Am öffentlichen Ort mit Menschenansammlungen mal zur Maske greifen. Na und? Dafür den Rest der Ferien unbeschwert und maskenfrei verbringen. Das geht auch im Ausland! Bild: JCR

Kommentar Sicherheit auf Reisen ist vor allem eine Frage der eigenen Einstellung

Jean-Claude Raemy

Warum meinen so viele, Ferien in der Schweiz böten mehr Sicherheit vor dem Coronavirus? Im nahen Ausland wird weniger auf diffuse «Selbstbestimmung» gepocht, und es gibt viel Platz für Social Distancing. Zeit, mal ein paar Fakten auf den Tisch zu legen.

Gestern vermeldete Travelnews, dass Schweizer das Geld wieder mit vollen Händen ausgeben - nur nicht wirklich für Auslandreisen. Gewiss, seit dem 15. Juni dürfen Schweizer die Länder des Schengenraums inklusive Nordeuropa wieder bereisen, und seit dem 20. Juli auch noch einige weitere Länder. Davon machen auch einige regen Gebrauch. Die meisten Schweizer scheinen aber im Sommer 2020 tatsächlich in der heimischen Schweiz geblieben zu sein.

Das ist einerseits verständlich: Nicht alle von Schweizer Seite für Auslandreisen «freigegebene» Länder sind auch offen für Schweizer. Südkorea, Thailand und Australien zum Beispiel. Und dann ist ja da noch Finnland, welches nach einer Öffnung die Einreise für Schweizer inzwischen wieder verbietet. Dies, weil die Schweiz in Sachen Neuinfektionen im Verhältnis zur Einwohnerzahl den finnischen Mindestvorgaben nicht mehr entspricht. Umgekehrt setzt auch die Schweiz Mindestvorgaben voraus und straft Länder, welche diese nicht einhalten, mit einer Art «Quarantäne-Bann», also einer Quarantänepflicht bei Rückreise, was faktisch zum Erliegen der Reisetätigkeit in die entsprechenden Länder führt.

Hier nun wird es etwas unverständlich: Die Rede ist nämlich von Ländern, in denen «erhöhtes Infektionsrisiko» besteht. 42 sind es aktuell an der Zahl, es könnten jederzeit mehr (oder auch weniger) werden. Die meisten dieser Länder erlauben ohnehin noch keine Einreise. Aber was ist bei wichtigen Ferienländern? Aktuell wird ja gemutmasst, dass Spanien auf die Liste kommen könnte. Doch was sagen Landeszahlen schon aus? In der Extremadura riskiert man kaum etwas, bloss weil in Barcelona bei einem Anlass sich 100 Personen infiziert haben. Schon da liegt ein kommunikatives Problem vor, welches unnötig Angst verursacht.

Es ist richtig und wichtig, dass man sich informiert und mögliche Infektionsherde umgeht. Versuche eine Landes-Katalogisierung mittels Zahlen helfen aber kaum weiter. Darüber hinaus die Schweiz als Insel der Sicherheit zu sehen und das Ausland als potenziellen Ansteckungsort, ist kreuzfalsch. Zum einen hat das BAG ja inzwischen festgestellt, dass die Ansteckungen primär innerhalb der Familie und danach am Arbeitsort erfolgen. Die ursprünglich mal genannten 10 Prozent der Infektionsfälle, die auf Ansteckungen im Ausland zurückzuführen seien (und davon 6 Prozent aus «Risikoländern») verteilen sich irgendwie darauf. Genau weiss man ja selten, wo man sich ansteckt (über die Hälfte der Fälle sind nicht klar zugeordnet). Es kann im Ausland sein, muss aber nicht.

Sicherer im Ausland?

Und jetzt kommt der springende Punkt: Rund 9000 Menschen haben sich laut BAG nach der Rückreise aus Risikoländern in Quarantäne begeben. Haben sich jene, die am überfüllten Caumasee in der Glaceschlange warteten oder am Samstag im randvollen Coop St. Annahof in Zürich einkauften - in beiden Fällen praktisch allesamt ohne Maske - etwa nicht einem Ansteckungsrisiko ausgesetzt?

Nun, an dieser Stelle soll es nicht um Fingerpointing gehen, wo das Risiko grösser ist, ob in der Schweiz oder im Ausland. Letztlich ist es nämlich eine Frage der eigenen Einstellung: Will ich mich einem Risiko aussetzen, und damit auch andere aus meinem Umfeld dem Risiko aussetzen? Wenn die Antwort «Ja» lautet, sind Sie ein Egozentriker, einer jener, die vor lauter Pochen auf «Selbstbestimmung» das Gemeinwohl aus den Augen verloren haben und nichts dazu beitragen, dass Schweizer in absehbarer Zukunft wieder frei reisen können, im Inland wie im Ausland. Wenn die Antwort indes «Nein» lautet, gibt es keinen Grund, auf Auslandreisen zu verzichten. Sie achten dann nämlich sowohl hier in der Schweiz als eben auch im Ausland auf die grundlegenden Sicherheitsmassnahmen, die vor einer Ansteckung schützen, sprich auf Social Distancing, Hände waschen/desinfizieren und eben auch Maske tragen.

Ja, niemand trägt gerne Maske. Es ist aber ein kleiner Preis, der aktuell für Bewegungsfreiheit und Gesundheit aller - der eigenen und der anderer - zu bezahlen ist. Und jetzt kommt's: Meine eigene Reise-Erfahrung der vergangenen zwei Wochen zeigt, dass das Selbstverständnis hinsichtlich der Hygiene-Regelungen im Ausland deutlich höher ist als in der Schweiz. Natürlich auch dort nicht lückenlos, aber generell betrachtet eben schon.

Aufgefallen ist das bei der Heimkehr aus Sardinien am Samstag. Wir waren mit dem Auto und der Fähre auf die Insel gereist, und auch zurück. In Italien herrschte in jedem geschlossenen Raum mit anderen Personen strikte Maskenpflicht. Im Supermarkt wurde man ohne Maske herausgebeten oder nicht bedient, im Warteraum zur Fähre in Olbia wurde ein Maskenverweigerer kurzerhand von der Polizei abgeführt. Am Zoll in Chiasso hatte ich meine Maske kurze vergessen und wurde von italienischen Zollbeamten diskussionslos weggewiesen und erst mit Maske wieder bedient. Um die Mehrwertsteuer-Rückerstattung in Cash zu erhalten, muss man aber vier Kilometer nach der Grenze an der Tessiner Raststätte Coldrerio nochmals anhalten. Dort warteten Dutzende Personen maskenfrei vor dem viel zu kleinen WC-Trakt, und die Dame am kleinen Refund-Schalter trug keine Maske (wir hingegen schon!). Kurz: Gleich nach der Grenze fühlten wir uns innerhalb der Schweiz alles andere als «Corona-sicher», währenddem wir uns in Italien stets sicher gefühlt hatten. Was unter anderem auch daran lag, dass wir dort nicht in einer überfüllten Badi weilten, sondern an Stränden mit angenehm viel Platz, wo die Maske nur für das Abholen des Gelato an der Strandbar nötig war.  

Hört auf zu polemisieren!

Immerhin, heute Morgen im ÖV trugen trotz halbleerem Zug alle pflichtschuldigst Maske. Weil es Gesetz ist. Ich wage mir nicht auszumalen, wie das Gejammer sein wird, wenn es wieder zu verstärkten Einschränkungen kommt (Maskenpflicht etc.), bloss weil wir meinten, dass die Sache längst gegessen sei. Es ist ja hie und da in Sozialen Medien Mode, jene die sich an behördliche Auflagen halten als «Schafe» zu bezeichnen. Nun, jene die sich nicht daran halten, sind dann wohl die «Esel». Würden die Esel, statt immer nur zu polemisieren, nämlich auch die an sich einfachen Grundregeln einhalten und sicherstellen, dass unsere Zahlen niedrig bleiben und dies auch im Ausland tun (um dort keine Personen anzustecken oder sich selber), dann kämen die Infektionskurven endlich mal runter und man müsste nicht stets neue Massnahmen befürchten. Das käme nicht nur der Reisebranche zugute, sondern der gesamten Wirtschaft.

Also Leute, das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mag es zuletzt kommunikativ in vielerlei Hinsicht verbockt haben, doch das heisst nicht, dass man sich nicht an dessen Hygiene-Grundregeln halten muss. Wer dies tut, kann nämlich fast überall unbeschwert hin reisen, auch und gerade ins Ausland.