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Suonenwächter Jean-Charles Bornet bei der Arbeit auf der historischen Wasserleitung Bisse Vieux in Nendaz. Bild: Swiss-Image

Über spektakuläre Gratwege und entlang der plätschernden Suonen

Silvia Schaub

Nendaz bezaubert im Sommer mit seinen Wanderwegen entlang der acht Suonen und neuerdings auch mit mehr als einem Dutzend Trailruns für Einsteiger und Ambitionierte.

Nebelschwaden umschmeicheln den Dent de Nendaz, verstecken den Mont-Fort fast vollständig und ziehen einen dichten Vorhang vor den Lac de Cleuson. Solches Wetter ist man sich im Ferienort Nendaz nicht gewohnt, rühmt er sich doch, so viele Sonnentage zu haben wie die Côte d’Azur (nämlich mindestens 300 im Jahr!). Uns stört’s nicht, ist doch für einen Trailrun ein bewölkter Tag ohnehin angenehmer.

Vom Zentrum in Haute-Nendaz aus führt der Weg auf dem Trail Nendaz-Bisse du Milieu-Sofleu-Nendaz erst noch ziemlich flach zwischen den Chalets und Appartement-Häusern hindurch zur Bisse du Milieu, der ersten Suone. Suonen sind diese geschichtsträchtigen, offenen Bewässerungskanäle, die das kostbare Wasser von den Gebirgsbächen auf die landwirtschaftlich genutzten Felder, Weinberge und Obstplantagen bringen. Begleitet vom lieblich plätschernden Wasser lässt es sich auf diesem Teilstück gemütlich einlaufen. Immer wieder bekommt man einen herrlichen Ausblick über das Dorf Nendaz bis hinunter in die Rhone-Ebene. Schon bald führt der Weg weg von der Suone und man überquert eine Holzbrücke, bevor es steil bergaufwärts geht. Auf weichem Untergrund führt der Trail weiter auf dem Tannenzapfenweg durch Lärchen- und Fichtenwälder. Und schon steht man vor der nächsten Suone, der Bisse Vieux.

Nendaz ist ein wahres Suonen-Paradies und besitzt mit acht Stück das grösste noch aktive Suonen-Netz der Schweiz. Auf sie ist man stolz und pflegt sie seit ein paar Jahren auch als touristische Attraktion. Denn es lässt sich neben ihnen gemütlich wandern, und man entdeckt dabei die unterschiedlichsten Landschaften. Würde man sie alle ablaufen, käme man auf eine Strecke von fast 100 Kilometern.

Eine Suone aus dem Jahr 1658

Den Weg entlang der Bisse Vieux kennt Landwirt Jean-Charles Bornet wie seine Westentasche. Seit mehr als 35 Jahren ist er Gardien de Bisse, was bedeutet, dass er Chef über diese Suone ist. Schon mit 10 Jahren habe er mitgeholfen, sie in Stand zu halten, erzählt er stolz. Deshalb sei sie ihm ans Herz gewachsen, «fast wie ein Kind». Mit einem Rechen läuft er drei Mal pro Woche die sieben Kilometer lange Bisse ab und kontrolliert, ob nicht irgendwo Äste oder Steine die Wasserleitung verstopfen. Denn das Wasser, das die Bisse Vieux aus dem Bach La Printse speist, ist wertvoll.

Weil das südliche Wallis schon immer regenarm war, baute man bereits im Mittelalter diese spektakulären Wasserleitungen, damit die Bauern ihre Felder an den Hängen bewässern konnten. Meistens wurden sie in den Boden gegraben, andere auch in Felswände gehauen oder aufwändig in schwindelerregender Höhe befestigt. Die Bisse Vieux etwa stammt aus dem Jahr 1658. «Und sie funktioniert immer noch perfekt», freut sich Jean-Charles Bornet. Im Frühling reinigt er die Suone mit gut zwei Dutzend Helfern, befreit sie von Blättern und Steinen, die sich über den Winter darin angesammelt haben. «Manchmal müssen wir auch eine Reparatur ausführen», erklärt der 58-Jährige. Früher bestand die Bisse Vieux mehrheitlich aus Holzrinnen. Heute hat man manchenorts Eisenkästen oder Steinkanäle eingebaut, damit kein Wasser verloren geht.

Bornet ist aber auch dafür zuständig, dass das Wasser unter den Landeigentümern und Bauern fair aufgeteilt wird. Die Suonen sind mit kleinen Schleusen versehen, die er je nachdem öffnen oder schliessen kann. Rund 80 000 Aprikosenbäume werden mit dem Wasser seiner Suone bewässert.  «Ohne dieses Wasser könnten in den Dorfteilen Fey und Bieudron keine köstlichen Aprikosen geerntet werden.»

Nendaz: ein beliebter Ferienort für Trailrunner

Schon bald führt der Trail wieder weg von der Bisse Vieux, und es geht zum nächsten Aufstieg, vorbei an den Maiensässen und Alphütten bei Sofleu. Bei gutem Wetter könnte man hier einen Blick auf den Staudamm von Cleuson erhaschen. Stattdessen tauchen im Nebel ein Dutzend Eringer-Kühe auf, ein weiteres Wahrzeichen dieser Gegend. Neugierig betrachten die schwarzen, bulligen Walliser Kühe die Vorbeirennenden. Noch ein Stück steiler geht es über einen schmalen, wurzeligen Weg durch den Wald, bis man schliesslich den höchsten Punkt dieses Trails erreicht hat – und mitten auf der Skipiste steht.

Gut möglich, dass man hier auch mal Yannick Mathez begegnet. Er kennt alle Trails von Nendaz und Umgebung. Der Walliser Ferienort ist für Trailrunner schon seit ein paar Jahren ein Hotspot, findet hier doch jeweils der internationale Nendaz-Trailrun statt. In diesem Sommer müssen sie allerdings Corona-bedingt darauf verzichten. Dafür will sich Nendaz Tourismus zusammen mit dem benachbarten Veysonnaz auf die Trailrun-Karte setzen und bietet neuerdings 14 Strecken an. Mathez hat bei der Konzeption und Realisierung mitgearbeitet. «Die Vielfalt und Schönheit der Landschaft gibt einem auf jedem Run das Gefühl, Neues zu entdecken», meint der passionierte Trailrunner und Lehrer. Zudem habe man in Nendaz die Möglichkeit, die Trails seinem Niveau entsprechend zu wählen – vom einfachen Trail mit 7 Kilometern bis zum anspruchsvollen Königs-Trail mit 70 Kilometern. Sie führen mal über spektakuläre Gratwege, dann durch dichte Wälder – und immer wieder vorbei an den Suonen.

Rauf und auch runter geht es aber immer. So auch auf unserem Trail, der nun ziemlich steil Richtung Tal führt. Gut, dass der stotzige Schotterweg mit weichem Gehäcksel ausgelegt wurde, so dass man Knie-schonend wieder nach Nendaz zurückkommt.  

Für Sportler und Familien

Die Destination Nendaz bietet ein breites touristisches Angebot: Seit diesem Sommer bestehen im Gebiet von Nendaz und Veysonnaz 14 Trailrunning-Strecken für jedes Niveau. Zudem werden spezielle Trail-Weekends für Einsteiger und Fortgeschrittene angeboten. Wer es lieber gemütlicher nimmt, wandert entlang der 8 Suonen oder auf einem der vier Themenpfade, oder er begibt sich auf eine viertägige Trekking-Tour inkl. Übernachtung und Vollpension in Berghütten. Nendaz ist auch ein beliebter Ferienort für Familien und bietet diverse Aktivitäten für Kinder an, wie Sommercamps, Schatzsuche oder Kinderhort. Weitere Infos.