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Aktuell halten sich fast keine Touristen in der kroatischen Stadt Dubrovnik auf. Bild: Morgan

Die Unsicherheit über Balkan-Reisen ist riesengross

Nina Wild

Südosteuropa ist eigentlich ein beliebtes Reiseziel für Schweizerinnen und Schweizer – wäre da nicht das Coronavirus. Travelnews hat sich bei Meersicht, Albanien Reisen und Balkan Holidays umgehört, wie die Situation vor Ort ist und wie das Geschäft aktuell läuft.

Kroatien, Albanien, Montenegro, Bulgarien, Kosovo oder Slowenien – sind eigentlich sehr beliebte Reiseziele ab der Schweiz – sowohl von Schweizerinnen und Schweizern als auch von den Zuwanderern, die jeweils im Sommer zurück in ihr Heimatland reisen, um Familien, Freunde und Bekannte zu besuchen. Gross war die Freude, als die Reisewarnungen für den Schengen-Raum vom Bundesrat aufgehoben wurden. Umso grösser der Dämpfer, dass Serbien, Kosovo und Nordmazedonien aufgrund steigender Fallzahlen vom Bundesamt für Gesundheit auf die Liste der 29 Risikoländern gesetzt wurden. Die Unsicherheit gross, welches Land es als nächstes trifft – oder treffen könnte.

Angesprochen darauf, wie die Corona-Situation in den Ländern aussieht, sagt Pavle Pavlovic, Managing Director Switzerland bei Balkan Holidays: «Die Situation sieht mehr oder weniger gleich aus wie in den restlichen Teilen Europas.» Es gebe hierbei aber zwei Aspekte zu beachten: Wie sich die Lage in den einzelnen Ländern entwickle und wie die Schweiz, genauer gesagt das Bundesamt für Gesundheit, zur Ein- und Ausreise der verschiedenen Länder stehe. «Die Auswirkungen, dass Nordmazedonien und der Kosovo auf der Risiko-Liste stehen sind enorm – 90 Prozent der Buchungen wurden sofort storniert. Auch jene Neubuchungen, die erst im Juni getätigt wurden», gibt Pavlovic zu bedenken. Das Risiko, nach der Reise in Quarantäne zu müssen, sei den Kunden schlicht und einfach zu gross.

Marco Wipfli, Geschäftsführer von Meersicht, beobachtet ein ähnliches Szenario: «Alle Dossiers für Nordmazedonien und den Kosovo wurden annulliert oder auf das nächste Jahr umgebucht.» Er sorgt sich derweil, dass Montenegro und Albanien auf die Risikoländer-Liste kommen könnten: «Anfangs Juni galt Montenegro noch als coronafrei. Aktuell sind die Fallzahlen am steigen. Wenn die Fallzahlen nicht sinken werden, wird wohl Montenegro auf die Liste der Risikoländer kommen. Albanien hat täglich rund um die 100 Neuansteckungen. Das ist zwar ähnlich wie die Schweiz, nur hat Albanien weniger Einwohner als die Schweiz. Wenn sich die Lage nicht bessert, könnte es kritisch werden.» Keines der Länder ist vom Coronavirus verschont geblieben und alle kämpfen dafür, die Pandemie in Schach zu halten – mit strengen Hygienemassnahmen. Vor Ort werden diese – zumindest in den touristischen Betrieben – penibel umgesetzt. «Die Hotels halten sich strickte an die Regeln», sagt Wipfli.

Das bestätigt auch Saimir Shala, Geschäftsführer von Albanien Reisen, der zurzeit mit einer Wandergruppe im Norden Albaniens unterwegs ist: «Die Regeln am Flughafen werden strikt eingehalten. Sobald man den nötigen Abstand von zwei Metern nicht einhält beim Warten am Check-In wird man vom Flughafen-Sicherheitspersonal darauf hingewiesen. Beim Verlassen des Fluges wird die Temperatur gemessen. Beim Betreten des Flughafens muss man durch einen Desinfektionstunnel laufen. In geschlossenen Räumen gibt es die Maskenpflicht seit dem 15. Juli. In Restaurants und Hotels muss das gesamte Personal Masken tragen. In den Städten wie Tirana, Shkodra oder Korca wird das gut vom Personal eingehalten und es gibt immer wieder Inspektionen durch die Polizei – in den Dörfern im Hohen Norden nehmen es die Leute teilweise zu locker.»

Pavlovic ist überzeugt, dass die Regeln in den Tourismus-Regionen sogar besser umgesetzt werden als in der Schweiz: «Hier sieht man die Leute Abends auf der Strasse ohne Maske, und im Öffentlichen Verkehr gilt die Maskenpflicht erst seit einer Woche. In Kroatien beispielsweise gilt die Maskenpflicht seit Beginn der Pandemie und es hinterfragt niemand, ob diese Massnahme etwas nützt oder nicht – sondern die Bevölkerung hält sich an die Regeln und das sehr strikt.»

«Es spricht vieles dafür, jetzt in die Ferien zu gehen»

Die Kundenanfragen sind praktisch eingebrochen, verrät Wipfli: «Die Nachfrage ist sehr zögerlich, da die Unsicherheit in der Bevölkerung sehr hoch ist. Am meisten Anfragen erhalten wir für Istrien und die Region Kvarner, da diese Regionen gut mit dem Auto erreichbar sind.» Dies bestätigt auch Pavlovic. Er sieht hierbei auch das Problem, dass gewisse Regelungen nicht auf EU-Ebene festgehalten sind. «Der Kunde weiss nicht, was in einer Woche passiert, weil sich die Situation so schnell ändert. Wenn er heute bucht, kann die Situation morgen schon wieder anders aussehen – entweder weil das BAG oder die Aussenministerien der verschiedenen Länder ihre Bestimmungen ändern. Eine Nachfrage verzeichnen wir wenn überhaupt von den Zuwanderern und einzelnen Stammkunden.» Wipfli und Pavlovic bleibt derzeit nichts anderes übrig, als ihre Kunden transparent und ehrlich zu beraten – ob der Kunde unter diesen Umständen reisen möchte, muss er selber entscheiden. Da beide ihre Destinationen und Hotels kennen, gebe das eine gewisse Sicherheit, aber keine Garantie. Wipfli verzeichnet immerhin schon ein paar Buchungen für die POP-UP-Flüge, welche Meersicht gemeinsam mit Helvetic Airways aufgegleist hat: «Wir werden jetzt nicht überrannt von Buchungen, aber die Flüge finden statt, sofern sich an den Einreise- respektive Ausreise-Formalitäten nichts ändert.»

Shala erwartet bereits am 24. Juli die nächste Wandergruppe in Tirana und schwärmt, wie schön leer das Land derzeit ist: «Es sind vergleichsweise sehr wenige internationale Touristen im Land. Letzte Woche waren wir eine Woche unterwegs im Norden Albaniens und haben lediglich zwei deutsche Touristen getroffen.» Pavlovic hatte kürzlich Gäste in Kroatien, die glücklich in die Schweiz zurückgekehrt sind: «Die Leute geben uns die Rückmeldung, dass alles wunderbar war. Bei einer Hotelauslastung von 20 bis 30 Prozent hat der Reisende natürlich alle möglichen Facilitys für sich. Und die Strände und das Meer sind sauberer denn je. Es spricht vieles dafür, jetzt in die Ferien zu gehen – wäre da nicht das Risiko, danach zwei Wochen in Quarantäne zu müssen.»

Pavlovic glaubt nicht, dass das Ansteckungsrisiko im Ausland grösser ist als in der Schweiz - im Gegenteil: «Ich war selber vor zwei Wochen in Zürich am Flussbad Letten. Dort sassen hunderte Leute mit einem Abstand von zwanzig Zentimetern nebeneinander – es keine Garantie, dass man sich nicht ansteckt, wenn man in der Schweiz bleibt. Aber klar, man ist im eigenen Land und muss nicht darüber nachdenken was passiert, wenn man aus den Ferien zurückkommt.» Es scheint paradox, dass die Hotspots hierzulande überfüllt sind – zumal der Bundesrat ja auch zu Ferien in der Schweiz aufgerufen hat - und die Menschen aufeinandersitzen, während der Rest der Welt wie leergefegt von Touristen ist. Man kann sich sicher darüber streiten, wo die Ansteckungsgefahr nun höher ist…