Destinationen

Der Schweizer Tourismus-Verband hat die Kuh bzw. das Schweizer Parlament bei den Hörnern gepackt und einen breit getragenen Aufruf zu Ferien im Inland zustandegebracht. Bild: Heiner

204 Parlamentarier rufen zu Ferien in der Schweiz auf

Zum Ende der Sommersession gab es parteiübergreifend einen Aufruf an die Schweizer Bevölkerung, in diesem Sommer die Schweiz zu entdecken. Kommt eine Reaktion aus dem Outgoing-Bereich?

Uns liegt es eigentlich fern, die Incoming- und Outgoing-Branche, welche bisher friedlich koexistierten, gegeneinander zu stellen. Aber den Vertretern der Outgoing-Branche wird sicher etwas der Atem stocken, wenn sie vom jüngsten «politischen Treffer» der Incoming-Branche erfahren. Zum Ende der Sommersession hat sich das Parlament nämlich mit einem Aufruf an die Schweizer Bevölkerung verabschiedet, diesen Sommer doch «die Schweiz zu entdecken». 204 von insgesamt 246 Parlamentariern haben den Aufruf des Schweizer Tourismus-Verbands (STV) mit unterzeichnet. Die Namensliste der Unterzeichner findet sich auf einer speziellen Landingpage namens schweizersommer.ch.

Das gesamte Spektrum von links nach rechts ist abgebildet. Auch Christa Markwalder (NR FDP/BE) oder Lars Guggisberg (NR SVP/BE) sind darunter zu finden, welche sich zuletzt auch stark für die Anliegen der Reisebranche eingesetzt hatten. Die Parlamentarier ermuntern die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz in ihrem Aufruf, diesen Sommer die verborgenen Schätze der Schweiz zu entdecken. Wohlbemerkt «diesen Sommer» und nicht ewig. Was für die bereits stark gebeutelte Outgoing-Branche das Problem aber nicht mindert.

«Es freut uns, dass so viele Parlamentarier sich bereit erklärt haben, spontan diesen Aufruf zu unterstützen und die Schweiz im Sommer neu entdecken wollen», sagt Nicolo Paganini, CVP-Nationalrat und Präsident des Schweizer Tourismus-Verbands. Die gelebte Solidarität sei eine Ermutigung für Schweizer Destinationen und Leistungsträger und zeige, «dass der Tourismus ein gelebter Teil Schweizer Identität» sei. Er hoffe, dass sich möglichst viele Schweizerinnen und Schweizer dem Aufruf anschliessen und diesen Sommer gemeinsam die Schönheit der Schweiz geniessen. Paganini erinnert zudem daran, dass die Tourismusbranchenverbände Ende Mai das «Clean & Safe»-Label ins Leben gerufen haben, welches zu beitragen soll, dass nationale und internationale Gäste ihre Ferien in der Schweiz sorglos geniessen können. Kurz: Es wird auf das Vertrauen der Schweizer ins eigene Produkt gesetzt.

Verständlich, dass die Politik der wichtigen (Incoming-) Tourismusbranche in dieser Krisensituation unter die Arme greift. Und sie stellt sich ja nicht explizit gegen den Outgoing-Tourismus. Die Ausgangslage für die Outgoing-Branche ist jedoch viel schwieriger: Die internationale Lage hinsichtlich Grenzöffnungen, Fluganbindungen und neuen Gesundheits-Regeln ist volatil und unübersichtlich, die Wertschöpfungskette ist teils zerstritten (Stichwort Airlines vs. Reisebüros) und die politische Unterstützung für die kleinere Outgoing-Branche karg. Obwohl zahlreiche Ferienreisen wieder möglich sind und auch positiv verlaufen, sorgen vor allem negative Beispiele wie hier für grosses Medienecho.

Wann findet die Outgoing-Reisebranche zusammen, um einen grossen Aufruf pro Auslandreise zu starten? Man darf nicht vergessen: Die Schweizer sind in Sachen Auslandreisen, gemessen an Ausgaben und Reisen pro Kopf pro Jahr, sowas wie «Reiseweltmeister», und viele wollen nach Monaten des Lockdowns wieder verreisen, und wissen genau, dass die Schweizer Ferienwoche teils teurer sein kann als die Strandwoche. Man muss diese Reise-Bereitschaft abholen und nähren. Eine weitere Aufgabe für die Branchenverbände?

(JCR)