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Stadtteil Jomtien in Pattaya. Hier wurden die Bridge-Spieler verhaftet. Bild: Fotolia

Schlechte Karten für Bridge-Spieler in Pattaya

Wohin der Übereifer von Uniformierten in Thailand führen kann, mussten 32 Bridge-Spielerinnen und Spieler erfahren — und zwölf Stunden im Gefängnis schmoren.

Es geschah in Jomtien, einem Stadtteil Pattayas an Thailands Ostküste. Eine gemischte Einheit aus Polizisten und Soldaten — einige Berichte sprachen von etwa 50 Uniformierten, andere von über 100 — stürmten den separaten Raum eines Restaurants und erwischten 32 Senioren beiderlei Geschlechts und überwiegend britischer Herkunft auf frischer Tat. Für einen Moment lang glaubten die Silberhaarigen, an der Spitze der Alterspyramide eine 84-jährige Holländerin mit Gehstock, live in einen James Bond Thriller geraten zu sein oder aber in einen Spionageroman von John Le Carré. 

Die "Farangs", wie weisse Ausländer in Thailand genannt werden, wurden zum Polizeirevier transportiert und dort 12 Stunden festgehalten, bis drei Uhr nachts. Gegen eine Kaution von 5000 Thai-Baht (knapp 140 Schweizer Franken) durften sie wieder gehen. Ohne ihre Pässe und Führerscheine.

Das Vergehen der Senioren: Sie spielten Bridge.

Ihre Einlassung, Geld sei nicht im Spiel gewesen und Bridge ein Sport, überforderte das Fassungsvermögen der thailändischen Ordnungshüter. Karten spielen zum Spass und ohne finanziellen Einsatz? Undenkbar. Zumal sich dann auch der justitiable Vorwurf des Glücksspiels in Luft auflösen würde.

Die Beamten mussten ihr Vorgehen öffentlich rechtfertigen. Unter den verschämt gesenkten Augenlidern ihrer Landsleute, die es keineswegs schätzten, dass der traditionell lädierte Ruf ihrer Polizei nun auch international untermauert wurde. Denn die Razzia-News waren mit Netzgeschwindigkeit um die Welt gereist. Falls die Uniformierten um ein wenig PR bemüht waren: Voilà. Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass auch Pattayas Ruf als Sin City Erwähnung fand. Dort warten derzeit ca. 600 ungeklärte Fälle auf ihre Lösung. Darunter so marginale Delikte wie Drogenschmuggel, überhöhte Taxipreise, Betrügereien an  Geldautomaten oder beim Jet-Ski-Verleih.

Den wichtigeren Einsatz gegen die Bridge-Senioren begründete die Polizei schliesslich mit einem in Würde verstaubten Gesetz von 1943: Es verbietet den Besitz von mehr als 120 unlizenzierten Spielkarten.

Die ernste Seite einer skurrilen Anekdote

So weit die skurrile Seite einer Anekdote, die für die Betroffenen eher traumatisch ausfiel. Barry Kenyon, Präsident des Jomtien und Pattaya Bridge Clubs, sprach in seinem Leserbrief an die "Bangkok Post" von einer "schrecklichen und erniedrigenden Behandlung" durch die Ordnungskräfte.

Mitspieler Jeremy Watson, 74, lebt seit 1969 in Thailand und ist seit 15 Jahren Club-Mitglied. Die Polizei identifizierte ihn als Kopf der "Operation", wofür er 10'000 Baht Strafe zahlen musste. Dazu kamen noch einmal 140'000 Baht für den Besitz von mehr als 150 "unversteuerten" Kartenspielen. Nach eigener Aussage bot ihm die Polizei an, "gegen die Zahlung von 150'000 Baht sofort frei zu sein.“ Soviel, so Mr. Watson, habe er nicht bei sich: "Daraufhin senkten die Beamten den Betrag auf 50'000." Watson musste bis fünf Uhr morgens auf dem Revier bleiben.

"Der Tourismus hat Schaden genommen"

Zu den grossen Bridge-Liebhabern zählt Unternehmer-Ikone Warren Buffett. "Bridge ist ein so sensationelles Spiel, dass es mir egal wäre, im Gefängnis zu sein, wenn ich drei Zellengenossen hätte, die das Spiel gut beherrschen." In Pattaya könnte sein Wunsch in Erfüllung gehen. Und die Stadt ist, ganz nebenbei, eines der beliebtesten Ziele internationaler Bridge-Touristen. Bisher zumindest.

Sagte ich Bridge-Touristen?

10'000 Bridge-Reisende brechen alljährlich nach Thailand auf, weiss Khunying Chodchoy Sophonpanich: "Am Tag wollen sie Sonne, Meer, Strand. Dann spielen sie Bridge von vier Uhr am Nachmittag bis acht Uhr abends. Anschliessend geniessen sie ihr Dinner, gefolgt von ein wenig Shopping und Schlaf."

Frau Sophonpanich muss es wissen. Sie ist Präsidentin des Asiatisch-Pazifischen Bridge-Verbandes und aktuell Telefon-Seelsorgerin für verunsicherte Bridge-Spieler, denen Thailand gerade suspekt geworden ist. "Das Ganze ist schlecht für unser Image", meint die Präsidentin, "erstens stellt es unser Land in ein schlechtes Licht. Zweitens glaubt die Welt nun, wir wüssten nicht, was Bridge ist. Und drittens schadet der Vorfall dem Tourismus."

Noch ist der Fall nicht beendet. Zwar erhielten die Senioren ihre Pässe zurück und auch die Führerscheine. Doch die Kaution noch nicht. Erst muss ein Richter entscheiden, ob die Angelegenheit als Straftat verfolgt wird. Die Entscheidung soll bis Ende Februar fallen.

(BLI)