Destinationen

Für Familienferien im Sommer oder Herbst eignet sich die Schweizer Alpenwelt wie hier im Engadin genauso gut wie eine Playa in Mallorca. Bild: ESTM / Simon Ricklin

Einwurf «Ich vermisse das Engadin-Plakat im Reisebüro-Schaufenster»

Fredi Gmür

Tourismusprofi Fredi Gmür fordert einen Schulterschluss der Incoming- und Outgoing-Branche. Schweizer Reisebüros sollen jetzt Schweiz-Ferien verkaufen.

Noch in den 1980er-Jahren waren die Schweizer Reisebüros wichtige Partner der Schweizer Destinationen. Es war gang und gäbe den Alpenaufenthalt oder die Skiferien im Reisebüro zu buchen. Durch die Öffnung der Welt und immer neue Charterangebote auf Ferieninseln konzentrierten sich die Reisebüros vornehmlich auf Ferien im Ausland, bei denen ihre Beratungsqualität noch besser zum Tragen kam und die Umsätze höher waren.

Die Schweizer Hotellerie wiederum konzentrierte sich zusehends auf den Direktverkauf. Später kamen Online-Portale hinzu, die ihnen grossen Traffic und viele Buchungen bescherten. Ein Vertrieb über Reisebüros trat in den Hintergrund.

Am Sonntag lädt Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga Touristiker an den runden Tisch, um über Hilfsmöglichkeiten zu sprechen. Doch am Tisch werden nur Incoming-Touristiker sitzen, die Outgoing-Branche fehlt. Spätestens 2015 mit der Euro-Krise fand der Incoming-Bereich stärker zusammen und ballte seine Lobbying-Kräfte. Seither trifft man sich zu regelmässigen Sitzungen mit dem Seco, es wurden Steuerungsgruppen gebildet, bei der Tourismusstrategie des Bundes durfte man mitreden.

Doch wo sind die Outgoing-Touristiker? Dabei handelt es sich um die selbe Branche, wenn auch die zwei Tourismusbereiche sich auf einzelne Felder konzentrieren. Jetzt in dieser Ausnahmesituation gelten für alle ganz neue Spielregeln. Warum kann es zwischen den beiden Tourismusbereichen nicht zu einem Schulterschluss kommen?

Der Outgoing-Bereich mit Ferien im Ausland wird sich erst mittelfristig erholen. Ein neues gesellschaftliches Verhalten wird das Reisen in fremde Länder stark verändern - eine sehr schwierige Situation. Auf der anderen Seite wird die Incoming-Branche noch lange darauf warten müssen, bis der ausländische Gast zurückkehrt.

«In einer solchen Partnerschaft können beide Seiten profitieren»

Warum arbeiten die beiden Teilbereiche in dieser Zeit nicht zusammen? Schliesslich sind es nun Schweizer, die als erste wieder Ferien in der Schweiz machen können. Wenn ich durch die Schaffhauser Altstadt vorbei an fünf Reisebüros laufe, sehe ich in den Schaufenstern Plakate der Malediven und von Thailand. Ich vermisse Angebote nach Saas-Fee und ins Engadin.

Auch das Incoming, allen voran die bewirtschaftete Beherbergungsindustrie, müssten an einer Zusammenarbeit mit Reisebüros, die wiederum über Dutzende von ferienwilligen Stammkunden verfügen, interessiert sein. Denn Hotellerie und Parahotellerie sind beim Vertrieb in den letzten Jahren gewaltig unter Druck geraten und müssen den dominanten Buchungsportalen wie Booking Kommissionen von 18 und mehr Prozent abgeben. Ein Vertrieb über Reisebüros mit tieferen Kommissionen wäre für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Übrigens, ein Lösungsansatz bei einem Schulterschluss könnte ja heissen: der Bund übernimmt die Kommission oder Teile davon für jede vermittelte Buchung durch ein Reisebüro...

In dieser Partnerschaft können jedenfalls beide Seiten profitieren und gleichzeitig wäre dies auch dem Bund gegenüber ein Zeichen des Miteinanders. Und dazu müsste der Schweizer Reise-Verband am Sonntag ebenfalls am Tisch mit dem Bundesrat sitzen.

Für Reisebüros besteht jetzt die Chance, den Kunden Schweiz-Ferien anzubieten und so im Kontakt mit den Kunden zu bleiben. Sobald eine Öffnung da ist, können sie auch wieder Auslandferien ins Regal stellen und dem Kunden, mit dem sie im Kontakt geblieben sind, diese auch wieder anbieten. Da gibt es sehr viele Synergien, die man weiterdenken müsste, statt zu verzweifeln. Jetzt sollten Reisebüros nach vorne schauen und neue Wege suchen. Jede Krise ist eine Chance und öffnet neue Türen.