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Die Forderungen einzelner Branchen an den Bund werden immer lauter und forscher. Bild: Swiss-Image / André Meier

«Wir fordern einen konkreten Plan!»

Gregor Waser

Auf den massiven Zusammenbruch im Schweizer Tourismus reagieren die touristischen Player mit einem gemeinsamen Brief an den Bundesrat und verlangen Klarheit und Planungssicherheit. Nicht mit von der Partie ist die Outgoing-Branche.

Dass der Schweizer Tourismus in den Seilen hängt, ist in Bern angekommen. Am gestrigen «Point de Presse» sprach Eric Jakob, Leiter der Direktion für Standortförderung im Seco, deutliche Worte: «Die Umsätze im Tourismus liegen im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 95 Prozent tiefer. Auf das ganze Jahr gerechnet dürfte der Umsatzrückgang 35 Prozent betragen». Nun prüft das Seco Impulsprogramme. «Zuerst geht es ums Überleben, dann ums Investieren», sagte Jakob.

Ob diesen Sommer Ferien in der Schweiz möglich sind oder nicht, hängt noch in der Schwebe. Auch der Tourismus und die Gastronomie müssen sich einfügen in den Plan des Bundesrats mit den drei Lockerungsschritten. Gesundheitsminister Alain Berset warnte bei einem Besuch in Graubünden vor einer zu raschen Lockerung der Corona-Massnahmen im Tourismus und in der Gastronomie.

Das Seco rechnet in der zweiten Jahreshälfte mit einer «zögerlichen», im nächsten Jahr mit einer «allmählichen» Erholung. Weltweit werde es wohl erst im Jahr 2022 eine gänzliche Entspannung geben.

Protestbrief von elf Organisationen

Dass das Seco ein Impulsprogramm prüft – Schweiz Tourismus soll einen Zusatzkredit von 40 Millionen Franken erhalten – ist für die Schweizer Touristiker schön und gut, aber nicht genug. Dass bei den Lockerungsmassnahmen von letzter Woche die Gastronomie nicht einmal erwähnt wurde, bringt allen voran Gastrosuisse auf die Palme.

Heute findet sich nun in verschiedenen Schweizer Tageszeitungen ein offener Brief an den Bundesrat, unterzeichnet von mehreren Organisationen: Schweizer Tourismus-Verband, Gastrosuisse, HotellerieSuisse, Parhotellerie Schweiz, RDK, Seilbahnen, Snowsports, Pärke, VÖV, Schifffahrtsunternnehmen und VSTM. Die Outgoing-Branche sucht man in diesem Verbund vergeblich. Mit geballter Kraft fordern die elf Player den Bund, endlich Klarheit und Planungssicherheit zu schaffen:

Mit Bezug auf die am 16. April kommunzierte Lockerungsstrategie heisst es im offenen Brief: «Leider enthält diese Ausstiegsstrategie in Bezug auf die Tourismusbranchen teils schwer nachvollziehbare Beschlüsse, die Unsicherheiten sowie wirtschaftliche Diskriminierung schaffen. Dadurch werden gewisse Dienstleistungsbranchen in ihrer Existenz bedroht. Die Tourismusbranche mit hunderttausenden Beschäftigten und als wichtiger Pfeiler der Wertschöpfung, fühlt sich vom Bundesrat im Stich gelassen.»

Der Bundesrat soll jetzt einen konkreten Plan für gastgewerbliche Betriebe und touristische Infrastrukturen definieren. Die aktuelle Verunsicherung sei Gift für die Branche.

Mit vollen Rohren Richtung Bern

Einmal mehr bleibt unverständlich, dass die Outgoing-Branche bei einem solch geballten Auftritt und Protestbrief nicht auch mit von der Partie ist. Schliesslich ist auch der Schweizer Reise-Verband (SRV) Mitglied bei der federführenden Dachorganisation Schweizer Tourismus-Verband (STV), die mit Nicolo Paganini einen neuen, tatkräftigen und gesprächsbereiten Tourismusprofi an der Spitze hat. Ob es überhaupt Kontakte zwischen dem SRV und dem STV in jüngster Zeit gegeben hat, ist nicht bekannt.

Derzeit wird jedenfalls aus allen Branchen mit vollen Rohren Richtung Bern geschossen respektive nach Hilfe angefragt. Unzimperlich klopft etwa die Luftfahrtbranche in Bern an und spricht von 190'000 betroffenen Mitarbeitern. Im «Tages-Anzeiger» wird diese Zahl deutlich in Frage gestellt. Denn direkt betroffen seien nur 67'000. Silas Hobi, Geschäftsleiter der Umweltorganisation Umverkehr sagt dazu: «Es ist dreist, Migros- und Coop-Verkäufer zu den direkt von der Flugbranche abhängigen Arbeitsplätzen zu zählen, nur weil die entsprechenden Geschäfte auf dem Flughafenareal lägen.»

Und dann folgt noch eine Anmerkung, die der Outgoing-Branche zusätzlich zu denken geben dürfte. Der Bericht der Luftfahrtbranche, moniert Hobi, blende zudem aus, dass der Flugverkehr Millionen Schweizer Touristen ins Ausland weglocke und die Schweizer Tourismusindustrie um Einnahmen bringe.

Sozusagen als Hemmschuh für das Wohlergehen des Tourismus in der Schweiz wurde die Outgoing-Branche noch kaum je hingestellt. Machen jedenfalls solche Aussagen und Gedanken in Bern die Runde, wäre es umso nötiger, die Stimme der Outgoing-Branche in Bern zu stärken.