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DZT-Direktor Harald Henning hält wenig von Plexisglaswänden am Strand: «Ein Strandkorb ermöglicht das Social Distancing genauso». Bild: TN

«Geschäfts, Kultur- und Städtereisen werden durch die Krise stark beeinträchtigt»

Gregor Waser

Die Deutsche Zentrale für Tourismus arbeitet derzeit «auf Sicht» für den Zeitpunkt des «Recovery». DZT-Schweiz-Chef Harald Henning nimmt im Interview Stellung zu den aktuellen Herausforderungen im Reiseland Deutschland.

Herr Henning, wie haben Sie und ihr DZT-Team die letzten Wochen erlebt?

Harald Henning: Wie die gesamte Branche, wurden auch wir von einem Tag auf den anderen vor gewaltige Herausforderungen gestellt. Schon vor der Krise waren wir mit digitalen Kommunikationstools, wie z.B. Skype for Business, bereits eng verknüpft. Die Solidarität und gegenseitige Unterstützung im Team ist noch stärker geworden. Wir wollen in diesen herausfordernden Zeiten für unsere Partner und Freunde in der Schweiz und in Deutschland eine Stütze zu sein, diese Krise gemeinsam bestmöglich zu meistern. Wir arbeiten motiviert und «auf Sicht» für den Zeitpunkt des «Recovery».

Was haben Sie bei der Schlagzeile «Deutschland schliesst die Grenzen zur Schweiz» gedacht?

Niemand liest so etwas gerne. Schon gar nicht wir Touristiker, die für das freie Reisen werben und uns dafür einsetzen. Hier ist unser Grundbedürfnis des «Reisens» allerdings der Situation hintenanzustellen, unser jeweiliges Gesundheitssystem in unseren Ländern nicht zu überlasten und dem Virus eine Verbreitung zu erschweren. Die Grenzen für den Tourismus werden sich wieder öffnen. Wie schnell das geschieht und in welcher Form wird auch davon abhängen, wie wir zukünftig eigene und externe Massnahmen finden, das exponentielle Risiko von Virusübertragungen und Übertragungsketten zu minimieren.

Wie steht es um die Überlebenschancen der deutschen Beherbergungsindustrie?

Die Lage ist wegen des Lockdowns natürlich sehr angespannt und der Branchenverband DEHOGA warnt davor, dass etliche Betriebe in ihrer Existenz gefährdet sind. Die deutsche Bundesregierung und die Länder arbeiten von Anfang an mit Hochdruck an unterstützende Massnahmen, auch für die Tourismusindustrie, um der Branche schnell und möglichst unbürokratisch durch diese Durststrecke zu helfen.

Welche langfristigen Schäden könnte die aktuelle Krise an deutschen Ferienzielen verursachen?

Unsere bislang sehr erfolgreichen Bereiche Geschäftsreisen sowie Kultur- und Städtereisen werden sicher durch die Corona-Krise für eine Weile stark beeinträchtigt sein. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln und erarbeiten wir derzeit innovative Massnahmen und Modelle im Deutschlandtourismus für die Zeit des «Recovery». Lernen, analysieren, Chancen eruieren, planen, umsetzen. Marketing war schon immer auch eine möglichst schnelle Anpassung an sich konstant verändernden Rahmenbedingungen. Dafür sehe ich das Reiseland Deutschland mit ihren touristischen «Assets» auch zukünftig sehr gut positioniert.

«Es gilt neue Modelle zu entwickeln, wie Reiseströme in urbanen Gebieten gesteuert werden können»

Mit welchen Reiseszenarien arbeitet die Deutsche Zentrale für Tourismus? Wann könnte der inländische und internationale Tourismus wieder losgehen?

Wir gehen derzeit davon aus, dass sich in der zweiten Jahreshälfte in Bezug auf die aktuellen Reisebeschränkungen, etappenweise Lockerungen ergeben werden. Dann müssen wir schauen, wie hat sich unsere Tourismusinfrastruktur in Deutschland verändert. Nach der Ankurbelung des Inlandtourismus wird es voraussichtlich vor allem Individualreisende aus Europa nach Deutschland ziehen. Das gilt hoffentlich auch für Schweizerinnen und Schweizer, die ja allein letztes Jahr in Deutschland über sieben Millionen Übernachtungen generiert haben. Bei den Überseemärkten wird es voraussichtlich frühestens 2021 zu einer Wiederbelebung kommen.

Welche deutschen Reiseziele dürften als erste wieder auf touristisches Interesse stossen?

Wir werden unsere potenziellen, zukünftigen Gäste, als auch die bestehenden Deutschland Stammgäste aus dem Ausland, noch in diesem Jahr an 3 verschiedenen Zeitpunkten befragen, wie sich ihr Reiseverhalten und Reiseinteresse durch das Virus möglicherweise verändert hat. Die erste Befragung im Mai 2020. Derzeit gehen wir davon aus, dass es die Reisenden vor allem in die Natur und ländliche Gebiete ziehen wird. Hier ist Deutschland mit seiner Vielfalt zwischen den Küsten und den Alpen sehr gut aufgestellt. Grundsätzlich bleiben natürlich auch unsere Metropolen und Städte sehr attraktiv. Hier gilt es jedoch verstärkt neue Modelle zu entwickeln, wie Reiseströme in den urbanen Gebieten mit deren höheren «Dichte» gesteuert werden können. Das gilt auch insbesondere für den Kulturbereich wie Opernhäuser, Veranstaltungen und Stadtführungen, um nur einige zu nennen.

Möglicherweise werden viele Deutsche in diesem Jahr Ferien in Deutschland verbringen. Sind insofern auch bereits Engpässe an gewissen Zielen zu befürchten?

Nein, schon immer haben über 70% der Deutschen ihren Urlaub im Inland verbracht. Die Frage stellt sich vielmehr, wie gesagt, in wie weit sich die touristische Infrastruktur, i.e. Beherbergungsbetriebe, verändert hat bzw. auch unter welchen Auflagen hier eine Belegung stattfinden wird und kann. Die touristische Infrastruktur in Deutschland war und ist hervorragend. Zudem ist Deutschland ein sicheres Land, das zeigt sich gerade jetzt auch im internationalen Länderranking während der Corona-Krise.

Was unternimmt die DZT aktuell, um während des Lockdowns mit den Kunden in Kontakt zu bleiben?

Mit unserer Kommunikationskampagne #DiscoverGermanyFromHome bündeln wir zurzeit alle unsere Social-Media-Aktivitäten weltweit. Unser Kernziel ist, inspirierende, empathische und zugleich informative Inhalte unterhaltsam und interaktiv zu gestalten sowie sich mit den potenziellen Deutschlandbesuchern von morgen auszutauschen. Ausserdem haben wir eine entsprechende Microsite lanciert, die dazu einlädt, virtuell auf Tour zu gehen und den Reisetraum Deutschland zu träumen.