Destinationen

Andreas Züllig (Präsident Hotelleriesuisse) und Martin Nydegger (Direktor Schweiz Tourismus) blickten an der heutigen Medienkonferenz auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Bild: TN

So viele Gäste wie noch nie – doch was jetzt?

Gregor Waser

Mit nahezu 40 Millionen Logiernächten im Jahr 2019 zieht Schweiz Tourismus eine Rekordbilanz. Die Fragezeichen um die Coronavirus-Krise prägen aber das neue Jahr. Mit bis zu 70 Prozent weniger Gästen aus China muss die Schweiz im schlimmsten Fall rechnen.

Auf überaus grosses Interesse stiess die heutige Jahres-Medienkonferenz am neuen Hauptsitz von Schweiz Tourismus (ST). Die Frage nach den Auswirkungen der Coronavirus-Krise brannte gegen 100 anwesenden Journalisten unter den Nägeln.

ST-Direktor Martin Nydegger begann sogleich mit einer Lageeinschätzung zur aktuellen Krise, die bereits am 24. Januar angefangen habe, als sich die Ausbreitung des Virus in China abzeichnete. «Wir verfügen über 33 Büros weltweit und unsere Taskforce hat für unsere Mitarbeiter und die einzelnen Märkte sogleich Empfehlungen und Prognosen erstellt – etwa: wie geht man mit Gästen um, mit Stornierungen, mit Visa-Extensions».

Noch seien die globalen Auswirkungen erst schwer abzuschätzen. Bereits konkretisiert hat eine ST-Taskforce die möglichen Auswirkungen aus Asien und insbesondere aus China.

Neben den ursprünglichen Erwartungen (blaue Kurve) geht ST in einem ersten Szenario von Einbrüchen im Bereich von 20 bis 30 Prozent in den nächsten vier bis acht Wochen aus (gelbe Kurve). Aber auch ein Worst-Case-Szenario ist erstellt (rote Kurve) – mit einem Rückgang chinesischer Gäste in diesem Jahr im Bereich von 60 bis 70 Prozent und einem anhaltenden Minus von 40 Prozent im Jahr 2021. Für das 1. Quartal 2020 erwartet Schweiz Tourismus einen Einbruch von 50 Prozent der chinesischen Logiernächte, was einem Ausfall von 20 Millionen Franken entspricht.

ST hat in diesen Tagen auch Partner befragt, wie diese die Situation einschätzen. Vorerst spricht die Hotellerie für den Monat Februar von einem Minus von 2 Prozent, die Seilbahnen rechnen von Minderfrequenzen von bis zu 5 Prozent.

«Nach dem Corona-Ausbruch in Norditalien rechnen wir damit, dass auch die Schweiz von einem Gästerückgang betroffen sein wird, weil viele Europa-Reisende mehrere Länder verknüpfen», sagte Martin Nydegger, eine Quantifizierung sei zum jetztigen Zeitpunkt aber nicht möglich. Aber auch eine mögliche globale Reiseangst müsse im Auge behalten werden – mit entsprechnder Eventualplanung, Ressourceneinsätzen, einer Verlagerung von Marketingschwerpunkten. Hier verwies Nydegger auf einen möglicherweise verstärkten Fokus auf die CH- und Europa-Märkte.

39,6 Millionen Logiernächte

Diese Sorgen um die nahe touristische Zukunft trüben bei Schweiz Tourismus und der Hotelleriesuisse den Blick auf das vergangene Rekordjahr. In diesem wurden nämlich so viele Hotelübernachtungen wie noch nie in der Geschichte des Schweizer Tourismus verbucht: annähernd 40 Millionen Hotellogiernächte und ein Plus von 1,9 %. Weitere Rekorde gab es sowohl für den Markt Schweiz als auch für alle ausländischen Herkunftsländer zusammen. Aus der Eurozone insgesamt stagnierten die Logiernächte jedoch.

Von den 39.6 Mio. Logiernächten stammen 17,9 Mio. aus dem Markt Schweiz (+2.9 %). Aus dem Ausland kamen 21,6 Mio. Hotelnächte zusammen (+1.1 %). Angesichts dieser Grosserfolge ist die Stagnation aus der gesamten Eurozone (8,8 Mio.) eher enttäuschend. «Dies macht einmal mehr deutlich, wie weit entfernt hier die stärksten Jahre der europäischen Gäste von 2008 (damals total 12,3 Mio.) heute noch immer sind», hielt Martin Nydegger fest. Immerhin zeichnete sich aus dem wichtigsten Auslandsmarkt Deutschland ein Prozent Wachstum ab.

Auch im neuen Jahr will ST auf einen ausgewogenen Märktemix setzen. Wieder werden in diesem Jahr drei Saisons gezielt vermarktet. Darüber hinaus werden neue Themenfelder und Zielgruppen für den Tourismus erschlossen. Sei es die Präsentation der Schweiz als Gourmet- und Foodie-Destination mit einer neuen Internetplattform mit rund 1’000 aktuellen Gastrotipps, sei es der Aufbruch zu neuen Ufern der digitalen Vermarktung wie etwa auf Tiktok, oder das Schnüren von neuen und originellen Convenience-Paketen wie Mountain Daytrip.

Die ursprünglichen Ziele festzuhalten, werde angesichts der aktuellen Krise schwierig, räumte Martin Nydegger ein, zeigte sich aber kämpferisch: «Der Tourismus kann das, wir sind eine agile und erfahrene Branche und sind zuversichtlich, dass wir das packen.»