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Das Tourismus-Desaster um China in Zahlen
Hysterie oder gerechtfertigte Vorsichtsmassnahme? Über die weltweiten Reaktionen auf die grassierende Coronavirus-Epidemie gehen die Meinungen weit auseinander. Gerade die Tourismusbranche tut sich schwer. Aus Outgoing-Sicht betrachtet ist in China aktuell nicht Hochsaison und ein gewisser Nachfragerückgang wäre verkraftbar - doch die Frage ist, ob nun andere (vorwiegend asiatische) Länder in Mitleidenschaft gezogen werden und ob es zu einem generellen Reise-Rückgang kommt. Und aus Incoming-Sicht betrachtet stellt sich natürlich die bange Frage, wie hoch der Rückgang aus dem für viele Länder wichtigen chinesischen Quellmarkt sein wird.
Nun kommen langsam Zahlen zusammen, welche das Ausmass zeigen. Nicht die stündlich wechselnden Zahlen der Toten (aktuell 361) oder Infizierten (aktuell über 17'000) sind hierbei aus Tourismussicht entscheidend, sondern die Auswirkungen auf die Reisetätigkeit.
Laut dem Portal OAG wurden seit Ausbruch die Flugkapazitäten um insgesamt 4,4 Millionen Flugsitze heruntergefahren - 3,8 Millionen im chinesischen Domestic-Flugverkehr und rund 600'000 Sitze im internationalen Flugverkehr. Im Vergleich zur Situation vor zwei Wochen, zu Beginn der Krise, werden allein diese Woche 25'000 Flüge weniger von/nach China durchgeführt. Insgesamt 30 Airlines haben Flüge nach China suspendiert, davon 24 sämtliche Flüge, was 48'000 Sitze innerhalb einer Woche ausmacht. Allein bei der Lufthansa Group sind es mehrere Tausend Sitze pro Woche, und dabei wird Hong Kong noch angeflogen.
Das Marktforschungsunternehmen Forward Keys hat zwei Reiseperioden im Zeitraum 10. Januar bis 6. Februar miteinander verglichen - eine mit Beginn vor der Coronavirus-Krise, die andere mit Beginn während dieser - und hat dabei den Nachfragerückgang über diese kurze Zeitdauer analysiert. Dabei wurde einerseits betrachtet, wie sich die Flugbuchungen aus China heraus in viele Weltregionen entwickelt haben, und umgekehrt wie es mit Flugreservationen aus aller Welt nach China ausgesehen hat. Starten wir mit dem Outbound-Geschäft:
Daraus wird ersichtlich, dass etwa die Reisetätigkeit der Chinesen nach Europa am 19. Januar noch bei einem Plus von 10,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr lag, per 26. Januar aber bereits auf noch +0,5 Prozent zurückgefallen war. Am stärksten betroffen sind aber die Nachbarländer Chinas; in der Region Asia-Pazifik ist man von Minus 1,3 auf Minus 15,1 Prozent gegenüber Vorjahr zurückgefallen - wohlbemerkt innert Wochenfrist. Der Rückgang aus China ist also innerhalb einer Woche massiv zurückgegangen, mit Auswirkungen im zweistelligen Prozentpunkt-Bereich - und die Situation hält ja noch an.
Im Geschäft mit Reisen nach China sieht es ähnlich aus:
Die Rückgänge aus Nord-/Südamerika, Europa und Asien-Pazifik sind gigantisch für einen so kurzen Zeitraum. Von einem Plus ist man innert weniger Tage in ein massives Minus geraten.
Die Rückgänge der Reisetätigkeit sind, global gesehen, wohl die stärksten je in einem so kurzen Zeitraum gemessenen, zumindest in Zusammenhang mit einer Epidemie. Bei der SARS-Krise 2003 waren die Auswirkungen mehr regional, die Ebola-Krise traf eigentlich nur afrikanische Länder.
Die Bereitschaft, schon nur in ein Flugzeug zu sitzen mit anderen Personen, die möglicherweise infiziert sind, nimmt ab. Die Festsetzung eins Costa-Schiffes oder auch das Ausrufen des Pandemieplans am Flughafen Zürich - in beiden Fällen handelte es sich um herkömmliche Grippesymptome - zeugen von der Nervosität der Transportunternehmen wie auch von deren Passagieren. Natürlich gibt es wie immer auch einige «Gewinnler» - so geht etwa Ryanair davon aus, dass sich die globale Reisetätigkeit verstärkt auf lokale Tätigkeit verschieben wird, also dass weniger interkontinental und mehr kontinental geflogen wird - was einem kontinentalen Player wie Ryanair natürlich entgegenkommt.