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Der Aufstieg auf den Uluru ist ab dem 26. Oktober 2019 nicht mehr erlaubt. Bild: Romain Pontida

Endspurt der Unbelehrbaren

Urs Wälterlin, Sydney

Ab Samstag ist Schluss: der weltbekannte Berg Uluru in Zentralaustralien darf nicht mehr von Touristen bestiegen werden. In den letzten Tagen gab es noch einen Endspurt – von Ignoranten, wie Kritiker meinen.

Auch in den letzten drei Tagen vor der Schliessung des Aufstiegs auf den Uluru standen sie noch Schlange: hunderte Menschen, die entgegen des Wunsches der Ureinwohner darauf beharrten, auf den 348 Meter hohen Berg zu klettern. Schulfreunde Jeff Lis, 52, und Stefan Gangur, 51 hatten ihre Ehefrauen in Melbourne zurückgelassen, für ihre erste Reise ins Rote Zentrum. «Ich kann mich daran erinnern, dass ich als Kind immer gesagt hatte, dass ich eines Tages klettern werde.... jetzt, da sie den Aufstieg schliessen, dachten wir, wir sollten hierherkommen, während wir noch relativ mobil sind», so Lis zur Nachrichtenagentur AAP. Die Temperatur sollte an dem Tag 36 Grad übersteigen. So ist der Aufstieg auf den früher als Ayers Rock bekannten Berg nur zwischen 7 und 8 Uhr erlaubt – ein kleines Zeitfenster für die letzten Verbissenen.

Verbissen müssen die Kletterer sein, schon allein wegen der Anstrengung. Es gibt zwar eine Kette, an der man sich hochziehen kann. Der Aufstieg ist aber gefährlich, mindestens 37 Menschen sind in den letzten Jahren gestorben. Absturz. Herzschlag, Hirnschlag, Sonnenstich. Vor ein paar Tagen fiel ein 12jähriges Mädchen und stürzte 30 Meter in die Tiefe. Es kam mit einem gebrochenen Finger und Schürfungen davon.

Die Kletterer machen den Aufstieg entgegen den ausdrücklichen Wünschen der lokalen Anangu – Ureinwohner. Auf grossen Schildern am Fuss des Berges bitten die Aborigines, das Besteigen zu unterlassen. Aus Gründen der Sicherheit – die traditionellen Besitzer des Landes fühlen sich für das Wohlergehen von Besuchern verantwortlich – und aus Respekt vor ihrer Kultur. Für die Ureinwohner ist der Berg heilig. Nur speziell initiierte Männer dürfen hochklettern – und auch das nur zu ganz besonderen Gelegenheiten. Viele Formationen am Felsen sind strikt tabu. Höhlen etwa, in die Frauen zum Gebären gingen, Jungen zur Beschneidung. Diese Orte dürfen auch von Touristen nicht fotografiert werden.

Der Aufstieg ist wie «Klettern auf eine Kirche»

Verboten aber war der Aufstieg bisher nicht. Nachdem den Anangu 1985 von der Regierung nach fast 200 Jahren Enteignung das Besitzrecht an ihrem Land zurückgegeben worden war, liessen sie den Nationalpark Uluru-Kata Tjuta von einem Aufsichtsrat verwalten, der von der Tourismusindustrie dominiert war. Erst 2017 kamen die Aborigines mit ihrem Wunsch nach der Schliessung des Aufstiegs durch. Die Ureinwohner hätten sich «über Jahre gefühlt, wie wenn uns eine Pistole an den Kopf gehalten würde, damit wir den Aufstieg weiter erlauben», meinte damals der Stammesälteste Sammy Wilson. Reiseveranstalter und Tourismusbehörden hatten über Jahre behauptet, Zentralaustralien würde an Attraktivität verlieren, wenn der Klettergang nicht mehr möglich ist. Umfragen zeigen, dass heute nur noch eine Minderheit der Besucher klettern wollen. Die meisten Touristen wandern um den Uluru, ein einfacher Spaziergang von zehn Kilometern Länge.

Jene, die unbedingt nochmals klettern wollen, müssen sich in Internetforen vorwerfen lassen, «Ignoranten» zu sein, ja Rassisten. Auf einige der Befragten trifft diese Kritik wohl zu – ganz besonders Australier. Sie bestehen auf ihr «Geburtsrecht», den Uluru besteigen zu können. In Radioprogrammen äussern sich Kletterer regelmässig abschätzig über die Ureinwohner. «Der Berg gehört genauso mir wie denen», so ein junger Mann. «Ich bin in Australien geboren, also bin ich auch Eingeborener».

Paul Newcombe dagegen hatte erst klettern wollen, entschied sich dann aber dagegen – aus Respekt vor den Wünschen der indigenen Besitzer. Er erzählte dies, während er darauf wartete, dass seine Frau und seine beiden Töchter vom Klettern zurückkamen. Er habe in seiner Jugend mit Aborigines Fussball gespielt. Er verglich den Aufstieg dem «Klettern auf eine Kirche». Die Kritikerin Laura McBride hatte auf Twitter harte Worte für die Horden von Endspurt-Kletterern: «Eine Masse von moralisch und ethisch bankrotten Leuten. Jemand nahm sogar ein Kleinkind mit hoch, um bereits der nächsten Generation zu lehren, was Ignoranz ist».