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Die Ausschreitungen in Chile haben zwar zu besorgten Telefonen, bislang aber zu keinen Annullierungen geführt. Bild: Adobe Stock

Was ist bloss in Südamerika los?

Proteste in Chile und Ecuador, Säbelrasseln zwischen Venezuela und Kolumbien, Proteste in Bolivien: Der Subkontinent kommt derzeit nicht aus den Schlagzeilen. Kennerin Gaby Stauffer (Dorado Latin Tours) erklärt, weshalb man dennoch beruhigt nach Südamerika reisen kann.

Südamerika kommt aktuell nicht aus den Schlagzeilen heraus: Ausschreitungen in Chile, Barrikaden in Bolivien, Militäraufmarsch an der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela, Proteste in Ecuador. Für einen Subkontinent, der nur 12 Länder zählt, sind interne Spannungen in gleich fünf davon doch ungewöhnlich. Die Gründe dafür sind mannigfaltig - generell kann man wohl sagen, dass es in der Mittelklasse nach einer relativ guten Periode nun mit einer anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation zu Unruhen gekommen ist, dass viel Missmut gegenüber Korruption und politischem Geplänkel nun offen ausbricht, und möglicherweise auch, dass Protestbewegungen wie jene in Hong Kong oder auch in Paris (Gelbwesten) als Katalysatoren gewirkt haben, bzw. dass die ersten Proteste in Ecuador selber eine Art Dominoeffekt auf weitere südamerikanische Länder gehabt haben. Der zunehmende «Weltschmerz» sorgt an sehr vielen Orten für ähnlich gelagerte Proteste.

Natürlich verfolgt die Reisebranche die Entwicklungen besorgt. Travelnews hat sich mit Gabriela Stauffer, Geschäftsführerin des Lateinamerika-Spezialisten Dorado Latin Tours (Bild rechts), dazu unterhalten. Sie erklärt: «Nach drei Jahren mit kontinuierlichem, gutem Wachstum bereitet uns diese aussergewöhnliche Situation schon etwas Sorgen. Wir haben zwar das eine oder andere Telefon von Kunden erhalten, jedoch bislang noch keine einzige Annullierung.» Natürlich ist es so, dass das EDA bislang auch noch keine Reisewarnungen ausgesprochen hat und deshalb herkömmliche Annullationsbedingungen gelten. «Wir haben beispielsweise einigen Kunden, welche in Santiago de Chile waren, eine Umbuchung in ein Hotel beim Flughafen statt im Stadtzentrum nahegelegt - das konnte günstiger sein, da gaben wir die Differenz zurück, das konnte auch teurer sein, da musste der Kunde die Kosten tragen», sagt Stauffer - wesentlich sei, für den Kunden da zu sein und ihn im Bedarfsfall kompetenz zu beraten.

In diesem Zusammenhang weist Stauffer auf den 24/7-Support hin, welcher den Kunden gewährleistet wird. Es ist ständig jemand auf Telefonpikett und hilft bei Problemen weiter - mit Zeitdifferenzen von in der Regel 5-7 Stunden, teils auch mehr (Galapagos) keine Selbstverständlichkeit. Aber eben auch ein Service, mit welchem man sich differenziert. Gerade Südamerika-Reisen erfordern noch überdurchschnittlich viel Beratung und Dienstleistung, was ja dem Spezialisten entgegenkommt.

Zentralamerika und Randregionen profitieren

Ist denn die langfristige Nachfrage bedroht? Zum einen glaubt Stauffer, dass es bald schon wieder zu einer Beruhigung kommen wird. Über die Proteste in Ecuador wird schon jetzt kaum mehr gesprochen; zeitweise mussten zwar Reiserouten geändert werden, doch nun scheint Ecuador zumindest medial nicht mehr im Fokus zu stehen. Und die Galapagos waren ohnehin nie betroffen. Die Schliessung der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela am 23. Oktober sollte ebenfalls kein grösseres (operatives) Problem sein: Zum einen gibt es schon seit geraumer Zeit praktisch keine Nachfrage für Venezuela mehr, währenddem in Kolumbien das Grenzgebiet zu Venezuela ohnehin wegen wieder aufflammenden Konflikten mit den FARC-Rebellen gemieden wird.

Vor allem aber erinnert Stauffer daran, dass Südamerika ein riesiger, vielfältiger Kontinent ist und sich die Probleme primär auf städtische Zonen beschränken: «In Chile waren vor allem Santiago, Valaparaiso und Concepcion betroffen. Das sind aber lediglich Gateways. Reisende in die Atacama-Wüste oder zum Nationalpark Torres del Paine waren nie betroffen, bekamen gar nichts mit.» Es gebe genügend Möglichkeiten, die Länder störungsfrei zu bereisen - und die Meidung grösserer Menschenansammlungen ist sowieso immer Pflicht, auch in anderen Ländern und Kontinenten. «Sicherheit ist ein abstrakter Begriff - es gab ja schliesslich im letzten Jahr in Europa Terroranschläge in Nizza oder Barcelona, über die schon keiner mehr spricht», führt Stauffer aus. Gleichzeitig erinnert sie daran, dass aktuell Costa Rica oder auch die touristischen Regionen von Mexiko absolut sicher sind und möglicherweise profitieren könnten.

Aktuell ist für Südamerika Hochsaison und es sind über 100 Kunden in Südamerika unterwegs, weshalb man natürlich etwas mehr Aufmerksamkeit den Geschehnissen gibt und für die Kunden da zu sein versucht. Ob sich etwas bei der Nachfrage ändert, muss sich noch zeigen. Südamerika-Reisen werden generell 3-9 Monate im Voraus gebucht; bislang kommen immer noch Buchungen herein. Entscheidend wird auch hier sein, wie sich die Situation entwickelt: Sind die Proteste eine Art Katharsis, ein «südamerikanischer Frühling», der zu einer Verbesserung der Lage führt, oder werden diese lokalen Revolutionen verpuffen und deshalb möglicherweise immer wieder aufflammen? Das weiss keiner. Doch Gaby Stauffer ist zuversichtlich, dass «ihr» Kontinent weiterhin ein attraktives Reiseziel darstellt.

(JCR)