Destinationen

Lieferten sich ein Wortgefecht, posierten dann aber freundschaftlich, von links: Markus Moser (Chef der Corvatsch AG), Andreas Steibl (Tourismusdirektor von Ischgl), Urs Zurbriggen (designierter CEO MyLeukerbad) und Rainer Flaig (CEO der Bergbahnen Andermatt-Sedrun). Bilder: TN

Heisse Köpfe um dynamische Bergbahnpreise

Gregor Waser

Am gestrigen Podiumsgespräch des Swiss Travelwriters Club gingen die Wogen hoch. Bergbahnbetreiber verteidigten ihre beweglichen Preismodelle und wehrten sich gegen Vorwürfe von «Preisdumping» und «Markenbeschädigung».

Die Erfinder der «Saas-Fee Wintercard» sassen auf der Bühne. Rainer Flaig (heute CEO der Bergbahnen Andermatt-Sedrun) und Urs Zurbriggen (ab 1.11. CEO MyLeukerbad). Sie lancierten 2016 in Saas-Fee die 222-Franken-Saisonkarte und lösten im Schweizer Alpenbogen eine Lawine aus. Mittlerweile warten fast alle Schweizer Bergbahnen mit flexiblen Preisen auf oder haben sich Abo-Verbünden angeschlossen.

Geraten die Preise nun vollends ins Rutschen? Bringt dies auch mehr Gäste auf die Piste? Und wie sieht die Rechnung bei den Bahnen aus? Der Swiss Travelwriters Club (STC) lud zur Beantwortung dieser Fragen zum Bergbahnen-Talk ins Savoy Hotel Baur en Ville nach Zürich. Die STC-Vorstandsmitglieder Valeria Mella und Dominik Buholzer moderierten; auf der Bühne vertreten waren auch Markus Moser (Chef der Corvatsch AG) und mit Verspätung Andreas Steibl (Tourismusdirektor von Ischgl).

Frühbucher werden belohnt

Markus Moser musste gleich mal den letztjährigen Tageskarten-Rekordpreis von 105 Franken verteidigen. «Das war ein Ausreisser nach oben. Das Wetter an einem der Weihnachtstage war top, die Schneeverhältnisse ebenfalls und die Gäste waren bereit, diesen Preis zu bezahlen», erläuterte er den Mechanismus. Gleichzeitig unterstrich er, dass Frühbucher eben auch belohnt würden, solche hätten bloss 45 bis 52 Franken bezahlt.

Nach drei Jahren haben sich die Saastal Bergbahnen AG (neu zur österreichischen Schröcksnadelgruppe gehörend) bekanntlich von der Wintercard getrennt und sich dem Westschweizer Magicpass angeschlossen. Urs Zurbriggen verteidigte aber die Wintercard-Preisstrategie und verwies darauf, dass die Destination, insbesondere die Hotellerie und die Ferienwohnungsbetreiber, von der Aktion enorm profitiert hätten.

Rainer Flaig erwähnte, dass sich die Skifahrer-Tage in Saas-Fee von 3,2 (vor der Wintercard) auf 4 Tage gesteigert hätten. Trotzdem sei es zu einer Win-/Lose-Situation gekommen, mit den Bergbahnen auf der Loser-Seite. Es habe der Finanzausgleich zwischen Destination/Beherbergung und den Bergbahnen gefehlt. Welche künftigen Massnahmen er nun in Andermatt geplant habe (hier befinden sich alle Player unter einem Dach) liess Flaig noch offen. Kritik bei Mitbewerbern löste in Andermatt jedenfalls die 10-Franken-Tageskarte im letzten Jahr aus. Eine bemerkenswerte Neuheit liess Flaig en passant fallen: «Wir werden neu das Mineralwasser in unseren Gastronomie-Betrieben gratis offerieren». Den Liter Wasser den Schneesportlern für 6 bis 8 Franken abzugeben, sei unangemessen.

Preisspirale nach unten

Dann betrat Andreas Steibl den Savoy-Saal – er steckte im Stau und witzelte, er habe auf dem Paradeplatz noch Ischgl-Flyers verteilt. Die Diskussion wurde nun deutlich angeheizt. Auf das dynamische Pricing der Schweizer Bergbahnen angesprochen, warf der seit 18 Jahren amtierende Tourismusdirektor den Schweizer Destinationen «dynamisches Verschleudern» vor. «Unter diesen neuen Preismodellen leiden alle, sie lösen eine Spirale nach unten aus. Die Marke Schweiz wird doch so beschädigt!»

Dies liess Markus Moser so nicht stehen: «Dynamic Pricing ist keine Billigstrategie. Die Bergbahnen brauchen ein neues Modell. Österreich hatte das Glück, stets die Preise steigern zu können.» Den Erfolg neuer Preismodelle unterstrich Urs Zurbriggen: «Trotz der Einführung neuer Saison-Abos ging die Anzahl der Tages- und Wochenkarten nicht zurück». Und Flaig salopp: «Plötzlich sehen wir auf den Pisten wieder die grellen Anzüge der 80er- und 90er-Jahre». Es zeichne sich ein Comeback ehemaliger Skifahrer ab.

Diskutierten im Savoy Hotel Baur en Ville die dynamischen Preise der Bergbahnen, von links: Markus Moser, Rainer Flaig, Valeria Mella, Dominik Buholzer, Urs Zurbriggen und Andreas Staibl.

Für die rund 60 Teilnehmer des STC-Events war bald klar: zwischen den Bergbahnen der Schweiz und jenen Österreichs herrscht derzeit dicke Luft. Rainer Flaig bezifferte die Anzahl Schweizer, die pro Saison in Tirol skifahren auf 60‘000 – ein Blick auf die offizielle Statistik zeigt sogar noch deutlich höhere Zahlen: In der Wintersaison 2018/19 verzeichnete das Tirol 302'272 Schweizer Gästeankünfte mit insgesamt 1'259'599 Übernachtungen. Offensichtlich bangen Destinationen wie Ischgl derzeit um diesen stolzen Anteil.

Die preisagressiven Vorstösse der Schweizer Bergbahnen hinterlassen jedenfalls ihre Spuren. Andreas Steibl – fast so angefressen wie ORF-Reporter Armin Assinger, wenn Abfahrer Beat Feuz in Kitzbühel den Einheimischen Hannes Reichelt vom Stockerl stösst – verwies erneut auf die Bedeutung der Marke und dass es diese nicht zu verwässern gelte. In Ischgl wisse der Gast, was ihn erwartet: Qualität auf der Piste, ein unschlagbares Nachtleben und top Gastronomie. Um anzufügen: «Für Familienferien stehen wir weniger. Bei uns werden die Kinder gezeugt, die Familien gehen dann später nach Serfaus oder Arosa».

Was Rainer Flaig entgegnen liess: «Es ist gut so, dass die Schweizer Bergbahnen nach schwierigen Jahren aufgeschreckt sind. Und wir nehmen die Kinder gerne auf, die in Ischgl gezeugt wurden», lachte er. Dynamic Pricing sei aber nur ein Puzzle-Teil, um wieder erfolgreich zu sein.