Destinationen

Touristenmassen, wohin man schaut (hier in Paris beim Sacré-Coeur): Beliebte Städte müssen klare Strategien haben, um den Touristenflow im Griff zu behalten. Bild: JCR

Hier droht als nächstes Overtourism

Der World Travel & Tourism Council hat 20 Städte identifiziert, welche in den kommenden Jahren ohne massgebliche Regulierung stark unter Overtourism leiden könnten – aber auch Städte definiert, welche weiteres touristisch Wachstum problemlos absorbieren können.

Venedig, Barcelona, Dubrovnik, Paris - diese Städte werden im Zusammenhang mit «Overtourism» immer wieder als Beispiel angeführt. Dabei sind sie längst nicht die einzigen, welche unter dem Phänomen leiden: Google hat gemeinsam mit Responsible Travel, basierend auf Berichten aus unterschiedlichsten Medien, eine «Overtourism-Weltkarte» kreiert, die ein ziemlich düsteres Bild zeichnet und 98 Ziele in 63 Ländern als von Overtourism belastet sieht. Die EU geht ihrerseits davon aus, dass 105 Destinationen allein in Europa unter Overtourism leiden.

Wie auch immer man Overtourism definiert: Längst ist klar, dass die globale Reisetätigkeit angesichts der wachsenden Mittelklassen in Riesenländern wie China oder Indien sowie angesichts anhaltend tiefer Flugpreise und besseren Flugverbindungen hoch bleiben wird. Die Frage ist also nicht, ob gereist wird, sondern ob beliebte Ziele bereit sind, mit den zu erwartenden Touristenmassen umzugehen. Der World Travel & Tourism Council (WTTC) hat deshalb eine Studie namens «Destination 2030» publiziert, der den Vorbereitungsgrad von Städten in 50 Märkten anhand von 75 Kriterien beurteilt hat.

Dabei wurden fünf Kategorien kreiert, die wir nachfolgend in Kürze vorstellen - in absteigender Reihenfolge der Overtourismus-Problematik:

Managing Momentum

Städte, welche in vergangenen Jahren extremes Besucherwachstum vor allem im Leisure-Bereich verzeichnet haben, welches die an sich vorhandene Tourismus-Infrastruktur deutlich belastet, und welche bereits jetzt Massnahmen ergreifen, um Herr der Lage zu werden - mittels zusätzlicher Infrastruktur, der Promotion von Alternativen oder Zugangsrestriktionen. In diese Kategorie fallen einige «klassischen» Overtourism-Ziele, darunter Amsterdam, Barcelona, Paris, Prag, Rom, Stockholm, San Francisco, Vancouver oder Toronto.

Diese Städte müssen ihr Marketing nicht mehr darauf ausrichten, Besucher anzuziehen, sondern die Touristenmassen auseinanderzureissen, indem neue Angebote kreiert und die Nebensaisons gepusht werden.

Mature Performers

Das sind die Städte mit starker Nachfrage sowohl im Leisure- als auch im Business-Bereich, welche eine bestens etablierte Tourismus-Infrastruktur haben und aktuell noch die grossen Mengen an Besuchern relativ gut zu absorbieren wissen, aber bei weiter starkem Wachstum demnächst Massnahmen treffen müssen. Die Rede ist hier von New York, Miami, Las Vegas, Berlin, Dublin, London, Madrid, Seoul, Sydney oder Auckland.

Balanced Dynamics

Diese Städte sind primär finanzielle Hubs, die überdurchschnittlich viele Geschäftsreisende (im Verhältnis zu Leisure-Reisenden) anziehen und noch von Overtourism weitgehend verschont sind. Diese haben noch klares Wachstumspotenzial, ohne dass die herkömmliche städtische Struktur wesentlich tangiert wird. Beispiele hier: Chicago, Washington DC, Dubai, München, Tokyo, Osaka, Peking, Shanghai, Hong Kong oder Singapur.

Oder anders formuliert: Diese Städte sind am besten für kommendes Wachstum gewappnet.

Emerging Performers

Diese Städte haben bereits eine gute, aber noch ausbaufähige Tourismus-Infrastruktur und beginnen nun vermehrt, den Druck erhöhter touristischer Nachfrage deutlich zu spüren. Diese könnten möglicherweise nicht genügend gut vorbereitet sein und die nächsten Overtourism-Fallbeispiele werden: Dazu zählen Bangkok, Delhi, Ho-Chi-Minh-City, Jakarta, Istanbul, Kapstadt oder Mexico City.

Dawning Developers

Damit sind Städte mit einer relativ jungen, sich entwickelnden Tourismusstruktur gemeint, deren Besucherwachstum aktuell noch vergleichsweise tief ist und die somit noch Potenzial für touristisches Wachstum bieten - aber auf der Hut vor künftig starker Nachfrage sein sollten. Dazu zählt das WTTC etwa Manila, Mumbai, Chengdu, Kuala Lumpur, Moskau, Kairo, Riad, Bogota, Buenos Aires, Rio de Janeiro und Lima.

Sowohl bei den Städten im Bereich «Emerging» als auch bei «Dawning» seien Städte, die eben bereits gut nachgefragt sind, welche aber noch keine klare Tourismusstrategie haben. Es mangle an offiziellen Positionen, welche im Interesse der Öffentlichkeit eine Tourismusregulierung als Aufgabe haben, und/oder Tourismus finde in ökonomischen Wachstumsplänen noch kaum statt.

Fazit

Das Ziel der WTTC ist klar: Städte, die noch nicht so stark von Overtourism betroffen sind, sollen sich lieber heute als Morgen mit wachsender touristischer Nachfrage und damit zusammenhängenden Problemen auseinandersetzen. Laut der World Tourism Organization (WTO) der UNO wurden letztes Jahr 1,4 Milliarden internationale Touristenankünfte weltweit gezählt, was ein Wachstum von 6 Prozent innert Jahresfrist war. Für dieses Jahr ist nochmals ein Wachstum von 3-4 Prozent die Rede - da reden wir also von zusätzlichen rund 56 Millionen Touristen weltweit.

Den gesamten Report des WTTC kann man hier herunterladen.

(JCR)