Destinationen

Aus dem Interview mit Bernadette Romulo-Puyat (Secretary, Department of Tourism of the Philippines, 2.v.l.) wurde gleich ein Erlebnis-Querschnitt der philippinischen Kultur, an dem Top-Chefin Margarita Fores (l.), Designer Kenneth Cobonpue (2.v.r.) und Kaffeeröster Kiddo Cosio aktiv teilnahmen. Bild: JCR

«Wenn wir die Umweltgesetze nicht durchsetzen, wird es bald keinen Tourismus mehr geben»

Jean-Claude Raemy

Travelnews hat an der ITB Berlin die philippinische Tourismusministerin Bernadette Romulo-Puyat getroffen. Das Gespräch entwickelte sich zum amüsanten Gruppen-Workshop, als ob die Wahrhaftigkeit des Slogans «It's more fun in the Philippines» live bewiesen werden sollte.

Bernadette Romulo-Puyat ist eine hübsche, zierliche Frau, die an der ITB Berlin mit philippinischer Kleidung den Stolz auf ihre Identität zur Schau trägt. Dass sie weit mehr als nur repräsentieren kann, hat sie längst bewiesen: Nur eine Woche nach ihrem Amtsantritt sprach sie öffentlich über die Korruption, welche das Tourismusdepartement durchdringe, und stoppte zunächst sämtliche von diesem unterstützten Projekt, um jedes einzelne zu untersuchen. Die geplante Durchführung der Miss-Universe-Wahlen auf den Philippinen wurde aus Budgetgründen ebenfalls abgeblasen. Stattdessen sollten Nachhaltigkeit, Infrastrukturverbesserungen und Marketinginitiativen verstärkt in den Vordergrund rücken. Dazu haben wir uns mit ihr unterhalten.


Frau Romulo-Puyat, können Sie kurz umschreiben, welche Thematik für Sie in Ihrer Arbeit als Tourismusministerin zentral ist?

Wenige Wochen vor meinem Amtsantritt letztes Jahr wurde die Ferieninsel Boracay geschlossen. Die Kritik im Land war gross: Wie kann man in der Hochsaison eine Insel schliessen, die eine Million ausländische Besucher pro Jahr anzieht? Die Antwort lag eigentlich auf der Hand: Das Wasser war mit coliformen Bakterien verseucht, es gab keine nennenswerten Bemühungen bei der Abfallentsorgung und -aufbereitung, die eigentlich bestehenden Umweltgesetze wurden schlicht nicht befolgt. Dank der Schliessung konnten wir aufräumen. Schauen Sie sich mal «vorher/nachher»-Bilder an! Das hat auch den Einheimischen die Augen geöffnet. Die Nachhaltigkeit und das konsequente Durchsetzen der Umwelt-Gesetzesbestimmungen ist also zentral für mich.

Die Arbeit dauert noch an, nicht?

Boracay ist seit Oktober 2018 wieder zugänglich, doch das war erst die erste Phase. Bis April 2019 wird die zweite Phase umgesetzt sein, schon per Ende März 2019 wird ein neues Strassennetzwerk fertig sein. Anhand von Studien wurde eine maximale Touristenanzahl pro Tag durchgesetzt; an den Stränden bzw. auf Allgemeinplätzen darf nicht mehr geraucht und Alkohol konsumiert werden. Das wird gefordert und inzwischen auch befolgt. Und wissen Sie was: Die Touristen kommen trotzdem noch!

Das Schöne an der Schliessung von Boracay ist, dass wir nun über ein Beispiel verfügen, worum es bei nachhaltigem Tourismus geht, und wie die positiven Auswirkungen die kurzfristigen negativen Auswirkungen bei Weitem überwiegen.

Eine Art «Best Practice Modell» auch für andere philippinische Inseln?

Durchaus. Ähnliche Aufwertungs-Operationen laufen schon an diversen touristischen Hotspots, ohne dass wir diese jedoch gleich ganz schliessen müssen wie im Fall von Boracay. Zum Beispiel in El Nido auf Palawan, auf Bohol und Panglao, demnächst auch auf Siargao. Glauben Sie mir, die wichtigen Tourismusdestinationen wünschen sich inzwischen diese «Öko-Reformen» - und darauf sind wir stolz.

«Man kann wegen den Sozialen Medien die Missstände im Tourismus nicht mehr verstecken.»

Natürlich ist es schön, wenn Touristen saubere Strände vorfinden. Der Wechsel vom alten zum nachhaltigen neuen Modell zieht doch aber auch ökonomische Konsequenzen nach sich.

Man muss zwischen Geschäft und sozialer Verantwortung die richtige Balance finden. Wenn wir die Umweltgesetze jetzt nicht durchsetzen, wird es bald keinen Tourismus mehr geben. Heute dreht sich alles darum, dem Touristen ein optimales Erlebnis zu bieten. Dafür braucht es möglichst saubere, intakte Natur und der Ort darf nicht zu sehr überlaufen sein. Man kann wegen den Sozialen Medien die Missstände im Tourismus nicht mehr verstecken; verdreckte Strände und Overtourism werden sofort öffentlich dokumentiert. Deshalb gilt es, die Touristenorte von vornherein so sorgfältig und nachhaltig wie möglich zu betreiben.

Um Overtourism zu verhindern, müssen Sie auch das Angebot diversifizieren. Was wird diesbezüglich unternommen?

Die Philippinen haben über 7000 Inseln, da ist noch viel Potenzial. Bevor wir neue Inseln promoten, wollen wir mit diesen aber darüber sprechen, wie man eben Nachhaltigkeit berücksichtigt. Gesellschaften, die in den Philippinen touristisch aktiv werden wollen, müssen künftig besser kontrolliert werden, ob inländische oder ausländische. Wer sich nicht an die Gesetzgebung hält, erhält keine Lizenzen.

Wir schaffen übrigens keine neuen oder viel strengeren Gesetze. Es macht einfach keinen Sinn, Umweltgesetze zu haben, wenn diese nicht befolgt werden!

Welche konkreten «neuen» Destinationen wollen Sie promoten?

Die Schliessung von Boracay hat diesen Prozess beschleunigt – viele Touristen haben gesehen, dass die Philippinen noch viel mehr bieten. El Nido, Coron, Siargao waren davor schon relativ bekannt – inzwischen arbeiten wir auch an der Promotion etwa von Siquijor, Calangaman Island in der Provinz Leyte, Dumaguete oder auch der Region Bicol.

«Bei uns können Reisende noch authentischen Ritualen und Festen beiwohnen, welche nicht einfach ein Touristenspektakel sind.»

Wir sprechen nun über neue Destinationen. Gibt es auch touristische Themen, welche verstärkt promotet werden?

Wir wollen unsere Bemühungen im Bereich MICE verstärken. Aktuell ist dies alles auf Cebu konzentriert. Da können wir sicher diversifizieren. Allerdings ist uns auch bewusst, dass wir in diesem Bereich vor allem asiatische Märkte ansprechen.

Darüber hinaus werden wir vor allem auch das Tauchen noch verstärkt touristisch promoten. Cebu, Bohol oder Anilao sind schon jetzt bei vielen Tauchern aus Europa beliebt, aber es gibt noch so viel mehr…

Sie waren früher im Landwirtschaftsministerium. Fliesst da auch etwas in ihre neue Arbeit ein?

Sie wissen, dass «Farm-Tourismus» weit oben auf meiner Agenda steht… Das lässt sich mit dem bereits beschriebenen Bedürfnis moderner Touristen nach authentischen Erlebnissen ideal verbinden. Den Farmern in den Cordilleras beim Arbeiten helfen, ist unvergleichlich. Helfen Sie mal den Einheimischen in Banaue oder Sagada, Reis zu pflanzen. Unser Slogan lautet «It’s more fun in the Philippines», aber es gibt auch ein lokales Lied namens «Planting rice is never fun». Die Mithilfe bei der Arbeit führt jedenfalls vor Augen, wie der Alltag der ländlichen Bevölkerung ist, man kann sich aktiv einbringen und, als Highlight, den Ritualen und Festen am Ende der Erntezeit beiwohnen.

Seit 2014 sind solche Rituale überhaupt erst für Touristen zugänglich, weil die lokalen Stämme ihre Traditionen unbedingt wahren wollen. Sie können dies nicht auf eigene Faust erleben, sondern müssen über lokale DMCs buchen, welche wiederum zuvor um Erlaubnis anfragen müssen. Dafür sehen die Reisenden dann authentische Rituale und Feste, welche nicht einfach ein Touristenspektakel sind. Teils kann man sogar aktiv mitmachen. Es ist eine besonders schöne Form des Kulturtourismus.

Man muss solche Produkte auch vermarkten. Sie haben vorhin den Slogan «It’s more fun in the Philippines» angesprochen. Wie weiter damit?

Den Slogan gibt es seit 2012 – wir haben ihn soeben neu lanciert, halten aber an der grundsätzlichen Message fest. Das ist der Wunsch der lokalen Tourismusunternehmen. Was neu ist: Die Inhalte holen wir uns zu 100 Prozent aus den Sozialen Medien. Sprich, die Inhalte der Kampagne sind authentische Beiträge, Bilder oder Aussagen, welche von Personen gemacht wurden, die den Hashtag #itsmorefuninthephilippines benutzt haben. Allein auf Instagram wurde dieser Hashtag schon 4,4 Millionen Mal genutzt. Gewissermassen lassen wir jetzt andere Personen für uns sagen, wie toll oder eben «fun» es auf den Philippinen ist.

«Intakte, gepflegte Kultur und Natur sind wichtige Elemente für eine florierende Wirtschaft.»

Den Claim gibt es weltweit aber nur auf Englisch.

Ja, so ist er unverfälscht und wird auch überall verstanden – darüber hinaus zeigt es auch, dass praktisch jeder Philippiner auch Englisch kann und die Verständigung im Land kein Problem darstellt.

Welche weiteren Initiativen haben Sie noch im Köcher?

Zum einen wird bereits aktiv an der Verbesserung der bestehenden Infrastruktur gebaut. Vor wenigen Tagen wurde ein Vertrag zum Ausbau des internationalen Flughafens Clark unterzeichnet; nach Beendigung dieses Projekts wird der Flughafen Manila weiter entlastet werden.

Wichtig ist für mich aber vor allem auch, die Einstellung der lokalen Bevölkerung zu ändern bzw. touristische Initiativen derselben zu unterstützen. Gastronomie-Tourismus ist wichtig – Essen ist für Philippiner etwas vom Wichtigsten und wir können hierbei unsere Gastfreundschaft und Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Wir wollen unseren Stolz auf die eigene Küche, aber auch auf andere philippinische Erzeugnisse in die Welt hinaustragen. Ein positives Erlebnis der Touristen im Land hilft uns dabei ganz entscheidend. Deshalb sind eine intakte, gepflegte Kultur und Natur ganz wichtige Elemente für eine florierende Wirtschaft.


Um die Spitzenleistungen der Gastronomie und die Gastfreundschaft der Philippiner zu unterstreichen, holt die Ministerin während dem Interview gleich Margarita Fores hinzu. Diese wurde 2016 zu «Asia’s Best Female Chef» gekürt und führt im Grossraum Manila mehrere renommierte Restaurants. In Berlin ist sie dabei, weil sie an der Philippinen-Party abends für das Kulinarische besorgt ist. Fores stösst gleich mit einem Teller mit verschiedenen Spezialitäten zum Interview – zu probieren gibt es Adobo mit, statt Reis, dem glutenfreien Korn «Adlai», dazu Mangos, Calamansi (eine saure Orangen-Art) und Pili-Nüsse mit Kokosnussraspel. Es entwickelt sich während dem Tasting eine rege Diskussion zwischen diversen Anwesenden am Philippinen-Stand über Spezialitäten, Zutaten, Gewürze und mehr.

Zu trinken! Da muss noch ein Kaffee her – natürlich ein Einheimischer. Die Ministerin lässt nun «Kiddo» Cosio an den Stand kommen, der im Surfer-Ort La Union die Firma El Union Coffee betreibt, welche selber Kaffee auf nachhaltige Art herstellt und ein Hipster-Café betreibt. Der Kaffee schmeckt tatsächlich vorzüglich und schon dreht sich das Gespräch um die Qualität der philippinischen Kaffeebohnen und die besten Herstellungsmethoden.

Das Interview ist nun definitiv zum Happening am Stand geworden – wir sitzen auf Möbeln, welche Kenneth Cobonpue hergestellt hat, ein mittlerweile international berühmter Industriedesigner, der ebenfalls in Berlin mit dabei ist und dessen Firma Standorte in Manila, New York und München hat. Nach dem Essen und dem Kaffee gibt’s nun also Probesitzen auf diversen Möblen am Stand und dabei Infos über Rattan – er wurde vom TIME-Magazin als «Rattan-Virtuoso» bezeichnet.

Nach über einer Stunde kann der Autor die fröhliche Runde vor Weberinnen, die das philippinische Kulturgut am Stand in Berlin live präsentieren, zu einem Foto zusammenbringen. Schon das Interview ist eine Explosion von Eindrücken, Geschmäckern, Gerüchen und Erlebnissen – was da erst Ferien aus den Philippinen auslösen?