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«Untitled» der kanadischen Künstlerin Bradley Hart: Eines der zahlreichen Bilder und Kunstobjekte auf der Koningsdam, die zum Verweilen einladen. Bilder: HAL / Thomas P. Illes

Das Kreuzfahrtschiff, die schwimmende Kunstgalerie

Thomas P. Illes

Hochwertig, originell und vielfältig: Holland America Line lud in Amsterdam an Bord ihres neusten Flaggschiffs Koningsdam und stellte die Kunst an Bord vor. travelnews.ch war mit dabei.

Der Kreuzfahrtmarkt wächst weiterhin rasant – immer mehr Menschen entdecken für sich die Ferienform auf dem Wasser und finden Gefallen daran. Entsprechend facettenreich ist mittlerweile das Angebot an Schiffen und Routen. Für die Reedereien ist es innerhalb dieser Diversität von zunehmender Wichtigkeit, sich eine klare Identität zu verpassen, um sich im Markt möglichst zielgruppengetreu zu positionieren. Ein wichtiges Branding-Tool: die Kunst an Bord.

Wenn eins plus eins... drei ergibt

Doch von wem und nach welchen Kriterien wird diese ausgewählt? «Die Art und Funktion sowie das zu schaffende Ambiente eines zu konzipierenden Raums beeinflussen auch die Wahl möglicher Kunstgegenstände – und umgekehrt», meinte Trond Sigurdsen, Architekt, Partner und Chairman des in Oslo beheimateten Designbüros YSA Design, welches neben einer Vielzahl weiterer Schiffe sowie Hotelprojekte an Land unter der Führung von Stardesigner Adam D. Tihany auch für etliche Innen- und Aussenbereiche der im Mai 2016 in Fahrt gekommenen Koningsdam verantwortlich zeichnete.

Im besten Fall, so der Norweger weiter, ergäbe dann eins plus eins nicht zwei, sondern drei. Damit meinte Sigurdsen die Aufwertung der Architektur durch geschickt und geschmackssicher ergänzte Kunst sowie deren Eignung für das heute so angesagte Storytelling. Im Falle der Koningsdam füge dieses beispielsweise in etlichen Bereichen eine «zusätzliche Dimension von tiefsinnig-feinem Humor» hinzu.

Kunst zum Anfassen

Tal Danai, der Gründer und CEO der Firma ArtLink mit Sitz in Tel Aviv, die einen Teil der 4,1 Millionen US-Dollar teuren und 1920 Werke von Künstlern aus 21 Ländern umfassenden Kunstsammlung an Bord kuratierte, begreift Kunst auf einem Schiff wie der Koningsdam als essentiellen Teil des gesamten Kreuzfahrterlebnisses. Ein Schiff stellt für ihn überdies ein ideales, ja geradezu dankbares Umfeld dar, um einer Vielzahl von Menschen den Zugang zu einem inspirierenden Kunsterlebnis zu ermöglichen. «Was glauben Sie, wie viel Zeit ein Besucher in einem Museum durchschnittlich mit dem Betrachten eines Werks verbringt?» fragte er am Anfang seiner Präsentation in die Runde.

Die gleichwohl erstaunliche wie ernüchternde Antwort: «1,7 Sekunden...»

Gäste auf einem HAL-Schiff, so Danai weiter, würden 7 bis 110 Nächte verbringen, etliche kämen zudem als Repeater immer wieder. Das sei viel Zeit, um sich den Kunstwerken entspannt, ohne Berührungsängste und aus verschiedenen Blickwinkeln anzunähern. «Viele Leute denken von sich, nichts von Kunst zu verstehen, fürchten, als Banausen entlarvt zu werden und empfinden die Atmosphäre von Museen oft als abweisend und elitär, wo man die ausgestellten Werke, vor Ehrfurcht erstarrend, ausschliesslich aus gebührender Distanz betrachten darf. Das schreckt viele davon ab, sich intensiver mit Kunst zu beschäftigen, obwohl sie damit doch eigentlich so viel Spass haben könnten. Anders als in einem Museum, soll man die Kunst hier an Bord auch anfassen und mit allen Sinnen erleben dürfen – das haptische und taktile Erleben ist Teil eines Gesamtkonzepts», zeigte sich Danai überzeugt.

ArtLink begann 1996 mit der Mission, jungen und/oder aufstrebenden, zumeist aber mittellosen Künstlern eine unterstützende Plattform zur wirkungsvolleren Vernetzung und Vermarktung zu bieten sowie Kunst im Sinne eines «Türöffners» einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bereits ein Jahr später ging das Unternehmen eine Partnerschaft mit dem renommierten Auktionshaus Sotheby’s ein und startete das «ArtLink@Sotheby’s International Young Art Program». 2002 erfolgte der Eintritt in die Tourismusindustrie.

Getreu dem Firmenslogan «We art the world» kooperiert das Unternehmen heute weltweit mit 150 Kunstakademien und -schulen, kann auf ein Netzwerk von 3500 Künstlern aus 44 Ländern zurückgreifen und war bislang in 120 Hotelprojekten in 32 Ländern involviert. Im Kreuzfahrtbereich ist man neben HAL auch für die Luxusmarke Seabourn sowie für die kommende Schiffsgeneration von Costa tätig.

Höhere Anforderungen als an Land

Regelmässig würden auch speziell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Auftraggeber abgestimmte Werke in Auftrag gegeben. Das geschah auch für die Koningsdam. Das grösste und zugleich schwerste sowie teuerste Werk ist die drei Decks hohe, 7,5 Tonnen schwere Edelstahl-Skulptur «Harps» im Eingangsatrium. Kostenpunkt: 600'000 US-Dollar.

Wie Danai während der anschliessenden Schiffsführung ausführte, gilt es bei Kunstprojekten an Bord von Schiffen im Gegensatz zu Hotels an Land ganz spezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. So hätte man es beispielsweise mit stetigen Vibrationen während 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr zu tun. «Da können sich, wenn man keine entsprechenden Vorkehrungen trifft, Schrauben oder Befestigungsvorrichtungen schnell einmal lösen», so Danai. «Von Sturm- und Seefestigkeit gar nicht zu reden», gab er weiter zu bedenken. Auch in Sachen Feuerfestigkeit würden auf Schiffen viel strengere Vorschriften herrschen, als mancherorts an Land, was die Künstler in ihrer Kreativität manchmal durchaus einschränkten.

Der extra zu diesem Anlass angereiste niederländische Künstler Peter Gentenaar erklärte, wie er seine über zwei Decks ersteckende Papierskulptur «Wings of the Pharao» in mehreren Schritten nachbehandeln sowie mit einem speziellen Mittel einsprayen musste. Tal Danai brachte seine nicht immer einfache Mission schliesslich folgendermassen auf den Punkt: «Unsere Expertise besteht einerseits darin, mit all diesen komplexen Vorgaben klar zu kommen, diese den Künstlern zu vermitteln, gekonnt und überzeugend die Lücke zwischen Dekoration und Kunst in einer für die Gäste bereichernden Art zu füllen und anderseits Werke zu präsentieren, welche der Konkurrenz mit den tollsten Orte und Kulturstätten dieser Welt standhalten und für die Passagiere selbst nach der Rückkehr zum Schiff von einer Tour durch beispielsweise Rom nichts von ihrer Wirkung und Strahlkraft einbüssen.»

Statt den Aufzug die Treppe...

Das Resultat lässt sich sehen. Interessant war zum Beispiel die Reaktion einer Reihe von angereisten Herausgebern/innen und Mitarbeiter/innen von Architektur- und Kunstmagazinen, die bis dato mit Kreuzfahrt nichts am Hut hatten und entsprechend noch nie einen Fuss auf ein Kreuzfahrtschiff gesetzt hatten. Sie alle zeigten sich positiv überrascht, zum Teil richtiggehend erstaunt ob der gebotenen Qualität sowie des künstlerischen Gehalts des Gezeigten. Einige bemängelten allerdings insofern den fehlenden Kontext zu einer vollwertigen Kunstdarbietung, als dass beispielsweise Hinweisschilder mit Informationen zu Werktitel, Künstler, Entstehungsgeschichte und dergleichen fehlten und befürchteten, dass das Ganze so womöglich dann eben doch primär zur trivialen Dekoration verkomme.

Doch Nico Bleichrodt, Managing Director Sales & Marketing, Kontinentaleuropa von Holland America Line, beruhigte: «Wir arbeiten gegenwärtig mit Hochdruck daran, einen Kunstführer via App für Tablets und weitere Massnahmen zu realisieren, um unseren Gästen weiterreichende Informationen zu den einzelnen Exponaten zu liefern.» Denn natürlich, so Bleichrodt weiter, sei auch ihm und allen HAL-Verantwortlichen die Relevanz des Storytellings als mittlerweile unverzichtbares Marketinginstrument durchaus bewusst. Ebenso bewusst hätte man jedoch bislang auf Hinweisschilder verzichtet, da man den Gästen an Bord das Gefühl vermitteln wolle, «zu Hause und eben nicht in einem Museum zu sein».

Dass das Konzept der von HAL angestrebten Aufwertung des gesamten Kreuzfahrterlebnisses durch stilsicher kuratierte Kunst auch bei den Gästen aufgeht, bestätigte auch Anne-Cecilie Thidemansen von YSA Design: «Wir konnten schon oft beobachten, wie etliche Gäste anfingen, nach einigen Tagen statt die Aufzüge die Treppen zu nehmen und für sich das Schiff zunehmend als schwimmende Kunstgalerie entdeckten. Und sich anregenden Diskussionen über das eine oder andere Werk lieferten.»

Traditionsreederei in der Transformation

Holland America Line (HAL) ist eine Traditionsreederei mit europäischen Wurzeln, deren Geschichte bis ins Jahr 1873 zurückreicht. Seit 1998 ist die Linie Teil der US-amerikanischen Carnival Corporation und verzeichnet auch im deutschsprachigen Raum stetig steigende Gästezahlen.

Entsprechend dem Premiumanspruch der Reederei sucht man Wasserrutschen, Kletterwände und dergleichen an Bord von HAL-Schiffen vergebens. Wo andere Schiffe im Stil landgestützter Resorts à la Disney World oder Las Vegas mit Gigantismus und Bombastik dem Gast die Illusion vortäuschen mögen, gar nicht auf einem Schiff zu sein, beruft man sich bei HAL - trotz modernstem Hightech – nach wie vor auf die glorreiche Ära der Oceanliner.

Mit Passagierkapazitäten zwischen 835 (Prinsendam) und 2650 (Koningsdam) sind die Schiffe klein genug, um auch spannende Häfen und Routen abseits der vielbefahrenen «Rennstrecken» anzubieten, jedoch gross genug, um mit deutlich günstigeren Raten, als im hochpreisigen Luxussegment üblich, zu kalkulieren.

Momentan bieten die 14 unter niederländischer Flagge fahrenden Schiffe rund 500 Kreuzfahrten zwischen 7 und 110 Tagen zu mehr als 400 Häfen in über 100 Ländern an. Im Dezember 2018 kommt mit der Nieuw Statendam die Nummer 15 in Fahrt.

Das Produkt richtet sich an eine loyale, im Moment noch vornehmlich ältere, gleichwohl weltgewandte und kosmopolitische sowie vielseitig interessierte, kulturaffine, hauptsächlich englischsprachige Klientel, die viel über die bereisten Regionen und Destinationen erfahren und lernen möchte. Partnerschaften mit BBC Earth, dem Musik-Magazin Billboard sowie dem New Yorker Lincoln Center tragen dem Rechnung.

Doch der demographische Wandel macht auch vor HAL nicht Halt. Die gegenwärtige Herausforderung: das Produkt mit einem frischeren Auftritt zu «verjüngen» und neuen Zielgruppen zu erschliessen, ohne gleichzeitig die treuen älteren Kunden zu vergraulen.

Wie Nico Bleichrodt, Managing Director Sales & Marketing, Kontinentaleuropa von Holland America Line im Gespräch mit travelnews.ch erläutert, sind in diesem Zusammenhang zahlreiche Produktoffensiven (Investitionssumme: rund 300 Millionen US-Dollar) angedacht und sollen in den nächsten Monaten bekanntgegeben werden.

Die direktesten Konkurrenzreedereien von HAL sind die – ebenfalls zum Carnival-Konzern zugehörige – Princess Cruises sowie die zur amerikanischen Royal Caribbean-Gruppe gehörende Celebrity Cruises.