Cruise
Tested Wetteifern der Bikinis und Bizeps auf dem Cruiseliner
Thomas P. IllesWenn knapp zweitausend trendy Szene-Clubgänger und -gängerinnen – vornehmlich aus dem Londoner Grossraum – ein Kreuzfahrtschiff entern, um sich während sieben Tagen und Nächten unter angesagten DJ Beats auf dem Mittelmeer in Trance zu grooven, ist ordentlich was los.
So sehr, dass sich Kapitän Dustin Castelsky bereits früh veranlasst sah, die junge Gästeschar auf der von ihm befehligten Jewel of the Seas der amerikanischen Reederei Royal Caribbean International nochmals und explizit auf seine «Top-Priorität, der Sicherheit an Bord», einzuschwören.
Kletterei auf Balkonen unerwünscht
Es war erst der zweite Tag und der erste Tag auf See, als auf dem Pooldeck bei hochsommerlichen Temperaturen und bester Stimmung eine weitere fulminante Party inklusive entsprechendem Ansturm auf die Bars für Hochprozentiges in vollem Gange war. Da unterbrach Castelsky das Spektakel kurzzeitig mittels einer zwar freundlichen, aber bestimmten und unüblich langen sowie detaillierten Sicherheitsansage: die «Crowd», so der Kanadier, der vor seiner Kreuzfahrtkarriere auf Gastankern fuhr, solle sich herzlich willkommen fühlen, eine «great and wonderful time» verbringen und den Aufenthalt an Bord in vollen Zügen geniessen.
Im Interesse der Sicherheit müsse er aber darauf bestehen, dass man ausschliesslich an den erlaubten und keinen anderen Orten – insbesondere nicht in den Kabinen – rauche, keine Gegenstände über Bord geworfen sowie unter gar keinen Umständen waghalsige Kletterpartien von einem Balkon zum anderen unternommen würden: «Wenn Sie sich nicht in der Lage fühlen, die Verantwortung für Ihre eigene Sicherheit zu übernehmen, werde ich meinen Teil der Verantwortung für Ihre Sicherheit wahrnehmen und Zuwiderhandelnde im nächsten Hafen von Bord weisen»!
Insbesondere der Hinweis mit der Kletterei sowie die im Vorfeld der Einschiffung im Terminal herumschnüffelnden Drogenspürhunde liessen die Vorahnung zur Gewissheit werden, dass man es in den kommenden Tagen auf der Reise von Civitavecchia bei Rom über Santorini, Mykonos, Villefranche und wieder zurück nach Civitavecchia wohl mit einer etwas anderen, als sonst auf einem Kreuzfahrtschiff üblichen Klientel zu tun haben würde.
Aber genau das war ja der Sinn der Sache: Themenkreuzfahrten – vor allem auch im Musikbereich – boomen, und sind für alle Beteiligten ein interessantes Geschäftsfeld (siehe auch Infobox).
«Partys besser als auf Ibiza»
Dieses Konzept funktionierte auch auf der Anchored by Unique Cruise prächtig. Die beautiful Teens und Twens von der Sorte «Weiblein mimt das begehrenswerte Model, Männlein den (Tattoo-)bemalten, starken Krieger», waren laut Sarah Burns, Assistant of the Founder bei Anchored, «zu 99 Prozent noch nie auf einem Kreuzfahrtschiff» und amüsierten sich euphorisch von einem Act zum anderen. Der Sound wusste zu gefallen – die DJ’s machten einen exzellenten Job und lieferten sich einen Schlagabtausch auf beachtlichem künstlerischen Niveau.
Auf Santorini und vor allem Mykonos – hier unter anderem im renommierten Cavo Paradiso Club – ging die Party dank längeren Hafenliegezeiten weiter und nahtlos in die frühen Morgenstunden über, bis das Schiff bei ultrakitschigen Sonnenauf- und -untergängen wieder sanft über die Wellen glitt und die nonstop stampfenden Beats zum nächsten Hafen trug.
Für Sven und Marco aus Zürich, die einzigen Schweizer Teilnehmer, die travelnews.ch ausmachen konnte, war es ebenfalls das erste Mal auf einem Kreuzfahrtschiff. Eine «absolut megacoole Sache» sei das hier, die Pool Partys wären der Hammer, besser noch, als zum Beispiel auf Ibiza, das Schiff super – und die Girls hübscher: «Da weist du gar nicht mehr, wo du hinschauen sollst...» Schade nur, meinten beide, dass nicht mehr Schweizer dabei seien – da fühle man sich doch schon fast als krasser Aussenseiter.
Alles paletti also? Noch nicht ganz, wie sowohl Sven und Marco anfügten und auch Sarah Burns im Gespräch mit travelnews.ch einräumte: «Das ist unsere erste Cruise, und vor allem in Sachen Kommunikation müssen wir noch besser werden.» Sie sprach damit beispielsweise die unterlassene Information an, dass die zusätzlich zu buchenden All-Inclusive-Getränkepakete jeweils nur bis Mitternacht und auch nicht in den Clubs an Land gälten, Trinkgelder – wie auf etlichen Kreuzfahrtschiffen üblich – automatisch dem Bordkonto belastet würden und satellitengestützte Internetverbindungen auf See ungleich teurer seien, als an Land. Obwohl an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben soll, dass Royal Caribbean mit «VOOM» eines der derzeit schnellsten und leistungsstärksten Wi-Fi-Angebote auf See bereithält. Trotzdem führte die fehlende Preistransparenz zuweilen zu ellenlangen Warteschlangen und nicht endend wollenden Diskussionen an der Rezeption. Auch hätte sich gezeigt, so Burns weiter, dass eine 7-tägige Cruise für viele doch etwas zu lang, sprich zu teuer, sei: «Nächstes Jahr reduzieren wir das Routing um zwei auf fünf Nächte.»
Entsprechend verlief der Buchungsverlauf zunächst etwas harziger, als erwünscht. Zwar ist die Jewel of the Seas mit ihren 90.000 BRZ eines der kleineren Schiffe von Royal Caribbean, dennoch wurde die Vollauslastung laut Burns nur erreicht, indem man die nicht verkauften Kabinen (gefühlt ca. ein Viertel) kurzfristig zu stark ermässigten Preisen an verschiedene Interlineportale für Airline- und Reisebüroangestellte abgab, was zu einem spannenden Gästemix führte: hier die Jungschar des kreuzfahrtunerfahrenen Partyvolks, dort die «alten (zum Teil in der Tat auch bezüglich Lebensalter) Kreuzfahrthasen». Bemerkenswerterweise kam man sich aber fast nie in die Quere. Und falls doch, dann in mehrheitlich positiver Weise.
Old School meets New School
Das lag zum einen daran, dass die Interliner vorab darüber ins Bild gesetzt wurden, dass es sich hier um eine spezielle Party Cruise handeln würde – man war also vorgewarnt. Zum anderen zeigte sich, dass viele der älteren Kreuzfahrer so «gruftig» keineswegs sind: etliche von ihnen näherten sich regelmässig der lebhaften Szenerie der enthemmt abtanzenden Jungmannschaft rund um den Hotspot des zentralen Pools auf Deck 11 vorsichtig an, um das bunte und «exotische» Treiben vorerst mal aus sicherer Deckung neugierig zu beäugen. Wie läuft denn so eine «Glamour-Party» eigentlich ab, schienen sich viele zu fragen.
Bald aber schon nahmen die Magengegend angenehm stimulierenden rabenschwarzen Bässe (die extra für diesen Charter aufgebaute, turmhohe Musikanlage sowie deren Akustik waren erstklassig!) Besitz von ihnen, und sie konnten gar nicht mehr anders, als im ansteckenden Rhythmus der bombastisch einheizenden House-Beats und gekonnt gemixten Klangorgien mitzuwippen. Anfänglich noch etwas zaghaft, dann aber immer mutiger und schmissiger. Und – Hut ab! – oft mit perfektem Timing und Taktgefühl. Freilich aus immer noch sicherer(er) Beobachtungsposition auf dem Oberdeck – ins Gewusel des schweisstreibenden Epizentrums mochten sich die meisten dann doch nicht begeben – aber sichtlich geniessend, ein Entertainment und Publikum geboten zu kriegen, zum dem sie sonst womöglich gar keinen Zugang mehr hätten. Und entdeckend, dass die Jungen in ihrem Musikgeschmack vielleicht doch nicht so schräg sind...
Allen war natürlich trotzdem nicht Recht getan. So reagierten anfänglich einige der Gäste – aber auch Crewmitglieder – sichtlich irritiert, wenn an der Rezeption oder im Speisesaal plötzlich eine gestylte Dame im frivol-knappen String-Bikini oder ein urban-hipper Hüne mit nacktem Oberkörper, Sixpack und einem Bizeps vom Umfang des sprichwörtlichen Baumstamms auftauchten. Vereinzelt wurden auch Klagen über Lärm in den Nachbarkabinen, vom Housekeeping Chaos in den Kabinen, «wie man es zuvor noch nie erlebt hätte» und von Bordarzt Jorge Zambrano ein paar «fights» vermeldet, deren Folgen er zu kurieren hatte.
Alles in allem herrschte aber eine ausnehmend friedliche und gepflegte Atmosphäre. Denn es waren, das wurde schnell klar, keine Billigtouristen, die sich hier für eine Woche einquartiert hatten, sondern anspruchsvolle, gleichwohl tolerante, die Höflichkeitsregeln mehrheitlich bestens beherrschende Leute mit Niveau und voller inspirierender Lebensfreude.
Zudem eignet sich die Jewel of the Seas ideal für eine Party Cruise dieser Art. Mit ihren, für ein Mainstreamschiff im Volumenmarkt heute keineswegs mehr selbstverständlichen Vielzahl an grosszügigen Aussendecks konnten sich die verschiedenen Gästegruppen problemlos den Luxus einer vertikalen Unterteilung des Schiffs leisten: mittschiffs auf dem Pooldeck und dem angrenzenden Buffetrestaurant die Party Seeker, in den durch die umliegenden Schiffsaufbauten gut schallisolierten ruhigen vorderen und hinteren Bereiche die das Meer und die Ausblicke geniessenden Cruise Insider. Auch der Hauptspeisesaal sowie die regulären Shows (sofern sie denn überhaupt stattfanden), Bars und Lounges im Schiffsinnern wurden von den Partyleuten wenig frequentiert, was zuweilen fast den Eindruck eines Geisterschiffs aufkommen liess. Gestört hat das niemanden – man war unter sich und hatte viel Platz.
Titanic-Feeling und springende Delfine
Als zusätzliches Highlight wartet der Bug der Jewel, wie etliche andere Schiffe von Royal Caribbean auch, mit einem Helikopterlandeplatz auf, der zugleich als frei zugängliche Aussichtplattform dient.
Da sah man dann des Öfteren Gäste die berühmte Titanic-Pose einnehmen, mit glücklich verklärtem Gesichtsausdruck – zuweilen gar in Begleitung von Delfinen – über das tiefblaue Meer schwebend (oder flog man schon...?).
Denn ja, auch DAS ist Seefahrt...! Die nächste Anchored by Unique Party Cruise findet vom 6.-11. Juni 2018 erneut auf der Jewel of the Seas statt und führt von Barcelona über Sète, Ibiza, Palma de Mallorca zurück nach Barcelona. Informationen gibt es hier.