Cruise
«Das Premium-Segment wird bei Kreuzfahrten deutlich stärker nachgefragt»
Jean-Claude RaemyHerr Hunke, man hört viel von der «Erholung der Kreuzfahrtbranche», aber die Zahlen sind kaum schon da zurück, wo sie mal waren. Wie läuft es aktuell bei e-hoi?
Wir sind zur Zeit zufrieden mit der Entwicklung. Es macht wenig Sinn, eines der letzten beiden Jahre zum Vergleich heranzuziehen. Schauen wir also auf die Zahlen des letzten «normalen» Vorpandemie-Jahres 2019: Nach Buchungseingang 2022 liegen wir aktuell deutlich über den Umsätzen von 2019.
Das muss ich allerdings etwas relativieren. Wir haben auch 2019 schon Printmailings gemacht, aber durch den Zukauf der Adressen aus der Insolvenz der Reisecenter Plus AG - dem Herausgeber der Ferienpost - haben wir unsere Kundendatei erweitert. Mit unserem neuen Katalog, der e-hoi Ferienpost, versenden wir nun Printmailings in höherer Auflage und das sorgt für Umsätze von Kunden, die wir als Online-Vermarkter bisher nicht angesprochen haben.
Ein Zukauf, der sich gelohnt hat. Und mit dem Kauf des Cruise Center hat e-hoi jüngst gleich nochmals zugeschlagen. Wie kam dieser Deal überhaupt zustande?
Mit George Studer von Cruise Center habe ich immer mal wieder gesprochen, um mich mit ihm über Themen aus der Kreuzfahrtbranche auszutauschen. Diese Krise hat uns alle sehr gefordert und wir kamen überein, dass dieser Deal ein logischer und vernünftiger Schritt ist. Gemeinsam sind wir stärker.
Wie wichtig war dabei der «Faktor Romandie»?
Die Romandie war sicher ein wichtiger Faktor, aber nicht ausschlaggebend. Klar war e-hoi selbst in der Romandie zuvor nicht aktiv; diesen weissen Fleck haben wir nun ausgefüllt.
Wie wird das Cruise Center konkret in die e-hoi eingegliedert? Als eigenständiges Profit Center, oder wird es komplett integriert?
Dazu kann ich noch keine finale Aussage treffen, aber sicher soll die Marke Cruise Center, die in der Schweiz ja einen sehr guten Namen hat, bestehen bleiben.
«Die Marke Cruise Center wird sicher bestehen bleiben.»
Der Cruise-Markt in der Schweiz konsolidiert sich durch diesen Zukauf weiter. Sind eigentlich weitere Käufe angedacht? Und: Ist das überhaupt eine gute Entwicklung?
Um ehrlich zu sein, sind wir im Moment ganz gut beschäftigt und das werden wir in den nächsten Monaten auch weiterhin sein. Für uns ist das eine gute Entwicklung, weil wir so einfach schlagkräftiger sind. Der Schweizer Kreuzfahrtmarkt ist noch recht überschaubar, das gilt es weiterzuentwickeln. Im Übrigen war auch die Resonanz der Reedereien zu der Übernahme durchweg positiv, falls Ihre Frage darauf abzielte.
Anders gefragt: Wie hat man sich bei e-hoi während der Krisenzeit und vor den Übernahmen über Wasser gehalten?
Eine gute Frage, das frage ich mich selbst manchmal… Aus wirtschaftlicher Sicht haben wir die bekannten, üblichen Massnahmen getroffen: Kurzarbeit, Covid-Kredit. Letzteren haben aber bereits wieder aufgelöst. Hart war die ganze Abwicklung bestehender Buchungen, die Übersicht über sämtliche Bedingungen und Massnahmen zu behalten und natürlich für die Kunden da zu sein, die verständlicherweise wissen wollten, wie es mit Ihren Buchungen weiter geht.
Welche derartigen Herausforderungen sind geblieben, welche sind neu, und was tut e-hoi proaktiv, um diese Herausforderungen zu meistern?
Der Beratungsaufwand ist zur Zeit einfach enorm hoch. Viele Kunden sind verunsichert und wollen ganz genau wissen, worauf Sie achten müssen und was sie an Bord erwartet. Wir haben immer noch viele Anfragen, die wir nicht in konkrete Buchungen umwandeln können, weil die Kunden sich nicht trauen oder die Vorgaben der Reedereien nicht akzeptieren wollen.
Wir aktualisieren stetig sämtliche Massnahmen der Reedereien auf unserer Webseite - sowohl die Corona-Vorgaben wie auch spezielle Stornobedingungen der Veranstalter und Reedereien. Und natürlich schulen wir unsere Mitarbeiter zu diesen Themen in Teammeetings.
Eine neuere Herausforderung ist die Euro/Franken-Parität: Damit sollte sich das Thema, wonach viele Schweizer Kreuzfahrten günstiger im Ausland zu buchen versuchen, vom Tisch sein, oder?
Das ist natürlich immer ein Problem, aber die aktuelle Situation und Stärke der Schweizer Währung hat das ein wenig entschärft. Wobei ich mich immer freue, wie treu uns die Kunden doch in den meisten Fällen sind.
«Der Beratungsaufwand ist zur Zeit enorm hoch.»
Hat sich - da wir nun die Pandemie zumindest gefühlt hinter uns haben - etwas bei den Buchungsmustern - also in Bezug auf Zeitpunkt, Preis, Zielgebiete oder anderes - verändert?
Ich bin der Meinung, dass wir Änderungen beim Buchungszeitpunkt erst in den kommenden Monaten bzw. im nächsten Jahr sehen. Dezember und Januar waren diese Jahr richtig schlechte Monate. Zu Vor-Corona-Zeiten waren das mit die wichtigsten Monate. Ob es generell eine Verschiebung gibt, bleibt abzuwarten. Im Moment haben wir viele Last-Minute-Buchungen, bedingt durch sehr attraktive Preise. Aber wir haben auch schon viele Buchungen für 2023/2024, teilweise sogar 2025, also lange Vorausbuchungszeiten.
Bestimmte Zielgebiete wie Teile Asiens, Südamerika oder Australien tun sich noch schwer, fangen aber auch an, sich langsam zu normalisieren. Das Mittelmeer, die Nordländer und die Karibik sind dafür gerade sehr stark nachgefragt.
Welches sind die am besten nachgefragten Reedereien bzw. Schiffe? Sieht man da Kontinuität oder auch grundlegende Veränderungen in den letzten Jahren?
Costa Kreuzfahrten und MSC Cruises sind weiterhin unsere stärksten Partner, aber auch AIDA und TUI Cruises werden gut nachgefragt. Zwei Tendenzen zeigen sich sehr deutlich: Das Premiumsegement wird deutlich stärker nachgefragt, was sicher auf die geringere Passagierzahl zurückzuführen ist und mehr Sicherheit vor Corona vermittelt. Und weil die Kunden sich nach der Krise etwas gönnen wollen. Zudem haben wir unser Geschäft mit Flusskreuzfahrten deutlich ausgebaut, was mich sehr freut.
Wie wird in der Schweiz zumeist gebucht? Mit oder ohne Anreise? Aussenkabine oder höher oder auch mal Innenkabine?
Der grössere Anteil der Buchungen sind Cruise-only Buchungen. Wir steigern aber gerade den Anteil mit Anreise, da wir mehr Reisen selbst paketieren und als «Rundum-Sorglospaket» anbieten können. Das ist ja die Besonderheit der e-hoi Ferienpost, alle Angebote sind inklusive Anreise ab der Schweiz und teilweise mit Schweizer Reiseleitung.
Bei den Kabinenkategorien machen Balkonkabinen oder Suiten einen Anteil von fast 75 Prozent aus, das sagt glaube ich alles.
Und wie lange dauert eine Kreuzfahrt im Schnitt?
Die Reisedauer ist ein spannender Punkt. Diese hat sich im Vergleich zu 2019 von 9,4 Tagen auf 11,2 Tage erhöht. Sicher ein wenig dem Nachholeffekt geschuldet, aber so eine deutliche Steigerung hätte ich nicht erwartet.
«Wir steigern gerade den Buchungsanteil mit Anreise, da wir mehr Reisen selbst paketieren.»
Wie sieht eigentlich der Vertriebsmix bei e-hoi aus?
Wir sind natürlich in erster Linie über die Online-Werbung sichtbar: SEO, SEA, Bannerwerbung, Newsletter und so weiter.Trotzdem verstärken wir gerade auch Offline-Massnahmen wie Mailings oder Printwerbung als Ergänzung. Immer mit dem Ziel, den Kunden in einen Online-Kunden zu konvertieren. Damit sind wir im Moment gut aufgestellt.
Wie sieht Ihre allgemeine Prognose für die unmittelbare Zukunft der Kreuzfahrtbranche aus?
Wir sind zuversichtlich, dass sich die Situation entspannt. Was der Herbst und Winter in Bezug auf Corona bringen, ist schwer zu sagen, besonders wenn man die Situation länderübergreifend betrachtet. Der Aufwand an Informationen wird sicher nicht abnehmen, aber ich bin davon überzeugt, dass es weiter bergauf geht, sofern sich nicht ein neuer Krisenherd auftut.
Zum Abschluss: Welches ist Ihr persönliches Kreuzfahrt-Highlight?
Ich finde es immer spannender nach vorne zu blicken, auf das, was da noch kommt. Ich würde so gerne mal eine Antarktisexpedition machen, das stelle ich mir einfach unglaublich vor, eine andere Welt.