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Tiefe Wasserstände am Rhein in Bad Breisig (Deutschland): Noch ist die Situation für die Flusskreuzfahrten-Anbieter kein grösseres Problem. Bild: AdobeStock

Ist die Flusskreuzfahrt von den niedrigen Wasserständen in Europa tangiert?

Der heisse Sommer in Europa hat die Wasserpegel auf diversen - auch grossen - Flüssen deutlich sinken lassen. Travelnews hat bei Flusskreuzfahrten-Anbietern nachgefragt, wie die Situation aktuell ist.

Der Sommer 2022 ist in Europa heiss und trocken. So sehr, dass die Pegelstände vieler Flüsse sehr tief sind - so tief, dass die Frachtschiffahrt davon beeinträchtigt ist, da beispielsweise Schiffe auf dem Rhein nicht mehr voll beladen fahren können. Das führt unweigerlich zur Frage, ob dies auch ein Problem für die Flusskreuzfahrten ist.

Travelnews hat sich bei den grossen Schweizer Flusskreuzfahrt-Spezialisten Reisebüro Mittelthurgau, Thurgau Travel und Rivage Flussreisen umgehört. Wir wollten wissen, welche Flüsse/Regionen aktuell betroffen sind, was im Problemfall mit den Kunden geschieht, wie der Geschäftsgang vom Niedrigwasser tangiert wird und ob solche Situationen aufgrund des Klimawandels künftig häufiger entstehen könnten.


«Die Situation ist sehr dynamisch und verlangt grosse Flexibilität ab»

Karim Twerenbold

Karim Twerenbold, CEO Excellence Cruises und VR-Präsident Twerenbold Reisen Gruppe: «Die aktuelle Hitzewelle ist eine grosse Herausforderung für die Flussfahrtenbranche. Die Wasserstände sind sinkend und der «grosse» Regen ist nicht in Sicht, welcher eine Entspannung bringen würde. Aktuell ist es so, dass einzelne Passagen nicht passierbar sind. Dies führt zu Anpassungen der Routen und Flussreisen. Kritisch ist vor allem der Rhein zwischen Strassburg und Mannheim und zwischen Mainz und Koblenz. Auch eine Passage auf der Donau zwischen Regensburg und Passau ist vom Niedrigwasser betroffen. Die Situation ist sehr dynamisch und verlangt grosse Flexibilität ab. Unser Vorteil dabei ist, dass wir mit dem ‹Bus zum Fluss›-Konzept zu jeder Zeit unsere eigenen Busse mit dabeihaben.

Wie erwähnt kommt es aufgrund der niedrigen Wasserstände zu Anpassungen der Reiserouten. Am stärksten betroffen sind Reisen auf dem Rhein. Als kundenorientierter Flussreisenanbieter informieren wir unsere Kunden proaktiv über allfällige Anpassungen. Müsste eine Reise aufgrund von Niedrigwassereinschränkungen so stark angepasst werden, dass der Charakter der Reise nicht beibehalten werden kann, kann das im ‹worst case› zu einer Annullation führen. Unser Ziel ist es jederzeit, das Beste für unsere Kunden aus den erschwerten Situationen zu machen, um ihnen ein schönes Reiseerlebnis zu ermöglichen. Der Kunde steht für uns immer im Mittelpunkt.

Wir kommentieren grundsätzlich keine Zahlen zum Geschäftsgang. Dass solche Situationen einen negativen Einfluss auf diesen haben, ist aber sicherlich so, denn Reiseanpassungen führen zu Mehrkosten, welche wir selber tragen.

Hoch- bzw. Niedrigwassersituationen gab es auch schon in Vergangenheit. Wir vernehmen aber, dass deren Intensität eher zugenommen habt. Diese Herausforderungen sind sicherlich sehr anspruchsvoll für uns, aber wie bereits erwähnt, steht für uns der Kunde im Zentrum und wir tun alles, damit sie die Reisen mit uns geniessen können.»

«Wir haben uns darauf eingestellt und allfällige Umroutings und Programmänderungen geplant»

Daniel Pauli

Daniel Pauli, Geschäftsführer, Thurgau Travel: «Wir mussten wegen der niedrigen Wasserstände bislang keine Flussfahrten absagen. Auf dem Rhein sind vor allem die Pegel bei Kaub und Maxau von Niedrigwasser betroffen, so dass wir einzelne Anpassungen an den Fahrplänen und Ausflügen vornehmen mussten. Ebenfalls beobachten wir sehr genau die Pegelstände der unteren Donau, wo es zurzeit eng werden kann. Dennoch, Wasserstände und Lagen können sich praktisch von einem zum nächsten Tag rasch ändern - wenn irgendwo auf der Strecke oder bei den Zuflüssen ein Gewitter stattfindet, kann das genug sein, dass ein Schiff eine neuralgische Stelle wieder passieren kann. Was zurzeit nicht mehr möglich ist, ist die Überführstelle bei Pfelling vom Main auf die Donau; das würde uns aber erst in einigen Wochen betreffen und bis dahin kann noch viel geschehen.

Zurzeit sind bei uns potenziell fünf Schiffe auf dem Rhein betroffen. Zusammen mit unseren Partnern haben wir uns bereits seit einiger Zeit darauf eingestellt und allfällige Umroutings und Programmänderungen geplant, die wir bei Bedarf einsetzen. Bei den fünf Schiffen auf dem Rhein haben wir bisher drei Reisen etwas anpassen müssen, wobei die Kunden weiterhin genügend Schifffahrt und tolle Landausflüge erleben dürfen. Wir informieren die Kunden jeweils vorher schriftlich oder wenn Anpassungen sehr kurzfristig sind auch telefonisch. Da bisher alle Reisen mit wenigen Änderungen stattgefunden haben, haben die Kunden diese Änderungen jeweils auch angenommen. Sollte ein Reiseabbruch nötig werden, weil eine Strecke gar nicht befahrbar ist, bieten wir den Kunden eine gleich- oder höherwertige Alternative, die sie annehmen können oder nicht.

Da die Reisen bisher stattfinden, hat das zurzeit wenig Auswirkungen auf den Geschäftsgang. Sowohl wir als auch unsere Partner haben mit der jahrelangen Erfahrung gelernt, möglichst gut damit umzugehen und wir verfügen über das entsprechende Wissen, um zeitgerecht das Beste für unsere Gäste zu gestalten und Reiseabbrüche möglichst zu verhindern.

Ich bin kein Klimaexperte, dennoch kann ich feststellen, dass Perioden von Hoch- bzw. Niedrigwasser etwas häufiger auftreten in den letzten Jahren. Wir stellen uns darauf ein mit einer umsichtigen Saisonplanung und dem Wissen, wo die kritischen Punkte liegen. Bei Auftreten dieser Ereignisse hilft uns die Erfahrung, wie wir im Kontext des übrigen Schifffahrtsverkehrs und den möglichen Ausweichrouten gute Anlegestellen und Ausflugsprogramme gestalten können, so dass Kunden trotz Änderungen eine tolle Schifffahrt mit schönen Ausflugserlebnissen bekommen. Zudem haben unsere Boutique-Schiffe weniger Tiefgang und sind bisher gar nicht von den niedrigen Pegelständen betroffen.»

«Eine allgemein geltende Handhabung gibt es in solchen Fällen nicht»

Matthias Reimann

Matthias Reimann, Sprecher, Knecht Reisen (Rivage Flussreisen): «Wir haben bislang bei zwei Flusskreuzfahrten auf der Donau eine Annullation durch die Reederei entgegennehmen müssen. Direkt betroffen sind bei uns bislang vier Personen.

Wir beobachten einerseits die Entwicklung der Situation und sind andererseits mit den Betreibern der Schiffe im nahen Austausch. Eine allgemein geltende Handhabung gibt es in solchen Fällen nicht. Jedes Kundendossier ist individuell, darum suchen wir mit betroffenen Reisenden entsprechend auch individuelle Lösungen.

Die Entwicklung ist noch relativ neu, aber wir evaluieren die Situation fortwährend und tauschen uns mit unseren Partnern und Reedereien regelmässig aus. Die gegenwärtig tiefen Pegelstände auf Europas Flüssen sind per se nicht neu, vergleichbare Sommerereignisse hat es auch in der Vergangenheit gegeben.

Wir sind Reisespezialisten, aber keine Wissenschafter. Daher ist es für uns nicht möglich, die eine oder andere Hypothese zu dieser in den Medien momentan sehr oft thematisierten Frage über die künftige Häufigkeit solcher Ereignisse anzuführen. Die Touristikbranche hat sich in der Vergangenheit immer wieder als sehr lern- und anpassungsfähig bewiesen. Wir werden uns auch weiterhin mit Veränderung befassen und uns als Branche auch immer wieder neu orientieren müssen. Das ist eine Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine Chance, Bestehendes immer wieder neu zu bewerten und wo erforderlich entsprechende Schlussfolgerungen anzustellen.»

(JCR)