Cruise

Moderator Thomas P. Illes führte fachkundig und eloquent durch das hochkarätig besetzte Panel und den Abend. Bild: Rita Röösli/thilles consulting

Wird Hamburg ab 2024 Europas nachhaltigster Kreuzfahrthafen?

Ein hochkarätiges Panel diskutierte letzte Woche in Berlin Herausforderungen und Perspektiven auf dem Weg zur emissionsneutralen Kreuzschifffahrt.

Wie Travelnews bereits mehrmals berichtete, fährt nach zwei Jahren Pandemie auch die Kreuzfahrtbranche ihren Betrieb wieder schrittweise hoch. Allerdings zieht das auch sofort wieder Fragen und Forderungen rund um die Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeitsbilanz dieser nach wie vor sehr beliebten Ferienform nach sich.

Dass sich die Branche diesen Themen stellt, welche Fortschritte sie mittlerweile auf dem Weg Richtung Klimaneutralität verzeichnen kann und wo sie sich noch mehr Unterstützung seitens der Politik zur erfolgreichen Bewältigung der kommenden Herausforderungen wünscht, war letzte Woche Gegenstand eines lebhaften Austausches zwischen Industrievertretern und Politik. Dieser fand auf Einladung im Namen von Senator Michael Westhagemann, Präses der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Innovation (BWI) in Kooperation mit Hamburg Cruise Net e.V. (HCN) im Rahmen eines parlamentarischen Abends in den repräsentativen Räumlichkeiten der Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund in Berlin statt. Moderiert wurde die Veranstaltung vom profilierten Wirtschafts- und Kommunikationsberater sowie Schifffahrtsanalysten Thomas P. Illes.

Der Einladung folgte viel maritime Wirtschafts- und Politikprominenz. Das lag sicher auch am mit Felix Eichhorn, Präsident Aida Cruises, Marie-Caroline Laurent, Director General Cruise Lines International Association (CLIA) Europe und Bernhard Kluttig, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hochkarätig besetzten Panel. Kluttig konnte dankenswerterweise als Ersatz für die ursprünglich am Panel vorgesehene Koordinatorin der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus, Claudia Müller, gewonnen werden, welche kurzfristig absagen musste.

Nach einer kurzen Begrüssungsrede von Senator Westhagemann, in der er die Bedeutung der Kreuzschifffahrt für den Wirtschaftsstandort Hamburg sowie die Bemühungen, Hamburg beispielsweise mittels bis 2024 in allen Cruiseterminals verfügbaren Landstromanschluss zu Europas nachhaltigstem Kreuzfahrthafen zu machen herausstrich, eröffnete Thomas P. Illes die nachfolgende Paneldiskussion mit einigen wesentlichen Anfangsstatements, um auch die anwesenden Abgeordneten/innen und Parlamentarier/innen auf die wirtschaftspolitische Relevanz und Komplexität der maritimen Wirtschaft und Hochseeschifffahrt generell einzustimmen.

Kreuzfahrten als Innovationstreiber Richtung Klimaneutralität

Kreuzfahrten, so Illes, polarisierten schon seit längerem, obwohl sie nach wie vor eine Nische im Tourismus und innerhalb der Hochseeschifffahrt darstellten. Aufgrund ihrer Sichtbarkeit seien Kreuzfahrtschiffe aber zum Symbol eines umweltschädlichen, dekadenten Lifestyles geworden. Daran, das müsse sich die Branche selbstkritisch eingestehen, sei sie selbst nicht unschuldig – zu lange und zu zögerlich hätten wesentliche Teile der Branche mit entscheidenden Schritten Richtung Nachhaltigkeit zugewartet oder nicht immer transparent und offen genug kommuniziert.

Gleichzeitig wies Illes darauf hin, dass die Kreuzfahrtbranche in zahlreichen Destinationen, das zeige auch das Beispiel Hamburg in exemplarischer Weise, ein wichtiges Element in der Wertschöpfungskette und – zusammen mit der vornehmlich nordeuropäischen Fährschifffahrt – in den Bereichen alternativer Antriebstechnologien und Kraftstoffe eine Innovationstreiberin sei. Zwar seien noch längst nicht alle Probleme im Zusammenhang mit der Hochseetouristik gelöst, doch die Ausrüstung der Schiffe mit Landstromanschlüssen und Batterietechnologie oder auch die Nutzung von Flüssiggas LNG als Übergangslösung bis hin zur Entwicklung von maritimen Brennstoffzellensystemen sowie optimierte Abgas- und Abwasserreinigungssysteme dienten als Blaupause für die gesamte Schifffahrt – also auch für die Frachtschifffahrt.

Dabei, so Illes weiter, seien die zu lösenden technischen Herausforderungen auf dem Weg zu einer klimaneutralen Schifffahrt alles andere als trivial. Bei Schiffsemissionen sei beispielsweise zwischen Schwefel, Stickoxiden, Russ, Partikel und Treibhausgasen zu differenzieren. Jede Emissionsart erfordere eigene technische Lösungen und Massnahmen zu deren Eindämmung. Die dazu notwendigen Technologien sind für die Grossschifffahrt zum Teil bereits verfügbar und werden von gewissen Reedereien genutzt. Andere befinden sich noch in der Entwicklungsphase.

Hier stellte Illes die Frage in den Raum, inwiefern die Wichtigkeit von konkurrenzfähigen politischen Rahmenbedingungen und Förderprogrammen für die hiesige maritime Industrie von der Politik erkannt und gestützt wird, um die Industriestandorte Deutschland und Europa für die Entwicklung und Fertigung von innovativer klimaneutraler Umwelttechnologie inklusive leistungsfähiger Werften auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Schifffahrt zu erhalten beziehungsweise die dafür benötigten Kompetenzen nicht auch noch an Fernost zu verlieren. Als Beispiel nannte er die zahlreichen europäischen Fährreedereien, deren «Green Ship»-Neubauaufträge mit stark verbesserter Umweltbilanz in den letzten Jahren fast ausnahmslos nach China abwanderten. Dieses Geschäft, welches in seiner Komplexitätsstufe, so ein emotional sichtlich aufgeladener Verbandsvertreter aus dem Publikum, kurz vor dem Kreuzfahrtschiffbau komme, sei mit dem damit einhergehenden Verlust an Arbeitsplätzen «unwiderruflich verloren».

Begrüssungsrede durch Senator Michael Westhagemann. Bild: Rita Röösli/thilles consulting

Kommt 2030 das erste emissionsfreie Kreuzfahrtschiff?

Aida-Präsident Felix Eichhorn nahm diesen Ball in der anschliessenden Paneldiskussion auf und wies darauf hin, dass sein Unternehmen zusammen mit der Meyer Werft sowie weiteren deutschen Industriepartnern bei seinen Neubauten als wegweisender Pionier für zahlreiche technische Innovationen und Fertigungsprozesse in Richtung klimaneutrale Kreuzfahrt agierte und weiterhin agieren wird. Und zwar mittels Technologien, welche zum Beispiel auch für die Aida-Schwesterreedereien Costa, P&O und Carnival nach Europa und in die USA exportiert werden können. Des Weiteren hoffe Aida, mit deutscher Technologie 2030 das erste emissionsfreie Kreuzfahrtschiff in Betrieb zu nehmen und bis 2040 flottenweit klimaneutral unterwegs zu sein.

CLIA Europe Direktorin Marie-Caroline Laurent räumte ein, dass die Kommunikation der Branche fokussierter und pro-aktiver werden müsse. Sie verwies in ihren Statements auf die Wichtigkeit, die Kreuzfahrtindustrie auf europäischer politischer Ebene aufgrund ihrer Fortschritte zukünftig als förderberechtigten Teil der «Green Economy» anzuerkennen und nicht zu diskriminieren. Laurent präsentierte in diesem Zusammenhang die ambitiöse, auf drei Säulen fussende Nachhaltigkeitsstrategie der CLIA Europe, welche die Bereiche Emissionsreduzierung auf See und in den Häfen, fortschrittliche und modernste Umwelttechnologie an Bord sowie vertiefte Partnerschaften mit den angelaufenen Orten und Häfen unter vermehrter Einbindung der Lokalbevölkerung zum Zwecke eines nachhaltigeren Destinationsmanagement umfasse.

Auf die von Moderator Thomas P. Illes an den Bundesvertreter Bernhard Kluttig gerichtete Frage, wie die Politik die Umweltziele der Kreuzschifffahrt und Hochseeschifffahrt generell zu unterstützen gedenke, erläuterte Kluttig, dass die politische Agenda durchaus die Notwendigkeit einer Transformation diverser Industrien Richtung Dekarbonisierung erkenne, nicht nur in der Schifffahrt. Für die Schifffahrt gäbe es diverse Programme der Bundesregierung, zum Beispiel ein Programm von Förderrichtlinien innovativen Schiffbaus zur Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze oder das Programm «klimaneutrales Schiff» zur Unterstützung von Werften und Reedereien. Gleichzeitig wies Kluttig darauf hin, dass es nicht nur um den emissionsfreien Betrieb, sondern auch um den CO2-neutralen Bau von Schiffen ginge, beispielsweise bei der Frage, woher der Stahl für den Schiffbau stamme, etc. Hier zeigte sich Kluttig zuversichtlich, dass Deutschland und Europa das Rennen als innovative Schiffbaustandorte – auch unter Nutzung eines nationalen maritimen Forschungsprogramms – noch nicht verloren haben und ihre Vorreiterrolle bei modernen Antriebstechnologien beibehalten und zukünftig sogar ausbauen könnten.

In der anschliessenden rege geführten Publikumsdiskussion meldete sich ein weiterer maritimer Verbandsvertreter zu Wort und gab zu bedenken, dass die Schifffahrt zur Dekarbonisierung eine klare rechtliche Zuordnung der Verantwortlichkeiten brauche und auch die Treibstofflieferanten ihren Beitrag leisten müssten. Die Industrie brauche klimaneutrale Treibstoffe für Schiffe –«schnell und viel!».

Als Fazit wurde mit grosser Übereinstimmung konstatiert, dass die Hamburger Initiative in Bezug auf die Pionierrolle, welche dem Hafen seit Jahren in Sachen Entwicklung und Ausbau des Angebots von Landstrom für seine Schiffe im Hafen zukommt, sehr zu begrüssen sei und man den Dialog und eine grenzüberschreitende Vernetzung, wie sie an diesem Abend in Berlin praktiziert wurde, unbedingt weiterführen und ausbauen sollte.

Am Anlass gab es viel maritime Wirtschafts- und Politikprominenz. Bild: Rita Röösli/thilles consulting

(TN)