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Kein Kreuzfahrtstopp mehr in St. Petersburg: Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben mehrere Reedereien die russische Stadt vom Programm gestrichen. Bild: Chiew Loo

Russland wird für Reiseunternehmen zur No-go-Zone

Die Lage in der Ukraine eskaliert und immer mehr Reedereien und Reiseveranstalter stoppen ihre Russland-Angebote - darunter auch Schweizer Flusskreuzfahrtanbieter. Verbindungen zur russischen Unternehmen und Investoren werden zum Corporate-Governance-Thema.

Der Krieg in der Ukraine wirkt sich wie erwartet stark auf den Tourismus aus. Während sich die Situation in Osteuropa zuspitzt, melden sich immer mehr Unternehmen zu Wort, welche Russland blacklisten.

Allen voran hört man von Kreuzfahrtanbietern mit Absagen und geänderten Routen. Betroffen ist davon vor allem St. Petersburg, aber auch Häfen im Schwarzen Meer sowie Flüsse. Bereits haben mehrere Reedereien Russland aus ihrem Programm genommen. Geschätzt wird jedoch, dass noch mehr Kreuzfahrtanbieter Absagen aussprechen werden, sobald die Ersatz-Fahrtrouten feststehen.

MSC hat die geplanten Anläufe in St. Petersburg von Ende Mai bis Oktober ausgesetzt (Travelnews berichtete). Betroffen sind die vier Schiffe MSC Preziosa, MSC Grandiosa, MSC Poesia und MSC Virtuosa. Die Reederei ist mit alternativen Häfen wie Stockholm, Helsinki und Tallinn in Kontakt, um die Anläufe für die Schiffe zu bestätigen. MSC will auch seine Website aktualisieren und dort die bestätigten Details der neuen Routen wiedergeben. Derzeit läuft kein Schiff von MSC Cruises St. Petersburg an.

Zwei Schweizer Unternehmen aus Weinfelden im Thurgau gehören zu den Grossen unter den europäischen Anbietern für Flusskreuzfahrten: das Reisebüro Mittelthurgau und Thurgau Travel. Auch diese beiden Unternehmen stoppen ab sofort alle Fahrten auf russischen Flüssen. Die betroffenen Kundinnen und Kunden könnten ihre Reise umbuchen oder ganz darauf verzichten. Thurgau Travel besitzt in Russland keine eigenen Schiffe, ist aber an einem russischen Schiff finanziell mit ein paar Prozenten beteiligt. Schlimmstenfalls drohe ein Abschreiber, der wäre aber verkraftbar, sagt Daniel Pauli, Geschäftsführer von Thurgau Travel. Das Reisebüro Mittelthurgau hat seine Flusskreuzfahrten in Russland und der Ukraine ebenfalls gestoppt. Es schreibt auf seiner Website, diese seien «derzeit nicht buchbar». Und: «Die aktuelle Sicherheitslage lässt derzeit keine Reisen in dieser Destination zu.» Auch Phoenix Reisen hat übrigens seine Russland-Flusskreuzfahrten bis auf Weiteres suspendiert.

Auch Sea Cloud Cruises hat die diesjährigen St. Petersburg-Anläufe des neuen Grossseglers Sea Cloud Spirit aus dem Programm genommen. Die ehemalige Zarenstadt hatte ursprünglich vier Mal auf dem Fahrplan für die Ostsee-Premiere des Dreimast-Vollschiffes gestanden. Für die Reisen im Juni und Juli wird Sea Cloud Cruises jetzt einen neuen Verlauf entwickeln. Die gebuchten Gäste wurden bereits über die Entscheidung informiert.

TUI Cruises kündigte am Montag an, wegen des Angriffs auf die Ukraine die russische Hafenstadt St. Petersburg aus ihrem Programm zu streichen. «Vor dem Hintergrund der Ereignisse haben wir uns aus ethischen und moralischen Gründen entschieden, die Fahrpläne unserer Ostsee-Kreuzfahrten von Mai bis Oktober 2022 anzupassen: Wir werden St. Petersburg nicht mehr anlaufen», teilte eine Sprecherin der Reederei in Hamburg mit. Alternativ sollen Städte im Baltikum wie Klaipėda in Litauen und Riga in Lettland beziehungsweise Kopenhagen in Dänemark und Visby in Schweden angesteuert werden.

Die Carnival Corporation, zu der auch Aida Cruises gehört, hatte bereits am Samstag angekündigt, dass keine der neun Marken in der nächsten Zeit Anläufe in Russland realisieren wird. Gestern (1. März 2022) hat sich AIDA Cruises selbst an die Kunden gewandt und mitgeteilt, dass es in der bevorstehenden Sommersaison 2022 keine Anläufe in russischen Häfen geben wird – somit wurde die Aussage der Carnival Corporation bekräftigt. Insbesondere sind die Ostseekreuzfahrten betroffen, bei denen St. Petersburg angesteuert werden sollte.

Als erste Reederei hatte Norwegian Cruise Lines bekannt gegeben, Russland aus dem Programm zu streichen. Es handele sich um circa 50 Touren, bei denen in dieser Sommersaison ein Stopp in Sankt Petersburg vorgesehen war. «Das ist enttäuschend«, sagte Norwegian-Chef Frank Del Rio laut Skift. «Sankt Petersburg ist eine der Kronjuwelen auf den Skandinavien-Routen. Aber natürlich gibt es Alternativen.»

Auch Atlas Ocean Voyages, Viking Cruises, Saga Cruises und Windstar Cruises werden Russland zunächst nicht mehr anlaufen.

Auch die Veranstalter machen ernst

Soweit zu den Reedereien. Aber auch Veranstalter haben ihre Russland-Reisen bereits komplett abgesagt, zum Beispiel Hauser Exkursionen oder Chamäleon. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Russland-Studienreisen abgesagt werden.

Für grösseres Aufsehen sorgte da der Entscheid der grossen OTA Expedia, keinerlei touristische Leistungen in/nach Russland mehr anzubieten. Es ist die erste grössere OTA, welche diesen Schritt unternimmt. Sehr viel Geschäft war mit Russland wohl eh nicht mehr zu erwarten, es ist aber doch ein weiteres starkes Statement eines bekannten, global tätigen Reiseunternehmens.

Derweil wird auch auf technologischer Ebene vorgegangen, und wir meinen damit nicht die Hackerangriffe von Anonymous auf Russland. Nein, das Düsseldorfer Reisetechnologie-Unternehmen Peakwork hat inzwischen ebenfalls angekündigt, sämtliche Partnerschaften mit Russland umgehend einzustellen. Peakwork hat ein Entwicklerteam in der Ukraine und ist mit seiner Player Hub Technologie auch in Russland vertreten, über eine exklusive Vertriebspartnerschaft, die nun aufgelöst wird.

Ach, und dann ist ja da noch der Fall Mordaschow: Der russische Milliardär ist seit 15 Jahren Aktionär der TUI und über dessen Firmengruppe Unifirm Eigner von über 30 Prozent des weltgrössten Reisekonzerns. Mordaschow hatte sich an mehreren Kapitalerhöhungen - doch Brüssel wirft ihm vor, von Verbindungen zu russischen Entscheidungsträgern profitiert zu haben. Mordaschow kann dies wohl kaum abstreiten, hielt jedoch fest, dass Sanktionen gegen ihn kaum zur Lösung des Ukraine-Konflikts beitragen würden. Delikates Terrain für TUI-CEO Friedrich Joussen, der allerdings davon ausgeht, dass sich die Sanktionen gegen Russland und insbesondere Mordaschow nicht auf das TUI-Geschäft auswirken werden. Die Frage stellt sich hier aber, ob man über mögliche finanzielle Auswirkungen reden muss oder ob Mordaschows Beteiligung letztlich zu einer Frage der Corporate Governance bzw. des Rufs der Marke TUI wird. Klar ist zumindest, dass Mordaschows Privatvermögen infolge des Verfalls von Börsenkursen und der Rubel innert Kürze massiv abgenommen hat. Was das für seine Beteiligungen heisst, wird sich weisen.

Sogar auf touristische Events wirft der Krieg schon seinen Schatten: So wurde der VIR Online Summit von nächster Woche abgesagt. «In Anbetracht der politischen Situation, in der viele unschuldige Kriegsopfer zu beklagen sind, halten wir es nicht für angemessen, derzeit über das Reiseverhalten, den Impact von Corona auf die Reiseindustrie oder über Ausblicke auf die kommende Sommersaison zu sprechen - die bestehenden Herausforderungen und Probleme der Touristik erscheinen uns dagegen sehr klein» erläutert VIR-Vorstand Michael Buller die Gründe für die Absage des jährlichen Events.  

Was nun?

Es ist wohl noch zu früh für Schlussfolgerungen. Klar ist, dass Russland auf absehbare Zeit «terra non grata» sein wird und die dortige Wirtschaft - aber auch die europäische Wirtschaft, die in Wechselwirkung zur russischen steht - eine (weitere) Schwächephase durchleben muss.

Die globale Tourismusbranche wird von diesen ökonomischen Auswirkungen ebenfalls längerfristig betroffen sein. Russische Gäste werden vorerst wegbleiben, was für viele Tourismusländer ein härterer Schlag ist als für viele Unternehmen, die Reisen nach Russland verkauften. Leider sieht es aktuell auch nicht danach aus, als ob der Konflikt auf die Schnelle durch sein wird.   

(JCR/AAA)