Cruise
Direktinkasso: Das sagt MSC Cruises zu den Vorbehalten der Branche
Jean-Claude RaemyAnfangs dieser Woche berichtete Travelnews, dass MSC Cruises – bis dato eine der am meisten gebuchten Kreuzfahrtgesellschaften im Schweizer Markt – sämtlichen Partnern in der Schweiz eine Änderungskündigung zukommen liess. Bestehende Verträge wurden fristgerecht vor dem 30. September gekündigt, mit Wirkung zum 31. Dezember 2020. Im neuen Vertrag steht, dass ein Prozess für Direktinkasso ab dem 1. Januar 2021 implementiert wird.
Das heisst für das Reisebüro, dass es die Buchung künftig bei MSC platziert und der Reederei Adresse, Telefonnummer und Mailadresse des Kunden übermitteln muss; MSC schickt diesem dann Anzahlungs- und Restzahlungsrechnungen sowie allfällige Mahnungen. Das Reisebüro erhält die Tickets zum Verschicken an den Kunden sowie eine Kommissionsabrechnung, wobei die Zahlung der Kommission erst nach Abreise des Kunden erfolgt.
Ein Vorgehen, das in der Schweiz bislang unüblich war, wie Travelnews bereits in einem Kommentar festhielt. Es geht darum, dass künftig also bisherige «Bearbeitungsgebühren» des Reisebüros separat dem Kunden berechnet werden müssten, und dass der Cash-Flow beeinträchtigt bzw. an MSC übergeben wird. Der Aufschrei in der Reisebranche ist denn auch gross; in einschlägigen Facebook-Foren wird - wir nennen hier keine Namen direkt - praktisch rundweg und in teils harschen Worten davon geschrieben, dass der neue Vertrag abgelehnt wird und man künftig eben MSC-Angebote nicht mehr verkaufen werde.
MSC will mehr Transparenz und klare Unterscheidung zwischen Vermittler und Veranstalter
Bei MSC hatte man mit negativen Reaktionen gerechnet, war dann aber von der Heftigkeit gewisser Aussagen doch befremdet, erklären Sebastian Selke (Geschäftsführer, MSC Cruises Switzerland) und Simon Gauch (Sales Director MSC Cruises Switzerland), mit welchen Travelnews mittels Zoom-Konferenz das Thema heute nochmals aufgegriffen hat. Selke erklärt: «Dieses Vorgehen ist nicht auf die Schweiz begrenzt, sondern wird europaweit umgesetzt, also etwa auch in Österreich. Der Hintergrund ist der, dass MSC Cruises seine Cash-Positionen absichern muss. Wir brauchen aber den Vertrieb und wollen, mit sauber geregelten Verträgen, die Partnerschaft mit diesem auch weiter pflegen.»
Der Vertrieb wird nun vom Sales-Team Gauchs in den kommenden Wochen und Monaten nochmals persönlich angegangen, da noch Diskussionsbedarf herrscht. Einige Termine stehen bereits, viele Partner waren ohnehin schon vorinformiert worden. Für Gauch geht es darum, auch die Vorteile der neuen Lösung zu zeigen und klarzustellen, dass MSC weiterhin da ist für den Vertrieb, «mit attraktiven Kommissionen, mit Incentives, mit Hilfe bei Events, mit Marketingzuschüssen, mit Schaufensterdeko und mehr». Es könnte jedenfalls für den Vertrieb weniger einfach sein als wie in Sozialen Medien vielfach angekündigt, den MSC-Verkauf einfach einzustellen.
Obwohl der Direktvertriebs-Anteil zuletzt gewachsen ist, macht der Verkauf über den stationären Vertrieb in der Schweiz zwar immer noch den Löwenanteil bei MSC aus. Das muss sich auch nicht ändern - doch wurde eben in der Schweiz teils nicht sauber zwischen Vermittler und Veranstalter unterschieden. MSC will hier klare Verhältnisse haben. Darauf angesprochen, dass manche Schweizer Reiseunternehmen den Cash-Flow gerne bei sich sähen, verweist Selke darauf hin, dass das Geld von der Vertriebsstelle gemäss Vertrag ohnehin treuhänderisch verwaltet werden muss und nicht für eigene Kosten verwendet werden darf.
Ein weiterer «Pain Point» einiger Reisebüros geht dahin, dass nun eben Beratungs- oder Servicegebühren separat dem Kunden berechnet werden müssen. Das bedeutet mehr Aufwand und erlaubt es nicht mehr, versteckte Gebühren zu inkludieren. Selke erklärt hierzu: «Dass ein Reisebüro für seine Leistung Geld verlangt, ist absolut legitim. Es muss aber Transparenz im Markt geben dazu, was eben die Kosten für die Cruise-Leistung sind und was für den Vertriebs-Service anfällt.»
Daten werden nicht für Marketingzwecke verwendet
Der grösste Diskussionspunkt ist jedoch das Weitergeben der Daten. Gauch versichert, dass im neuen Vertrag festgehalten wird, dass die Kundendaten von MSC nicht für Marketingzwecke verwendet werden dürfen. Ist der Aufstand wegen Daten überhaupt zeitgemäss? Kundendaten liegen in vielerlei Form bei den Leistungsträgern vor, bei Airlines, Hotels und eben auch bei MSC, nämlich spätestens dann, wenn die Kundendaten für das Abfüllen des «Bordmanifests» vor Beginn der Kreuzfahrt übermittelt werden. Selke hält fest: «Nur wer Clubmitglied bei MSC ist, und dadurch explizit die Erlaubnis erteilt hat, von uns kontaktiert zu werden, erhält auch Marketing-Mitteilungen von uns. Das war bisher kein Problem - Vertriebsstellen wie etwa das Reisebüro Mittelthurgau haben viele MSC-Clubmitglieder als Kunden; diese buchen aber trotzdem bei ihnen, weil sie eben den Service und die Added-Value der Vertriebsstelle schätzen.»
Jenen Reisebüros, die nun in den Raum stellen, einfach ihre eigene Adresse statt jene des Kunden im System einzugeben, gibt Selke Folgendes zu bedenken: «Die Kundendatenübermittlung erfolgt digital und auch der Versand unserer Rechnungen ist automatisiert. Wenn ein Reisebüro eine Buchung im Jahr macht, kommt es damit vielleicht durch. Wer aber mehrere bzw. viele MSC-Buchungen absetzt, wird schon bald auffliegen und danach natürlich von uns angegangen.»
Verständnis hat man bei MSC indes für solche Reisebüros, welche erklären, dass sie für die Umstellung Zeit benötigen, weil beispielsweise ihre Mid- und Backoffice-Systeme nicht auf Direktinkasso ausgerichtet sind. Hierbei werde sich MSC nicht so «Datums-rigide» zeigen, versichert Selke: «Die Umstellung auf das neue Direktinkasso-System erfolgt im Verlauf von 2021. Sollte jemand Zeit dafür benötigen, lässt sich mit uns diskutieren, d.h. die neue Regelung muss nicht zwingend ab dem 1. Januar in Kraft sein. Man könnte dann über einen Vertrags-Annex eine Umstellung auf Direktinkasso zu einem späteren Zeitpunkt vereinbaren.»
Sicher ist aber, dass die Umstellung kommen wird. Und es muss sich noch zeigen, ob die Rundum-Ablehnung durch viele Vertriebsstellen denn auch durchgezogen wird. Bei der Nullkommissions-Einführung der Airlines vor einigen Jahren blieb dem Vertrieb unter dem Strich auch nichts anderes übrig, als sich darauf einzustellen und das Geschäftsmodell anzupassen. Selbst eine Art «MSC-Boykott» durch diverse Schweizer Vertriebsstellen dürfte wenig bewegen beim Versuch, die «Schweizer Eigenart» im eigenen Geschäftsmodell zu retten. Übrigens: In Österreich haben TUI und Rewe kürzlich selber Direktinkasso eingeführt.