Cruise

Beim Kreuzfahrtvertrieb in der Schweiz kommt es zu Änderungen. Wie der Vertrieb darauf wohl reagiert? Bild: AdobeStock

Kommentar Ist der direkte Zugang zum Kunden wirklich immer besser?

Jean-Claude Raemy

MSC Cruises will das Direktinkasso forcieren und auch anderswo lassen sich Tendenzen feststellen, wonach die Leistungsträger direkter an die Endkunden wollen. Das verändert die Vertriebslandschaft.

MSC Cruises führt in der Schweiz einen Direktinkasso-Prozess ein. Ein solcher ist in anderen Ländern teils bereits gängig, in der Schweiz indes noch nicht. Es reiht sich ein in eine Liste von weiteren Versuchen, von Airlines oder auch Reiseveranstaltern, direkter zum Endkunden zu gelangen.

Nun kann das für den Endkunden durchaus Vorteile haben. Man kennt es aus dem Airline-Bereich: Gibt es eine Flugänderung, wird man direkt von der Airline dazu per SMS informiert. Das ist weitgehend automatisiert. So etwas könnte natürlich auch im Cruise-Bereich sinnvoll sein. Ausserdem, so könnte man argumentieren, ist es doch gerade in Covid-Zeiten auch für den Vertrieb positiv, wenn man sich nicht mit Refunding-Themen herumschlagen muss, da der Geldfluss ja direkt zwischen Kunde und Leistungsträger stattgefunden hat.

Anders herum muss sich der Vertrieb fragen, worin seine Zukunft liegt. Gegen die Direktinkasso-Prozeduren gibt es einige Argumente im Raum. Zum einen ist klar, dass Zwischenhändler die Kundendaten nie gerne auf dem Silbertablett dem Leistungsträger präsentieren. So verliert man graduell die Hoheit über den Kunden, der dann auch im Marketing direkt angegangen werden kann. Überdies ist es für Leistungsträger - so die Angst des Vertriebs - dann jeweils nicht mehr weit, in einem zweiten Schritt auch Kommissionen einzustellen, wenn man ja den Endkunden mal hat. Den Wert der Vermittlungsleistung aus Sicht der Leistungsträger haben viele Reisebüros schmerzlich erkannt, welche während der Covid-Krise einfach Netto-Refunds erhalten haben, also deren Aufwand in keinster Weise finanziell honoriert wurde.

Zum anderen gibt hier noch die Frage des Cash-Flow: Einen solchen braucht auch der gebeutelte Vertrieb, dessen mögliche Insolvenzen übrigens durch Kundengeldabsicherungen gedeckt sind, im Gegensatz zu vielen Leistungsträgern. Fliesst der Grossteil des Geldes direkt zum Leistungsträger, kann das Reisebüro nur noch mit der irgendwann gezahlten Kommission geschäften. Nicht unmöglich, das würde aber gerade in der Schweiz bei einigen Marktteilnehmern Umstellungen erfordern. Und da sprechen wir nicht von «zurückgebliebenen Marktteilnehmern», die nun eh langsam aussterben werden, sondern von Marktteilnehmern, die rentabel in einem Reise-Ökosystem unterwegs waren, welches jetzt massiv verändert wird, natürlich nicht nur von MSC.

Der Paradigmenwechsel kommt

Im Raum steht nun die Frage, wie die Rolle des Vertriebs künftig aussieht. Da werden Kompetenzen beschnitten, Aufwände kaum honoriert (man kennt das schon von den «Handling Fees», die noch zugestattet werden), die Fronarbeit bei der ganzen Abwicklung des komplexen Produkts «Reisen» im Falle von Problemen - welche bekanntlich in der Reisebranche mit schöner Regelmässigkeit auftauchen - wird auch nicht wirklich honoriert. Zudem gilt ja inzwischen oft, dass der Aufwand grösser als früher ist, für weniger Umsatz/Gewinn.

Umgekehrt liegt MSC auch korrekt darin, dass in der Schweiz die Begriffe Vermittler und Veranstalter oft und gerne nicht so präzis voneinander getrennt sind. Daher auch der Versuch, dies nun vertraglich klarer zu regeln. Auf die Gefahr hin, dass einige Vertriebsstellen die neuen Verträge schlicht nicht akzeptieren. Angesichts der Marktmacht von MSC ist davon allerdings wohl nur in Einzelfällen auszugehen. Trotzdem tut man bei MSC gut daran, die Call Center auf Vordermann zu haben für den Fall von Problemen. Oder aber man muss die Vertriebsstellen, sollten sie trotzdem noch den ganzen Aufwand im Problemfall bei sich haben, angemessen entlöhnen, selbst wenn unter dem Strich für den Leistungsträger kein Umsatz herausschaut. Sonst ist es keine echte Partnerschaft.

Voll auf die Zwischenhändler kann man kaum verzichten, trotz moderner Online-Buchungsmethoden und immer besseren Systemen. Das hat gerade die gigantische Covid-Krise wieder gezeigt. Es braucht Ansprechpartner, die da sind, die «sich kümmern» - etwas, was Bots oder überlastete Service-Centers irgendwo im Ausland der Service-verwöhnten Schweizer Kundschaft noch erst unzureichend bieten können. Vorerst müssen sich aber die Reiseunternehmen in der Schweiz, wenn sie dann mal dazu kommen, auch um ihre eigene Zukunft kümmern, oder sie ver-kümmern. Prioritär dabei wird auch sein, endlich mal die Revision des Pauschalreisegesetzes durchzubringen. Da ist man ja seit Jahren daran. Vielleicht wird dank Covid19 immerhin auch hier noch etwas Dampf gemacht.