Cruise

«Basta!» sagen viele Venezianer zur überbordenden Cruise-Industrie. Bild: TN

Cruise-Industrie im Kampf mit Gegenströmung

Jahresrückblick, Teil 5 – Kreuzfahrten: Overtourism- und Umweltvorwürfe setzen den Reedereien zu – ebenso die Verzögerungen bei den zahlreichen Inbetriebnahmen.

Anfangs Juni kochte Venedig über. Nachdem einige Tage zuvor die MSC Opera beim Anlegen mitten in Venedig in die River Countess krachte und vier Personen verletzt im Spital landeten, schrien die Venezianer: Basta! Ein Travelnews-Reporter war vor Ort und sprach mit den Cruise-Demonstranten.

Der Unmut über die Giganten der Meere wächst zusehends. Als Auslöser von Overtourism werden die Reedereien gebrandmarkt, in der CO2-Debatte kriegen sie ebenso ihr Fett weg. Zu recht oder unrecht: die Cruise-Industrie habe zulange gezögert, findet Cruise-Experte Thomas P. Illes. In erster Linie sollten die Reedereien die Kritik schneller ernst nehmen, sich gesprächsbereiter zeigen sowie offener, transparenter und proaktiver kommunizieren.

Einige Wochen später

Proaktiv kommunizieren die Reedereien, wenn es um Neuerungen und Inbetriebnahmen geht. Auffallend in diesem Jahr aber: immer öfter können die angekündigten Daten der Schiffstaufen und Erstfahrten nicht eingehalten werden. Ob AIDAmira, Costa Smeralda, Hanseatic Nature, die MSC-Karibikinsel Ocean Cay oder Scenic Eclipse: los gings mit diesen Cruise-Projekten erst einige Wochen später als zunächst kommuniziert – ein Unding für Passagiere und Vertriebspartner.

Gut möglich, dass auch das neue Jahr von Verzögerungen geprägt sein wird. Denn im Jahr 2020 sollten diese 23 neuen Kreuzfahrtschiffe in See stechen. Hochbetrieb – oder zu hoher Betrieb? –ist also in den Werften angesagt. Denn unbestritten ist die Nachfrage nach Kreuzfahrten weiterhin gross.

Neuerliches Rekordjahr

Wie stark die Kreuzfahrt-Gesellschaften auch im Jahr 2019 zulegen konnten – und dies trotz der erwähnten Gegenströmungen –, haben nicht zuletzt die zahlreichen grossen Interviews gezeigt, die Travelnews in diesem Jahr mit Cruise-Exponenten publizieren konnte.

«Wir haben ein Rekordjahr hinter uns und steuern direkt auf das nächste zu» sagte NCL-Europadirektor Kevin Bubolz.

Ausführlich über Neuheiten, Cruise-Wachstum, Agentenschulungen und Nachhaltigkeit äusserte sich im Travelnews-Interview auch Felix Eichhorn, President AIDA Cruises. Viel Potenzial ortet Eichhorn insbesondere noch in der Schweiz: «Es gibt Zahlen zum Verhältnis Einwohnerzahl/Kreuzfahrtgäste. Für die Schweiz kommt man so auf knapp 1,8 Prozent, für Deutschland auf etwas über 2,7 Prozent – in den USA kommt man aber auf bereits über 3 Prozent. Wir gehen davon aus, dass eine solche Durchdringung auch im Schweizer wie im deutschen Markt möglich ist.»

In einem weiteren Interview unterstrich der mittlerweile zurückgetretene MSC-Schweiz-Chef Pythagoras Nagos, wie wichtig Reisebüros im Cruise-Vertrieb sind und wie wichtig Cruises für Reisebüros sind: «Kreuzfahrten sind ein sehr beratungsintensives Produkt, da können unsere Partner eine grosse Leistung bringen. Gleichzeitig merken wir, dass die B2B-Partner ein sehr loyales Publikum haben, auch überraschend viele jüngere Kunden. Und Kreuzfahrten bieten weiterhin sehr gute Provisionen. Reisebüros tun also gut daran, Kreuzfahrten weiterhin zu pushen.»

Jahresrückblick 2019

Teil 1, Airlines: Die ausufernde Liste gestrauchelter Airlines
Teil 2, Reiseanbieter: Im Schatten der Thomas-Cook-Pleite
Teil 3, Destinationen: Katastrophen, Overtourism und neue Ziele
Teil 4, Hotellerie: Die schöne neue Übernachtungswelt

(GWA)