Business Travel

Seit dem 1. Februar 2021 ist Kent Gränicher Managing Director von BCD Travel Schweiz. Vor seinem Wechsel zu BCD arbeitete er von 2007 bis 2019 bei der UBS als Travel Manager. Bild: HO

«Es ist nicht jede Geschäftsreise durch ein Videomeeting ersetzbar»

Gregor Waser

Kent Gränicher, der neue Managing Director von BCD Travel Schweiz, sagt im Interview, welche Projekte in der aktuellen Phase Priorität haben und welche Auswirkungen Covid auf die künftige Geschäftsreisewelt hat.

Herr Gränicher, wie präsentiert sich die aktuelle Situation bei BCD Travel in der Schweiz?

Kent Gränicher: Wie bei allen Unternehmen im Reisebereich ist es derzeit natürlich ruhiger, was die Transaktionen betrifft. Gleichzeitig sind wir aber intensiv mit Projektarbeiten beschäftigt. Wir treiben zahlreiche Prozesse und Technologien voran, mit dem Ziel, digitale Lösungen weiterzubringen und Reiseprozesse zu entschlacken. Da geht es auch darum, frühzeitig auf künftige Veränderungen vorbereitet zu sein.

Welche Themen bearbeiten Sie da?

Aus dem Bereich Meetings und Events sind es sicherlich die virtuellen Meetings. Allein im letzten Jahr hat BCD M & E über 1500 teilweise aufwendig produzierte virtuelle Meetings durchgeführt – von Mitarbeiterversammlungen über Produktlaunches hin zu mehrtägigen Workshops. Unseren Kunden in der Schweiz möchten wir das spezifische Fach-Know-How für virtuelle und hybride Veranstaltungsformen nun vermehrt anbieten. Dann haben wir mehrere Lösungen für Reisegenehmigungen erarbeitet, darunter ist eine Version, die sehr einfach und schnell implementiert werden kann. Ein weiteres Projekt dreht sich um digitale Zahlungen. Hier sind wir daran, eine Lösung zu entwickeln, die den Zahlungs- und Spesenprozess für alle Mitarbeitenden einer Unternehmung stark vereinfacht und hilft, die Reiseausgaben zu reduzieren.

Hat Covid-19 einen unmittelbaren Einfluss auf Ihre laufenden Projekte?

Wir haben schon seit Längerem einen Covid-19-Infohub aufgeschaltet, der Echtzeit-Informationen liefert zu den ganzen Einschränkungen, Bestimmungen und Richtlinien der einzelnen Länder, Fluggesellschaften und Flughäfen. Das Tool hat sich sehr gut bewährt und ist auch öffentlich zugänglich. Und weil wir ja auch spüren, dass die Reiselust zurückkommt, haben wir einen «Back to Travel Guide» herausgegeben, der den Reiseverantwortlichen in den Firmen unter anderem mit hilfreichen Checklisten zur Hand geht, damit sie nichts vergessen, wenn es dann wieder losgeht. Dieser Leitfaden soll helfen, sich auf die neuen Verhältnisse anzupassen.

«20 bis 25 Prozent unserer Mitarbeitenden erhalten Homeoffice-Verträge.»

Gibt es bei BCD Travel auch Neuigkeiten, die speziell die Schweiz betreffen?

Wir wollen die Zusammenarbeit zwischen Firmen und BCD weiter vereinfachen und haben hierzu sogenannte Service-Pakete entwickelt, insbesondere für KMU und mittelgrosse Unternehmen. Das werden voraussichtlich drei unterschiedliche Paketlösungen sein. Themen wie Online-Booking-Tool, Buchungsprozess, Agenten-Kontakt, Reporting, Account Management, Reiserichtlinien, etc. werden dabei abgedeckt. Wir möchten den Firmen eine unkomplizierte Auswahl bieten, schliesslich sind es ja nicht immer langjährige Reiseexperten, die für das Reisemanagement zuständig sind. Und so können diese sich einfach für ein Paket entscheiden und wissen, hier ist alles schon abgedeckt. Dadurch kann die Komplexität von managed Travel deutlich reduziert werden. Die Namen sind noch in Entstehung, es geht da in Richtung «basic» bis «top». Kostenmässig ist zu sagen: wenn immer etwas standardisiert werden kann, wirkt sich das positiv auf die Konditionen aus.

Was verändert sich für BCD-Mitarbeiter in der Schweiz?

Schon vor Covid haben wir eine Neuerung eingeführt: Mitarbeitende können bei uns von zuhause aus arbeiten. Entsprechend bieten wir sogenannte Homeoffice-Verträge an. Rund 20 bis 25 Prozent unserer Mitarbeitenden werden auch nach Covid ausschliesslich von zuhause aus arbeiten. Zudem hat die Schweiz seit dem 1. Februar mit mir wieder einen Managing Director. Damit verbunden ist, dass BCD wieder mehr Verantwortung in die Schweiz übergibt, damit wir auch hier wieder spezifischer auf die Bedürfnisse der Kunden vor Ort eingehen können. Ich denke, das ist ein sehr positives Signal für hiesige Unternehmen und den Schweizer Geschäftsreisemarkt.

Wie schätzen Sie den Reisenachholbedarf ein?

Auf diese Frage haben wir konkrete Antworten erhalten anhand einer Umfrage, die wir im Februar unter 844 Geschäftsreisenden durchgeführt haben. 30 Prozent der Reisenden denken, dass sie bis Mitte dieses Jahres wieder auf Geschäftsreisen gehen. 83 Prozent gehen davon aus, dass sie bis Ende Jahr mindestens eine Geschäftsreise absolvieren. Die Zuversicht in Bezug auf eine Erholung bis Ende Jahr ist also gross. Weiter erwarten 50 Prozent, dass sie bis Mitte Jahr eine Impfung erhalten. Hier wird sicherlich das Thema der digitalen Impfpässe entscheidend sein, um sich bei einer Reise legitimieren zu können. Bei diesem Umfragepunkt sagen die Reisenden, ein solcher Impfpass muss sicher und zuverlässig sein, sehr einfach in der Anwendung und ganz entscheidend ist, dass er grossflächig akzeptiert wird.

Wie gross wird Ihrer Meinung nach das effektive Reisevolumen künftig noch ausfallen?

Was das Vor-Covid-Reisevolumen betrifft – da gehen wir davon aus, dass es drei bis fünf Jahre dauern wird, bis wir wieder ein solches Volumen sehen. Es braucht da sicherlich eine gewisse Zeit – und es sind nun ja auch alternative Formen entstanden, sich auszutauschen. Da haben sich einige bewährt. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass der Bedarf nach physischen Meetings sehr gross ist und sein wird. Bei einem persönlichem Treffen, bei dem man sich direkt in die Augen schauen kann oder ein Produkt vor Ort begutachtet, lässt sich Vertrauen besser und nachhaltiger aufbauen, als durch einen rein virtuellen Austausch.

Wobei wir alle ja schon auch festgestellt haben, welche Zeit- und Kostenersparnis Videomeetings mit sich bringen.

Videomeetings sind eine praktische Realität geworden, die wir nicht mehr ausblenden können oder wollen. Die Firmen und Mitarbeiter haben nun gelernt, damit zu arbeiten und diese virtuellen Meetings werden auch weiterhin Bestand haben. Ich sehe aber auch, dass viele Videomeetings bisherige Telefonmeetings ersetzt haben. Zudem ist auch klar: es ist nicht jede Geschäftsreise durch ein Videomeeting ersetzbar. Die Leute warten darauf, die soziale Interaktion wieder aufleben zu lassen, sei das zum Beispiel an Kongressen mit einem effektiven Networking oder an einem Workshop.

«Die Gesundheit und Sicherheit eines Reisenden wird an erster Stelle stehen.»

Was sagen Sie zu einer möglichen Symbiose virtueller und realer Meetings?

Diese Entwicklung zeichnet sich ab. Die Leute möchten physisch anwesend sein an einem Kongress und sich persönlich austauschen. Doch dank virtueller Möglichkeiten lässt sich gleichzeitig der eine oder andere Speaker virtuell aus Übersee aufschalten und die Qualität und Attraktivität eines solchen Anlasses wird dadurch nochmals erhöht. Jüngst konnten wir bei uns anlässlich eines BCD-Meetings den CEO eines Airline-Partners dazuschalten. Bei einem physischen Treffen hätte es diese Gelegenheit vielleicht nicht gegeben.

Welche weiteren Veränderungen kommen auf die Geschäftsreisewelt zu?

Ganz grundsätzlich werden sich die Geschäftsreisen in Zukunft verändern. Die Gesundheit und Sicherheit eines Reisenden wird an erster Stelle stehen. Und hier benötigen die Reisenden auch die aktuellen Informationen, was sie nun bei der anstehenden Reise zu erwarten haben. Und in diesem Bereich sehen wir in Zukunft auch verstärkt unsere Aufgabe. Mit dem Zugriff auf die aktuellen Reiseinformationen können wir unsere Kunden bestmöglich beraten. Weiter gilt es künftig einzuberechnen, dass eine Reise länger dauern dürfte angesichts neuer Anforderungen bezüglich Abstandsregeln und Gesundheitschecks an den Flughäfen. Man wird wohl wieder etwas früher am Flughafen sein müssen.

Auch die Nachhaltigkeit wird in Zukunft eine grössere Rolle spielen. Trotz aller Pandemiediskussionen darf man dieses Thema nicht vergessen. Firmen legen einen immer grösseren Wert auf ein CO2-Reporting, sie wollen genau Bescheid darüber erhalten, welchen ökologischen Fussabdruck sie hinterlassen. Ausserdem schauen sie genau auf ihre Lieferanten. BCD verfolgt seit vielen Jahren eine stringente Nachhaltigkeitsstrategie und hat sich wissenschaftlich fundierte Klimaziele (Science Based Targets, siehe Box) gesetzt. Das ist für unsere Kunden wichtig, da das zur Erreichung der eigenen Klimaziele beiträgt. Für die Wahl des Transportmittels erwarten wir gerade bei Kurzstrecken, wo eine Flugalternative besteht, aus Gründen der Nachhaltigkeit eine Verlagerung zur Bahn auf bestimmten Strecken, wenn die Bahnen bei der Produkteinnovation ansetzen. Ich denke da zum Beispiel an Nachtzüge, mit denen der Geschäftsreisende ausgeschlafen am Zielort ankommt.