Business Travel

Äussern sich über die Zukunft von Geschäftsreisen, von links: Christoph Carnier (Präsident VDR), Andreas Schneider (Head of Business Travel bei DER Touristik Suisse) und Tony Seifarth (Head of Sales DACH von Cathay Pacific). Bilder: HO

Die Geschäftsreisewelt nach Corona

Business Travel war einmal. Derzeit erfolgen Geschäftskontakte nur noch digital. Drei Experten sagen, wie die Geschäftsreisewelt nach der Pandemie aussehen könnte.

Derzeit gibt es wenige Gründe, sich auf eine Geschäftsreise zu begeben – keine Messen, keine Kongresse, keine Geschäftsessen. Nicht vorhandene internationale Verbindungen, Einreiseverbote und geschlossene Grenzen weltweit tun ihr Übriges zu einem bis vor kurzem noch völlig unvorstellbaren Szenario: Businessreisen gibt es derzeit nicht. Nirgendwo. Für wie lange, weiss niemand.

Doch welche Veränderungen wird diese für alle Beteiligten einschneidende Grenzerfahrung mit sich bringen? Was wird wiederkommen, was für immer verschwinden? Darüber machen sich Branchenexperten bereits jetzt Gedanken und versuchen, sich auf verschiedene Zukunftsszenarien vorzubereiten.

So etwa Christoph Carnier, der als Präsident des VDR (Verband Deutsches Reisemanagement) die Interessen von Businessreisenden bzw. von deren Arbeitgebern vertritt. «Momentan haben wir die Zeit und sind zudem gezwungen, digitale Alternativen zum persönlichen Austausch auszuprobieren», sagt Carnier. «Was geht online gut, welche Termine kann man über digitale Tools wahrnehmen und was funktioniert eher nicht, wo ist es notwendig, von Angesicht zu Angesicht beieinanderzusitzen.»

Aus dieser Erfahrung werde man bei den Unternehmen sicherlich Rückschlüsse ziehen, nicht zuletzt, um Reisekosten zu sparen. Vor allem bei internationalen Unternehmen mit Mitarbeitenden im Ausland werde man aber sicherlich feststellen, dass ein persönlicher Austausch mindestens einmal im Jahr notwendig sei. Ein Geschäftsabschluss oder das Führen eines Teams hält Carnier auf digitalem Wege für problematisch. «Aber die Frequenz der Reisen ist künftig vielleicht nicht mehr so hoch wie vor der Krise. Das wäre denkbar.»

Travel Risk Management und Kommunikation

Das Thema Kommunikation, vor allem bezogen auf die Aspekte Sicherheit und Gesundheit, wird noch weiter an Bedeutung gewinnen, da sind sich die Experten einig. «Geschäftsreisende werden mehr als bisher auf aktive und zeitnahe Informationen ihres Geschäftsreisebüros achten», ist Andreas Schneider überzeugt. Als Head of Business Travel bei DER Touristik Suisse vertritt er in der Schweiz die Marke Kuoni Business Travel und ist sich sicher, dass Firmen und Reisende künftig wieder verstärkt auf den persönlichen Service setzen werden. «Direktbuchungen über Airline-Seiten und Online-Buchungsportale werden nach den in der Krise gemachten Erfahrungen sicher rückläufig sein», sagt Schneider voraus.

Auch das Thema Travel Risk Management wird Schneider zufolge einen deutlich höheren Stellenwert bekommen. «Die Unternehmen sollten ihrer Verpflichtung gegenüber den Reisenden mehr als bisher nachkommen und flächendeckend ein aktives Travel Risk Management einführen», empfiehlt Schneider. Konkret: Unternehmen sind stets informiert, wer sich wo aufhält, wer wann wie auf Reisen ist und verbinden das Ganze mit einem persönlichen 24/7-Service, Apps und weiteren Tools zur Unterstützung von Geschäftsreisenden rund um die Uhr.

Wer in der App oder via einen anderen Kanal registriert ist, bekommt Informationen über das Land, in das er reist und über dessen Risikofaktoren, das sei selbstverständlich, sagt VDR-Präsident Carnier. «Zu den Security-Themen kommen künftig jedoch vermutlich vermehrt Gesundheitsthemen hinzu», prognostiziert Carnier. Denkbar wäre für ihn sogar ein Gesundheitskit, zu dem in der Nach-Corona-Welt allenfalls auch Handschuhe, Maske und Desinfektionsmittel gehören könnten. Anbieter wie Airlines, Autovermieter oder Hotels seien aufgefordert zu kommunizieren, wie sie ihre Verkehrsmittel oder ihre Räume sauber und hygienisch rein halten. Airlines wie etwa Cathay Pacific aus Hongkong verbreiten auf Social Media seit Längerem aktiv Videos von professionellen Putztrupps in den Flugzeugkabinen.

Christoph Carnier denkt in Sachen Travel Risk Management noch weiter. «Werden Firmen künftig fragen, welche Geschäftsreisenden in welche Risikogruppe gehören? Was ist dann mit dem Datenschutz? Werden die Reisenden selbst sich künftig mehr als bisher fragen: Was kann ich mir zumuten, was nicht?» Auf all dies gibt es momentan noch keine Antworten. Aber wer sich rechtzeitig die richtigen Fragen stellt, ist später im Vorteil. Im Vorteil als Reisedestination könnten künftig auch Länder sein, die eine gute medizinische Versorgung haben, mutmasst Christoph Carnier. «Denn für Reisende wird die Gewissheit, im Notfall gut aufgehoben zu sein, an Relevanz gewinnen.»

CO2-Effizienz als Folge der Krise

Ein vor der Krise omnipräsentes Thema bekommt nun auf ganz andere Weise neue Brisanz: die Nachhaltigkeit bzw. CO2-Effizienz. Nicht nur weil die Flieger am Boden sind und somit keine Treibhausgase ausstossen.

Luftfahrtkonzerne wie die Lufthansa-Gruppe, zu der auch die Swiss gehört, verkleinern ihre Flotten und rangieren als Erstes ältere, ineffizientere Maschinen aus. Auch so wird künftig Treibstoff gespart. «Und», so gibt Christoph Carnier zu bedenken, «vielleicht werden manche Strecken erst einmal gar nicht mehr bedient, weil sie ineffizient sind oder es vielleicht bereits waren.»

Businessreisen werden als Erstes zurückkommen

Natürlich werden Einreisebeschränkungen noch lange Zeit Auswirkungen auf die Nachfrage und auch auf die Kapazitätsplanung der Mobilitätsanbieter – allen voran der Airlines – haben. «Wir erwarten aber grundsätzlich, dass die Nachfrage im Geschäftsreisesegment relativ schnell zurückkommt und auch ein Nachholbedarf besteht», sagt Tony Seifarth, Head of Sales DACH von Cathay Pacific. Die Airline befördert ab Zürich normalerweise einen grossen Anteil Businessreisender nach Hongkong und an weitere internationale Ziele. Gerade bei den Geschäftsreisenden spiele aber eine transparente Kommunikation auf sachlicher und pragmatischer Ebene eine wesentliche Rolle. Themen wie Hygiene und Sitzabstand könnten noch länger zentral bleiben, heisst es bei Cathay Pacific. Allenfalls könne man als Airline versuchen – sofern es die Nachfrage erlaube – Passagiere auch künftig in möglichst grosser Distanz zueinander zu platzieren.

Ob die digitalen Möglichkeiten, mit denen sich viele Firmen und Teams nun erstmals ernsthaft auseinandersetzen, die Geschäftsreisetätigkeit langfristig verkleinern, kann niemand voraussagen. Tony Seifarth von Cathay Pacific berichtet aus der Erfahrung zu Zeiten von SARS in Asien allerdings, dass diese Erwartung damals nicht eingetreten sei. «Allerdings waren die technischen Voraussetzungen nicht so gut wie heute.»

Andreas Schneider von Kuoni Business Travel ist sich sicher, dass es mittelfristig nicht weniger internationale Reisen geben wird, auch wenn die Technik das eine oder andere persönliche Meeting ersetzen oder ergänzen werde. Doch durch die zeitversetzten Einreisesperren und geänderten Ländervorschriften werde das Wiederanfahren der globalen Reisewirtschaft sicher das gesamte zweite Halbjahr 2020 dauern.

Und Christoph Carnier gibt zu bedenken: «Wenn die Welt stillsteht, funktioniert unser Wirtschaftssystem nicht mehr.» In der heutigen Zeit sei es notwendig, sich zu bewegen. Die Wirtschaftskraft des globalen Travels sei gigantisch.

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