Travel Tech

Expert Alptraum oder Segen: Sollen Hotels in eine eigene App investieren?

Michael Toedt

Big-Data und Software-Spezialist Michael Toedt über das vermeintliche Allheilmittel App.

Ein Grossteil der Hotelketten und viele Hotels besitzen heute eine sogenannte Hotel-App — also ein Programm, das auf den Smartphones der User den Check-in erleichtern soll, Informationen bieten, die Schlüsselkarte ersetzen und natürlich das Buchen des nächsten Aufenthalts ermöglichen. Doch sind diese kleinen Programme wirklich der Weisheit letzter Schluss? Apps werden sehr schnell sehr teuer und müssen für verschiedene Betriebssysteme erstellt werden. Darüber hinaus sollten sie in eine zentrale gastorientierte IT-Struktur integriert sein.

Der häufig herangezogene Vergleich mit den Airlines hinkt. Denn gerade Frequent Traveller, eine besonders beliebte Zielgruppe bei Hoteliers, nutzen vorwiegend ein und dieselbe Fluggesellschaft. Untersuchungen zufolge ist dies bei der Wahl des Hotels jedoch nicht der Fall. Diese Gruppe der Vielreisenden besitzt im Durchschnitt vier Hotel-Kundenkarten und müsste sich letztlich auch mit mehreren Apps anfreunden. Ist das kundenorientiert oder einfach nur ein IT-Trend, dem das Management nicht widerstehen kann?

Zu Beginn der Internetzeitalter hiess der Slogen von IBM „Ab ins Netz“. Allerdings waren und sind die Erfolgreichen nicht diejenigen, die unüberlegt dem neuesten Trend hinterherrennen, sondern diejenigen die abwarten, sondieren, überlegen und dann die richtige Strategie wählen — und zwar aus Sicht des Kunden.

Apps müssen zum einen in das jeweilige Gesamtkonzept passen, zum anderen vor allem vom Gast akzeptiert werden. Das ist der grosse Unterschied zwischen den gastorientierten OTAs und vielen produktverliebten Hoteliers. Im Mittelpunkt sollte immer der Kunde stehen, das lernt schon der Lehrling.

«Mobile Webseiten können heute vieles ebenso gut.»

Die Zahlen zeigen, dass viele Konsumenten Apps mittlerweile als Belästigung empfinden. So stagnieren die Download-Zahlen, wenn man den steigenden Anteil der Smartphones am Gesamtmarkt betrachtet. Auch sind Reise-Apps erst auf Platz 7 des Download-Rankings zu finden. Für Hotel-Apps gibt es erst gar keine eigene Kategorie.

Die "New York Times" berichtete über den Versuch der Hotelkette Hilton, mit besonderen Services den Konsumenten aus den Fängen der OTAs zu befreien und somit an sich zu binden. Die Zahl von einer Million Nutzern pro Monat beeindruckt durchaus, eine Erfolgsgeschichte von Hotel-App also? Bei 4200 Hotels mit durchschnittlich 160 Zimmern bedeutet dies, dass gerade einmal rund 7 Prozent der Gäste die App nutzen. Ob das wirklich ein Erfolg ist, sei dahingestellt.

Diese Zahl deckt sich mit unseren Untersuchungen, denn bisher wird zum Beispiel der Check-in oder das Türöffnen über das Smartphone von lediglich 5 Prozent der Gäste genutzt. Von einer umfassenden Marktakzeptanz kann da nicht die Rede sein.

Lohnen sich also horrende Investments in Apps überhaupt oder sind es reine Prestigeprojekte des Managements? Rocco Forte hat gerade erst eine App gelaunched, die an Technikverliebtheit kaum zu übertreffen ist. Doch nutzen die Gäste des Rocco Forte tatsächlich ein solches Angebot? Oder ist das Management übermütig geworden beziehungsweise hat die IT das Sagen?

Ob die App wirklich das Tool ist, das den Gast begeistert, ist eher zweifelhaft. Mobile Webseiten können heute vieles ebenso gut. Auch für Location-based-Services und Real-Time Marketing Automation — die nächsten grossen Trends, die schon in den Startlöchern stehen — sind Apps nicht zwingend notwendig. Eine App kann aber unter gewissen Umständen durchaus sinnvoll sein. Doch wie so häufig muss der Hotelier vorher klar analysieren und die Frage nach der Sinnhaftigkeit deutlich und umfassend beantworten. Nur dann sollte ein Investment getätigt werden. Doch gerade die Frage nach dem „Warum“ wird aus meiner Sicht in der Hotellerie viel zu selten gestellt!