Tourismuswelt

Bild: SharkprojectInternational

«Wellenreiter und Surfer sind am stärksten gefährdet»

Linda von Euw

Alex Smolinsky, Präsident von Shark Project Switzerland, über die Gefahr, die von Haien ausgeht — und seine Sorge über das Unterwasser-Öko-System.

Letztes Jahr gab es 98 Haiattacken auf Menschen, davon verliefen sechs tödlich. Dies gab die Datenbank für Haiattacken bekannt, die seit 1958 besteht. Laut dieser wurden damit im Jahr 2015 doppelt so viele tödliche Haiangriffe verzeichnet wie im Jahr 2014. Alex Smolinsky, Präsident des Shark Project Switzerland, äussert sich zu diesen Zahlen. Travelnews.ch hat ihn an der St. Galler Ferienmesse getroffen.

Das Shark Project ist ein gemeinschaftliches Projekt der Länder Schweiz, Deutschland und Österreich. Seit sieben Jahren tourt die Ausstellung „Haitanic“ durch Europa. Sie soll den Leuten aufzeigen, dass Haie nicht so gefährlich sind, wie viele denken.

Alex Smolinsky setzt sich als Präsident des Sharkproject Switzerland für die Haie ein.

Herr Smolinsky, wie schlecht steht es denn um den Hai?

Alex Smolinsky: Wir reden von 100 Millionen getöteten Haien jedes Jahr. Nimmt man als Vergleich dazu diese sechs toten Menschen, relativiert sich das Verhältnis. Wenn wir weiterhin alle Top-Räuber töten, droht das Unterwasser-Öko-System zusammenzubrechen. Man fischt heute Thunfische aus dem Meer, die noch nicht geschlechtsreif sind, weil die Netzte immer kleiner werden und tötet willentlich Haifische. Damit können sich die Tertiärkonsumenten rasant vermehren und alles kahl fressen.

Stimmt es denn, dass sich die Haie wegen des Klimawandels vermehrt verlagern?

Es gibt grosse Veränderungen der Meeresströmungen, die die Haie tendenziell in die Tiefe und damit ins kältere Wasser drücken. Man kann aber nicht sagen, dass der Klimawandel ganze Haigebiete verschiebt, so dass an einem Strand, wo normalerweise keine Haie sind, plötzlich welche auftauchen. Es gibt auch Haie, die das warme Wasser suchen und solche, die es meiden wie der Teufel das Weihwasser. Bei manchen beobachtet man, dass sich die Männchen eher im kühlen und die Weibchen im warmen Wasser aufhalten. Sie treffen sich dann einmal jährlich zur Paarung.

Warum kommt es denn trotzdem immer mal wieder zu einer Haiattacke?

Wenn man sich Luft-Aufnahmen von Stränden in Südafrika oder Australien anschaut, sieht man, dass die angrenzenden Gewässer voll sind mit Haien. Aber trotzdem passiert in der Regel nichts. Wenn doch, dann liegt das an einem unglücklichen Zusammenspiel gewisser Faktoren.

Diese wären?

Wellenreiter und Surfer sind ganz klar am stärksten gefährdet. Einerseits befinden sich Board-Sportler viel weiter im Meer, anderseits produzieren Surfbretter, die übers Wasser gleiten für den Hai charakteristische Geräusche, die auch verletzte Fisch machen, wenn sie an der Wasseroberfläche treiben. Dann ist der Surfer in einer Brandungszone unterwegs — in einem Gebiet, wo Wellen brechen. Das stört das Druckempfinden des Haies und durch das trübe Wasser ist auch sein Sehvermögen eingeschränkt. Ausserdem sind brechende Wellen laut — der Hai hört also auch nicht richtig. Von den sieben Sinnen, die ein Hai hat, sind schon einmal vier irritiert. Er kann sich nur noch auf seine elektronischen Fähigkeiten — also das Spüren von Herzschlägen und Muskelbewegungen — verlassen und auf seinen Geruchs-, Tast- und Geschmackssinn.

«Wären wir Nahrung für Haie, dann wären die Strände vor Mallorca voll mit Haien»

Das heisst, er probiert einfach, ob der Surfer allenfalls Nahrung für ihn ist?

Ja, es handelt sich hierbei eindeutig um Probebisse. Ein Surfer wird nie gefressen, sondern immer nur gebissen. Das Problem ist, dass ein fünf Zentimeter langer Haizahn schnell einmal eine Arterie im Oberschenkel durchtrennt, was den Menschen innert Minuten verbluten lässt. Aber auch hier muss man sich das Verhältnis vor Augen führen: Weltweit haben wir jährlich 20 Milliarden Wassersportbewegungen im Verhältnis zu etwa 136 bis 150 Board-Unfälle und insgesamt sechs bis acht Tote pro Jahr. Wären wir Nahrung für Haie, dann wären die Strände vor Mallorca oder auf den Inseln der Malediven voll mit Haien. Es gebe nichts einfacheres für einen Haifisch, als an so einen Strand zu schwimmen und gemütlich auszuwählen, ob er heute italienisch, griechisch oder französisch essen möchte.

Stimmt es denn, dass Haie von Menschenblut angelockt werden?

Nein. Ein Haifisch ist nicht in der Lage das Blut eines Land-Säugetieres zu riechen. Dem Hai fehlen die nötigen Rezeptoren. Er ist nicht darauf ausgelegt, uns zu jagen. Wir Menschen können ja gewisse Gase wie CO2 auch nicht riechen – nicht etwa weil das Gas geruchlos ist, sondern weil uns die Rezeptoren in der Nase fehlen. Der Geruch kann nirgendwo andocken und somit keinen Nervenimpuls auslösen. Beim Hai verhält sich dies mit dem Blut des Menschen gleich: Fischblut ist anders aufgebaut, das kann er riechen. Und auch Harnsäure riecht er. Die ist im gesamten Tierreich gleich – egal ob vom Regenwurm oder vom Menschen. Normalerweise führt die Spur der Harnsäure den Hai zu einem Fisch. Jetzt muss man sich all die Menschen vorstellen, die ins Meer gehen, um zu Pinkeln. Oder auch die Taucher, die ja in den Anzug pinkeln müssen. Wir schwimmen also in einer Suppe, die für den Hai grundsätzlich interessant riecht. Und trotzdem passieren nur sehr wenige Unfälle.

Mehr über die Top-Räuber und das Haischutzprojekt gibt es auf www.sharkproject.org.