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Einwurf Kuoni und das Grounding auf Raten

Roland Zeller

Die nationale Reise-Ikone und die digitale Kapitulation: Roland Zeller über die Gründe des Niedergangs und die Rolle des Verwaltungsrates.

Vor fast 15 Jahren rieb man sich verwundert die Augen, der einst „fliegenden Bank“ Swissair fehlte das Geld, sie blieb für immer am Boden. Eine Ikone des internationalen Flugverkehrs wurde durch unzählige Fehlentscheide eines unfähigen Verwaltungsrates zerstört. Die Verantwortlichen wurden zuerst an den Pranger und später ohne rechtliche Folgen vor Gericht gestellt — die Karrieren der meisten Swissair-Entscheidungsträger wie Philippe Bruggisser, Eric Honegger oder Mario Corti waren jedoch am Ende.

Bei der nationalen Reise-Ikone Kuoni gab es kein Grounding, keinen Big-Bang, sondern einen Abstieg auf Raten: Unzählige Strategiewechsel, zahllose Reorganisationen und viele Wechsel in Konzernleitung und Verwaltungsrat, die darin gipfelten, dass der Kuoni-VR im Januar 2015 bekanntgab, aus dem Reisegeschäft aussteigen zu wollen. Anstatt digitale Transformation also digitale Kapitulation.

Dass die Kuoni-Verantwortlichen dies am 14. Januar, gleich zum Auftakt der Buchungssaison bekanntgaben, zeugt davon, dass sie keine Ahnung haben, wie ihr eigenes Geschäft funktioniert. Die Konsequenz war eine grosse Verunsicherung bei der Kundschaft mit darauf folgendem Buchungseinbruch, der wiederum den Preis der zu verkaufenden Geschäftsteile deutlich nach unten drückte. Das fahrlässig schlechte Timing des Kuoni-VR ermöglichte Rewe die B2C-Teile von Kuoni zum Schnäppchenpreis von rund 120 Millionen Franken zu übernehmen.

Warum sollte sich das jetzt am Schluss ändern?

Leid konnte einem im ganzen Drama die Belegschaft von Kuoni Schweiz und deren CEO Marcel Bürgin tun, welche im 2015 die Dummheiten ihres Verwaltungsrates ausbaden mussten. Denn analog zur Swissair wurde auch bei Kuoni an der Basis immer gute, solide Arbeit geleistet.

In den letzten Wochen wurde schliesslich das vorläufig letzte Kapital im Kuoni-Drama geschrieben. Die verbleibenden Kuoni-Teile werden von der schwedischen Private-Equity-Firma EQT übernommen. Der Verwaltungsrat tritt ab und seine sieben Mitglieder kassieren beim Verkauf ihrer Kuoni-Aktien insgesamt rund 4,4 Millionen Franken. Die Kuoni-Pressestelle wiederum war schnell mit der Mitteilung zur Stelle, dass dies zu versteuernde Lohnbestandteile seien, dies für zum Teil jahrelange Mitarbeit — so be it, Kuoni war schon immer bekannt für hohe Topmanager- und VR-Bezüge, warum sollte sich das jetzt am Schluss ändern? Es ist darum auch nicht davon auszugehen, dass ein Kuoni-Verwaltungsrat auf seine Bezüge verzichten wird, auch wenn dies aufgrund der Performance mehr als anständig wäre.

Sowohl bei Swissair wie auch Kuoni fällt auf, dass ein VR am Werk war, der etwa soviel Ahnung vom Reisegeschäft hat, wie die meisten Leute von Gastronomie: Viele gehen gerne auswärts essen, aber kaum ein Gast kann kochen oder ein Restaurant führen. Diese Einsicht war leider beim Kuoni-Aufsichtsgremium nicht vorhanden, es fehlten die echten Fachleute, die das Reisegeschäft von der Pike auf gelernt haben und die Zusammenhänge begreifen. Ebenso wurde die Digitalisierung des Reisegeschäfts zum grossen Teil verschlafen.

Insofern muss man dem neuen Eigentümer EQT dankbar sein, dass sie Rest-Kuoni von diesem Verwaltungsrat erlösen, auch wenn die Übernahme rund zwei Jahre zu spät kommt. Schlussendlich steht die Frage im Raum, wie es zu diesem faktischen Grounding der 110-jährigen Reise-Ikone Kuoni kommen konnte und wer die Verantwortung dafür trägt  - gemäss Obligationenrecht ist das der (fürstlich entschädigte) Verwaltungsrat mit seinem Präsidenten an der Spitze. Dass dieser jedoch – wie im Fall der Swissair – um seinen Ruf fürchten oder sogar vor Gericht erscheinen muss, wird kaum passieren, trotz Grounding. Müsste man jedoch dem Kuoni-Verwaltungsrat für seine Arbeit ein Zeugnis ausstellen, so würde man wohl darauf verzichten und es bei einer Arbeitsbestätigung belassen.