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«Das Tablet löst die verstaubte Hotelmappe ab»

Gregor Waser

Zürich avanciert zur digitalen Stadt, steht Hoteliers in Online-Belangen eng zur Seite und hält sich in diesem Jahr bei den Gästezahlen überraschend gut. Martin Sturzengger, seit drei Jahren Direktor bei Zürich Tourismus, über Konzepte, Pläne und Sorgen.

Herr Sturzenegger, Zürich Tourismus stattet jedes Hotelzimmer in der Region Zürich mit einem Tablet aus. Weshalb?

Martin Sturzenegger: Der Gast findet auf dem Tablet alle wichtigen Hotelinformationen. Das Tablet löst die altgediente, immer ein bisschen verstaubte Hotelmappe ab. Das Tablet kann aber, im Gegensatz zur Hotelmappe, noch viel mehr. Dank ihm haben wir die Möglichkeit, mit dem Gast zu kommunizieren. So können wir beispielsweise mit einer Push-Nachricht den Hotelgästen ankündigen, dass im Opernhaus am gleichen Abend noch Plätze frei sind und die Karten beim Tourist Service mit 20 Prozent Rabatt bezogen werden können. Das System ist gratis für die Hotels, etwa die Hälfte der Zürcher Hotels haben wir bereits ausgerüstet. Eine erweiterte Version, bei der Kosten für die Hoteliers anfallen, ermöglicht die Anbindung ans Inhouse-System. Der Gast kann dann zum Beispiel Wellness-Behandlungen buchen und vieles mehr.

Werden die Tablets von den Hotelgästen nach dem Aufenthalt nicht mitgenommen?

Die Rate ist sehr gering, sie liegt unter zwei Prozent. Schliesslich weiss man ja, wer im Zimmer war. Das Hotel kann dann diskret nachfragen, ob vielleicht ein Tablet aus Versehen eingepackt wurde.  

Die Webseite zuerich.com hat den Best-of-Swiss-Web-Award gewonnen. Was für ein Konzept steckt dahinter?

Unsere Devise lautete „mobile first“, die Desktop-Version ist ein daraus entstandenes Produkt. Wir möchten zur ersten digitalen Stadt der Welt avancieren.

Welche weiteren Innovationen stehen an?

Wir stehen der Hotellerie in digitalen Belangen zur Seite und bieten etwa das gesamte Suchmaschinen-Marketing für ein Hotel an. Wir wollen ihnen helfen, bei der Google-Suche gut dazustehen und Buchungen weg von den OTAs auf ihre Webseite zu holen. Statt 10‘000 Franken in eine Broschüre zu investieren, die niemand liest, eröffnen sich Online viel bessere Möglichkeiten. Wir haben bereits erste Fälle, bei denen die Eigenbuchungsrate verdoppelt werden konnte.

"Noch haben wir den Grossstadt-Effekt wie in München, Wien oder Berlin nicht, wo die Preise am Kippen sind. Aber die Gefahr ist da."

Bei den Logiernächten hat Zürich im ersten Halbjahr und im Sommer gut abgeschnitten. Waren die Gäste aus den Golfstaaten ausschlaggebend?

Nicht nur. Alle neuen Märkte wie Indien, China und die Golfstaaten werden immer wichtiger für Zürich – und diese Gäste sind hier schon in grosser Zahl vertreten. Wir haben fast so viele Besucher aus China wie Luzern und mehr Gäste aus den Golfstaaten als Interlaken. Dazu kommt, dass wir auch ein Wachstum von 7 Prozent von Gästen aus der Schweiz haben. Das freut uns sehr, denn die Gäste aus der Schweiz stellen immer noch den Grossteil unserer Gäste dar.

Wer sind diese Schweizer?

Ein Grossteil sind Geschäftsreisende. Das ist auf die Erholung der Wirtschaft zurückzuführen. Der Rest der Schweizerinnen und Schweizer kommt in der Freizeit nach Zürich. Für einen Familien-Ausflug etwa oder weil Zürich kulturell und gastronomisch viel zu bieten hat.

Wie mobilisieren Sie Gäste aus den neuen Märkten?

Man muss sich zunächst im Klaren sein, dass Gäste aus China, Indien oder Südamerika sich sehr stark in ihren Bedürfnissen unterscheiden. Insofern kann man nicht über Nacht diese Märkte erschliessen. Es braucht Aufbauarbeit und entsprechende Angebote. Ein Beispiel: der Jelmoli in Zürich hat ein Gebetsraum eingerichtet für muslimische Gäste. Das sind Gesten, die zeigen, dass man diese Gästegruppe ernst nimmt und willkommen heisst.

Ist die Hotellerie in Zürich richtig aufgestellt?

Touristisch läuft es nicht schlecht. Aber wir verlieren derzeit Gäste aus Deutschland, weil wir immer noch das Label «Zürich ist teuer» haben. Die Entwicklung ist aber stabil. Wenn man nun aber auf die Immobilien-Situation schaut, sind viele Leerstände festzustellen. Früher hat ein Investor in eine Büroimmobilie investiert, heute tut er das in Hotels, weil es so gut läuft im Tourismus. Wir haben ein starkes Hotelwachstum. Zwar liegen wir mit der Nachfrage immer knapp über dem Angebot. Auf der einen Seite steigert das die Qualität und Dynamik dank den neuen Playern. Negativ ist, dass die Raten unter Druck geraten. Noch haben wir den Grossstadt-Effekt wie in München, Wien oder Berlin nicht, wo die Preise am Kippen sind. Aber die Gefahr ist da.

Wie verfolgen Sie den MICE-Bereich und die Zukunft des Kongresshauses?

Das ist eine von zwei Sorgen. Die Situation mit dem Kongresshaus ist mühsam für den Platz Zürich. Natürlich unterstützen wir die Sanierung, aber leider bleibt die jetzige Kapazität des Kongresshauses bestehen. Damit haben wir auch in Zukunft kein Kongresszentrum für Veranstaltungen mit über 1000 Personen. Weltweit haben zwar nur sechs Prozent aller Veranstaltungen mehr als 1000 Teilnehmer, aber diese sechs Prozent machen 48 Prozent der Wertschöpfung aus. Deshalb: Wir brauchen ein Kongresszentrum in der Stadt Zürich, das Platz bietet für mindestens 3000 Personen. Für dieses Unterfangen haben wir einen Verein gegründet. Zusammen mit der Handelskammer, der Cityvereinigung und weiteren Interessierten setzen wir uns ein für ein Kongresszentrum beim Carparkplatz.

Und die zweite Sorge?

Sorge ist vielleicht übertrieben. Aber die Tourismusregion profitiert von einem starken Flughafen. Dessen langfristige Entwicklung ist für uns entscheidend. Der Flughafen macht einen unglaublich guten Job, das zeigen die vielen Preise jedes Jahr. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen gut sein. Und das macht uns Sorgen, dass sich diese dereinst verschlechtern könnten. Denn der Flughafen muss wachsen können, wenn wir selber wachsen wollen.

Wie haben Sie den Entscheid der LH-Gruppe wahrgenommen, Zürich weiterhin als Hub zu betreiben?

Diesen Entscheid habe ich so erwartet. Wenn man schaut, wie gewisse Airlines in Zürich investieren, etwa die Cathay Pacific, dann zeigt sich, dass wir eine potente Wirtschaftsmetropole sind. Wir haben zwei Top-Universitäten, grosse Banken und eine IT-Landschaft mit dem Google-Europasitz. Mich freut, dass die Swiss weiterhin die Swissness in die Welt hinaustragen kann. Wir arbeiten aber auch eng mit Emirates, Qatar Airways und weiteren Airlines zusammen.

Das Zurich Film Festival ist in vollem Gang. Welche Bedeutung hat das Festival für den Tourismus?

Das Festival ist eine gute Plattform für die Stadt Zürich. Es hilft, die Stadt Zürich zu vermarkten und schöne Bilder von ihr weltweit zu generieren. Denn in den nächsten Wochen wird viel über die Stars am Festival berichtet. Dafür werden sie zum Beispiel auf dem Sächsilüte-Platz abgelichtet mit dem See als Hintergrund. Ich bin beeindruckt, wie sich das Festival in den elf Jahren entwickelt hat, trotz der Nähe zu Locarno oder Berlin.

Mit welchen weiteren Events vermarkten Sie die Stadt?

Das Hauptaugenmerk legen wir auf elf Anlässe. Im kulturellen Bereich sind es neben dem Filmfestival, das Sächsilüte, die Filmfestspiele Zürich und das Theater Spektakel. Die urbanen Anlässe sind die Street Parade, die Zurich Pride und freestyle.ch. Im Bereich natural sind des Weltklasse, CSI, Ironman und Marathon. Aber wir haben noch 1000 weitere Veranstaltungen, von Zürich tanzt bis zu den Foodfestivals. Unsere Aufgabe ist es, diese Vielzahl zu bündeln.

Und welche Highlights stehen 2016 an?

Das wird ein grossartiges Jahr für Zürich. Im Februar eröffnet das Fifa-Museum. Ich bin überzeugt, dass das Fussball-Museum am Tessinerplatz eine grosse Anziehung haben wird. Dann feiern wir 100 Jahre Dada. Und die Manifesta kommt nach Zürich und wird hunderttausende Besucher anziehen. Zudem lancieren wir im Herbst 2016 mit FOOD ZURICH ein grosses Festival. Mit ihm wollen wir die vielen einzelnen und kleineren Food-Festivals zu einem grossen Festival mit internationaler Ausstrahlung bündeln.