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Tamer Marzouk. Image: Linda von Euw

«Die Tourismusbranche ist die stärkste Anti-Terror-Waffe der Welt»

Linda von Euw

Tamer Marzouk, der Geschäftsführer des ägyptischen Fremdenverkehrsamtes, verzeichnet grossen Zuwachs bei Touristen aus den Golfstaaten.

Herr Marzouk, welches Kunden-Feedback erhalten Sie derzeit?

Tamer Marzouk, Geschäftsführer des ägyptischen Fremdenverkehrsamtes von Deutschland, Österreich, Polen und der Schweiz: Wir haben sehr viele interessierte Kunden, die natürlich auch Fragen zur allgemeinen Sicherheitslage in der Region stellen. Für uns ist das aber auch eine Chance, den Leuten zu erklären, dass Ägypten mit einer Fläche von über einer Million Quadratkilometer wirklich kein kleines Land ist. Im Norden grenzt Ägypten an Israel und Palästina – dort haben wir schon seit längerem Krieg und das ist Sperrgebiet für Ausländer wie auch für Touristen. Dieser Teil ist aber vom Rest des Landes komplett getrennt – dazwischen liegen die Sinaiberge und der Suezkanal. Von da bis nach Sharm el Sheik ist es mehr als eine Stunde Flug.  Das Niltal wie auch das Gebiet ums Rote Meer sind sicher – natürlich gibt es jetzt nirgendwo auf der Welt eine 100-Prozentige Sicherheit, aber die Sicherheitslage in Ägypten ist genau gleich wie diejenige in der Schweiz.

Ägypten hat auch gerade erst 32 Millionen US-Dollar in die Sicherheit investiert..

Ja, das stimmt. Wir sind auch eines der ersten Länder, das eine Spezial-Einheit bei der Polizei hat: Die Tourismus-Polizei. Wir haben diese Einheit schon seit den 90er-Jahren. Die Sicherheit der Touristen war für Ägypten schon immer wichtig. Diese Einheit wird stets mit dem neusten Equipment ausgestattet. Sie kümmern sich nur um die Sicherheit der Touristen und deren Eigentum. Wir haben jetzt nochmal viel in diese Einheit investiert wie auch in die Sicherheitsüberwachung der Hotels und touristischen Stätten. Die Tourismusbranche ist sehr wichtig für uns als Land, denn diese macht mehr als 11,6 Prozent des Bruttoinland-Produktes aus. Das sind 12,7 Prozent aller Arbeitsplätze im Land. Sicherheit ist aber im Moment nicht nur ein Thema für Ägypten, sondern eines für die ganze Welt. In fast jedem Land gibt es verschiedene Spots, wo man aufpassen muss. In Ägypten richten sich kriminelle Akte gegen die Sicherheitskräfte und das Militär und nicht gegen Touristen.

Was war denn mit dem österreichischen Paar in Hurghada?

Das war ein krimineller Akt. Da kamen zwei junge Männer ins Café rein, haben sich gestritten und der eine hat ein Messer gezückt. Die beiden Touristen waren mittendrin und wurden verletzt. Die Medien haben geschrieben, dass das der IS gewesen wäre. Das stimmt nicht. Dass der IS gerade weltweite Propaganda macht, hat nichts mit Ägypten zu tun. Die Gruppen, die hier aktiv sind, sind schon seit langem da und vor allem im Nord-Sinai anzutreffen.

«Bei den Gästen aus dem arabischen Raum verzeichnen wir eine Steigerung von mehr als 45 Prozent gegenüber 2014»

Sind denn aktuell Touristen in Ägypten?

Ja, wir haben Touristen, vor allem am Roten Meer, El Gouna und Umgebung. Die meisten kommen aus Schweden, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aber auch die Polen kommen weiterhin nach Ägypten. Und die Golf-Länder unterstützen uns: Wir verzeichnen  bei den Gästen aus dem arabischen Raum eine Steigerung von mehr als 45 Prozent Steigerung gegenüber 2014.

Wie kommt das?

Die Araber schätzen es, dass wir Ägypter gegen die Muslimbrüder vorgegangen sind. Obwohl wir diese ja zuerst offiziell gewählt haben, haben wir schnell gemerkt, dass es sich um Extremisten handelt, die das Land in die falsche Richtung lenken. Die Ägypter geniessen das Leben und wollen frei sein. Bei uns gibt es Christen, Moslems, Menschen mit und ohne Kopftuch, die alle friedlich nebeneinanderleben. Wir haben das arabische Land vor solchen Extremisten gerettet. Darum sympathisieren die Golfstaaten mit uns und wollen uns wirtschaftlich und finanziell unterstützen. In Kuwait und den UAE gab es viele Kampagnen, in denen Ägypten zum Beispiel als „grosse Tochter“ bezeichnet wurde.

Haben Sie konkrete Zahlen zu den Touristen?

Natürlich. 90'483 Touristen reisten im Jahr 2015 aus der Schweiz nach Ägypten. Das ist eine Steigerung von 12,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bis zum September verzeichneten wir gar eine Steigerung von 30,2 Prozent. Ägypten hat bei den Schweizern richtig geboomt. Auch aus Deutschland reisten 16,4 Prozent mehr Gäste an. Aus Kuwait hatten wir 140‘000 Touristen, was eine Steigerung von 15,5 Prozent bedeutet. Aus Bahrain kamen 32‘972 Touristen, das ist eine Steigerung von 32,8 Prozent. Aus Saudi Arabien verzeichneten wir 433‘000 Gäste, was ein Plus von 23,7 Prozent bedeutet. Ohne den Flugzeugabsturz im Oktober hätten wir allgemein eine riesige Steigerung bei den Touristenzahlen gehabt.

«Unser grösster Schatz ist unsere grosse Anzahl Stammkunden»

Wie sieht denn die Sicherheit an den Flughäfen der Touristenziele im Moment aus?

Wir haben Kooperationen mit verschiedenen Ländern wie England, Deutschland und  Frankreich. Deren Experten beurteilen die Lage in den verschiedenen Flughäfen und machen uns dann Vorschläge, was wir wie ändern sollen. Wir setzen diese Vorschläge jeweils sofort um. Die Bewertung des Flughafens Hurghada war übrigens sehr positiv. Es sind wirklich nur kleine Dinge, die wir anpassen müssen, damit wir in allen Punkten dem europäischen Sicherheitsstandard entsprechen. Wir haben jetzt zusätzlich noch einen Vertrag mit Control Risk, das ist eine weltbekannte  Firma für Qualitätskontrolle an Flughäfen. Sie werden ebenfalls  alle Flughäfen unter die Lupe nehmen und uns allfällige Änderungsvorschläge unterbreiten. Control Risk hat die Arbeit bereits aufgenommen.

Sind Sie zuversichtlich für die kommende Badesaison?

Das Geschäft läuft im Moment sicher nicht so, wie wir wollten. Aber trotzdem: Es läuft. Die Kunden werden in den nächsten Wochen eher Last Minute buchen, da viele erst einmal abwarten, wie sich alles entwickelt. Als Tourismusbranche müssen wir in dieser Zeit vor allem die Leute aufklären. Unsere wichtigsten Botschafter sind die Reisebüros – die Kunden brauchen jetzt Beratung. Unser grösster Schatz ist im Moment sicher unsere grosse Zahl an Stammkunden. 40 Prozent aller Gäste sind Stammkunden. Sie kennen Ägypten sehr gut wie auch das Personal der Hotels. Gerade dieses möchten sie in dieser schwierigen Zeit unterstützen indem sie weiterhin nach Ägypten reisen. Ich glaube, dass wir als Tourismusbranche die stärkste Anti-Terror-Waffe der Welt sind. Das Ziel dieser Verrückten, die unserer Welt schaden, ist es, uns ängstlich zu machen und uns dazu zu bringen, dass wir zu Hause bleiben und andere Religionen und Sitten nicht näher kennenlernen. Wenn wir jetzt mitmachen und Angst haben, dann haben sie gewonnen. Die verschiedenen Völker müssen sich kennenlernen –  denn egal was passiert, es hat nichts mit Religionen zu tun.